Intercity nach Mailand - vielleicht. Brigitte Krächan

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Intercity nach Mailand - vielleicht - Brigitte Krächan

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Alte beeilt sich nach draußen zu kommen. Hundert Meter. Ein kleiner, dreckiger Park. Morgens ist er hier alleine. Die anderen würden nachmittags kommen, wenn sie ihren Rausch ausgeschlafen hatten und Nachschub brauchten. Dann würde er gehen. Meistens mag er ihre Gesellschaft nicht. Er ist nicht wie sie. Aber jetzt gönnt er sich eine Pause in der blassen Frühlingssonne. Eine Selbstgedrehte und ein paar Schlucke Wein. Ein bisschen selbstbestimmte Freiheit auf der Parkbank. Danach wird er nach Hause gehen. Den Fernseher einschalten. Fünfzig Zoll. HD. Den Korn trinken. Und die Zeit wird vergehen.

      Er ist nicht wie sie. Er trinkt den Schnaps nie in der Öffentlichkeit. Er hat ihnen von Cato erzählt. Der stolze Cato. Einer, der einfach ging, als sich das Leben um ihn herum veränderte. Der Schluss machte, als das Leben nicht mehr zu ihm passte. Cato, der sich weigerte, sich anzupassen und die Freiheit wählte. Seitdem nennen sie ihn Cato. Sie haben nichts verstanden.

      „Das Zeug bringt Dich noch um. Langsam, aber sicher“, hat sie gesagt. Fast hätte er geantwortet.

      „Ich weiß“, hätte er geantwortet.

      “Es wird mich umbringen. Langsam. Unendlich langsam. Aber besser geht’s nicht.“

      Fast hätte er so geantwortet.

       Der Alte lehnt sich zurück. Nimmt einen Schluck Wein und spürt die Sonne auf den geschlossenen Augen.

       „Ich liebe Dich! Und ich werde Dich nie mehr verlassen.“ Eves dunkelbraunes, langes Haar, das sie mit einem leuchtend gelben Band zurückgebunden hatte, flatterte im Fahrtwind. Der rote Ferrari fuhr in zügigem Tempo die schmale Küstenstraße hinunter. Ein tiefblaues Meer, glitzernd in der Nachmittagssonne, säumte die steil abfallenden Felsen.

       „Ich weiß“, lächelte er Eve zu. Ein perfekter Tag. Er trat das Gaspedal durch. 460 PS. In 3,8 Sekunden von Null auf Hundert. Die Straße machte eine scharfe Linkskurve. Der Ferrari durchbrach die Leitplanke. Eve schrie. Ihre roten Fingernägel krallten sich in seinen Unterarm. Er genoss das unbeschreibliche Gefühl der grenzenlosen Freiheit, als der Wagen über die weißen Klippen raste dem endlosen, blauen Meer entgegen.

      Das Dinner

      „Liebling, sagte ich dann zu ihm, warum trägst Du nicht das schicke Armani-Sakko zum Dinner? Aber nein, es musste wieder die abgetragene Peter Hahn Jacke sein. So sind sie unsere Männer, die Herren Professoren. Immer ein bisschen altmodisch. Immer ein bisschen verschroben. Ohne uns wären sie verloren in der bösen Alltagswelt.“

      Mit ihren hageren Fingern tätschelte Mathilde kurz die Glatze ihres Mannes und wandte sich dann ihrer Tischnachbarin zu. „Sie behandelt mich wie einen Schoßhund“, dachte Klaus. Was hatte ihn nur bewogen, diese entsetzliche Frau vor mehr als dreißig Jahren zu heiraten? Er war kein Professor. Er hatte studiert, aber nie promoviert. Doch seine Frau zog es vor, Tatsachen einfach zu ignorieren und sich mit „Frau Professor“ anreden zu lassen.

      Mathilde hatte ihnen diese Einladung zum Dinner mit gewohnter Hartnäckigkeit verschafft. Wer war die Gastgeberin noch einmal? Irgendwann zwischen den endlosen Klatschgeschichten und Nörgeleien war ihr Name bestimmt gefallen. Aber Klaus hatte nicht zugehört. „Das Alkaloid des Schierlings verursacht Sprachlähmungen“, ging es Klaus durch den Kopf. Aber leider war das Gift sehr leicht nachweisbar.

       „Und stellen Sie sich vor, die Medikamente, die mein schlauer Professor erfindet, retten eines Tages Millionen von Menschen das Leben. Sicherlich hat Ihr Mann schon davon gehört. Unter Insidern spricht sich so etwas rasend schnell herum. Ihr Mann verkehrt zweifelsohne in diesen Kreisen.“ Ununterbrochen redete Mathilde auf ihre Tischnachbarin ein.

