Das Tor vorm Moor und hinterm Schatz. Norbert Schimmelpfennig

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Das Tor vorm Moor und hinterm Schatz - Norbert Schimmelpfennig

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saß Felix Xaver Drickberg selbst vor dem Monitor, konnte der Neugierde nicht widerstehen, irgendetwas daran zog ihn an …

      Die meisten Lampen hatte er wieder ausgeknipst, klickte auf „Fortsetzen“ – und was er nun sah, kam ihm teilweise bekannt vor, wenn auch aus sehr alter Zeit. Dies und die Software „Thombtopping“ – das waren zwei Sachen, die in ihm Erinnerungen an jemanden wachriefen, aus Zeiten, in denen man ihn allgemein „Yxick“ genannt hatte. Ebenso die schwarzhaarige dünne Kämpferin – auch diese erinnerte ihn an ein bestimmtes Mädchen aus jener Zeit!

      Am Tag, an dem die Biene Maja zum ersten Mal im Fernsehen lief

      Der elfjährige Felix Xaver, ein wohlgenährter Junge mit dunkelblonden kurzen Haaren, hatte noch Ferien. Seit Jahren schon wurde er meistens „Ixick“ genannt, seit einiger Zeit auch „Yxick“ geschrieben, nämlich seit die „Yps“- Comics so beliebt waren.

      Dort hatte es neulich ein Heft mit einem Dracula-Gebiss als Gimmick gegeben, und dieses Gebiss hatte er sich wieder einmal spaßeshalber eingesetzt. Am Anfang dieses Heftes stand eine kurze Geschichte, in der Maus Kaspar, Frosch Patsch und Vogel Willi das Geheimnis des Grafen Ypsula erkunden wollten.

      Gerade sah er vom Fenster aus den Nachbarskindern zu, wie sie auf dem Rasen mit Bällen auf die zwei Birken in der Mitte der Wiese zielten und zwischen den zwei Bäumen hindurch rannten. Draußen schien an diesem Tag kaum die Sonne, es sah vielmehr nach Regen aus, was man in letzter Zeit kaum noch gewohnt war.

      Die Rufe dieser Kinder waren drinnen noch ziemlich deutlich zu vernehmen. Yxick selbst hatte das Ballspielen nie so richtig gelernt, auch blieb er mit seiner rundlichen Gestalt immer zwischen den zwei Bäumen stecken.

      Außerdem hatte er ein paar Wochen vorher, kurz nach dem Mittagessen, ein unangenehmes Erlebnis gehabt:

      Beim Essen hatte er ordentlich zugelangt, vor allem beim Fleisch. Danach zog er sich in sein Zimmer zurück und wollte sich aufs Schlafsofa legen, die Bettwäsche konnte im Kasten bleiben.

      Vorher öffnete er noch das Fenster – und da kam von draußen ein Ball heran geflogen, abgeschossen von Schmetterfuß, der in der Nachbarschaft wohnte. Dieser war der beste Fußballspieler weit und breit – einmal hatte Yxick aber auch erlebt, wie dieser Schmetterfuß heftig niesen musste, bloß weil ihm eine Katze über den Weg lief!

      An dem Tag allerdings traf Schmetterfuß mit seinem Ball Yxick am Daumen. Von draußen rief er:

      „Tut mir Leid, Yxick! Möchtest du nicht herunterkommen und mit uns spielen? Hast du schon so lange nicht mehr gemacht!“

      Doch Yxick erwiderte:

      „Heute erst recht nicht – ich muss meinen Daumen unter kaltes Wasser halten!“

      Als der Schmerz im Daumen auch am nächsten Tag noch fortdauerte, ging seine Mutter mit ihm zum Arzt, und dieser stellte tatsächlich einen leichten Bruch fest!

      Inzwischen war der Daumen wieder verheilt, doch hatte Yxick auch heute keine Lust, mitzuspielen, und ließ sogar das Fenster geschlossen. Stattdessen betrachtete er lieber das Stoffarmband, das er um das rechte Handgelenk trug und nur sehr selten ablegte und in das ein paar dunkelblaue Perlen eingewebt waren.

      Werfen allerdings übte er grundsätzlich gerne, traf mittlerweile mit Darts-Pfeilen oder kleinen Bällen vom Fenster aus ganz gut die Äste der Birken draußen, hatte aber momentan auch dazu keine Lust.

      Ob er ein Buch lesen, eine Schallplatte auflegen oder mit Fischertechnik