      Klaus hatte das Ehepaar Meyer schon ein paar Mal bei ähnlichen Anlässen getroffen. Der Mann tat ihm leid. Ein stiller, freundlicher Mensch, leitender Arzt im Stadtkrankenhaus. Klaus empfand eine Art Seelenverwandtschaft. Waren sie doch beide mit dem gleichen Typ Frau gestraft. Er musterte die Frau des Professors eingehender. Sie hatte sich seit ihrem letzten Treffen verändert. Ihr Gesicht zeigte deutliche Wassereinlagerungen, die Haut der Oberarme wies kleine Einblutungen und blaue Flecke auf. Anzeichen einer Überdosis Cortison. Aber ihr Mann war Arzt, er musste es auch bemerken, und er musste wissen, dass es schonendere Mittel gab. Er sollte seiner Frau besser ein Glucocorticoid verschreiben. Er möchte doch bestimmt nicht die lebensbedrohenden Nebenwirkungen des Cortisons riskieren. Es sei denn …

      Klaus betrachtete seinen stillen Gegenüber mit neuem Interesse. Professor Meyer erwiderte den Blick und nickte ihm freundlich zu.

      „Der Professor weiß, dass ich es weiß“, durchfuhr es Klaus.

       Die Gastgeberin reichte die Aperitifs. Eine blondierte Enddreißigerin mit Grünstich im Haar. Ihr Frisör hätte sie darauf aufmerksam machen sollen, dass sich frisch blondiertes Haar im Chlorwasser grün färbt.

      Klaus kam einfach nicht auf ihren Namen. Sie waren schriftlich zu dem Dinner eingeladen worden. Sogar die Menükarte war beigelegt. Die Gastgeberin hatte angekündigt, dass sie das Essen höchstpersönlich zubereiten würde. Die Mithilfe der Gäste in der Küche sei ausdrücklich erwünscht. Wieder so ein neumodischer Unsinn. Erlebnisgastronomie.

      Als Vorspeise sollte es Sushi geben.

      Mathilde wunderte sich vermutlich sehr, als Klaus der Gastgeberin anbot, ihr beim Anrichten und Auftragen der Vorspeise zu helfen.

       Mathilde hasste rohen Fisch. Aber Sushi gehörte zur feinen Gesellschaft dazu und deshalb würde sie ihn hastig herunterwürgen ohne auf den strengen Geschmack zu achten. Alle würden heute Abend mit den Symptomen einer Fischvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden. Alle würden das Krankenhaus nach einer zugegeben recht unangenehmen Nacht wieder verlassen.

      Alle, bis auf Mathilde, bei der die Vergiftung einen zwar seltenen aber biochemisch nicht weiter auffälligen Verlauf nehmen würde.

       Und Klaus würde angemessen um seine Gattin trauern und dann in einen langen, ruhigen Urlaub aufbrechen.

      Der Weiher am Landheim

      Sie haben das Tor geschlossen und mit einem Vorhängeschloss gesichert.

      Schade. Eigentlich lief ich gerne durch den verwilderten Park. Es war schön, dem Pfad der Rehe bis zum Wasser zu folgen. Ich saß auf der alten Holzbank in der Sonne und blickte hinüber zu den Trauerweiden, die sich tief über das schwarze Wasser beugten. Ich konnte mir die Kinder vorstellen, die dort unter den Weiden im dunklen Schatten Verstecken spielten. Wie sie durch das Gras zum bunten Spielhaus liefen oder sich am Fuße der Rutsche stritten, wer die Leiter als erstes hinaufklettern durfte. Und ich stellte mir ihre Mütter vor, die die Kinder auf dem kleinen Karussell antrieben. Die Schaukeln hatte man abgehängt und die Spielgeräte waren von Brombeerhecken überwuchert. Aber das große Entenhaus auf der Insel in der Mitte des Weihers wurde immer noch von Enten bewohnt. Ein alter, verwitterter Holzzaun umschloss den Weiher. Die kleine Pforte war geschlossen. Hier hatten die Kinder gestanden mit ihrem Brot in den Händen, ungeduldig auf die Mütter wartend, die noch bei einer letzten Tasse Kaffee beim Frühstück hockten. Jedes Kind füttert gerne Enten. Ich hatte mir vorgenommen, beim nächsten Spaziergang auch Brot für die Enten mitzunehmen.

      Aber der Weg durch den Park zum Weiher ist jetzt versperrt. Vielleicht ist es besser so.

       Der Park und der Weiher gehörten zu einem Müttergenesungsheim, das vor langer Zeit geschlossen wurde. Hierher kamen Mütter mit Kindern, die an schweren, chronischen Erkrankungen litten. Man wollte beiden, den Müttern und den Kindern, einen Erholungsaufenthalt außerhalb der Stadt ermöglichen.

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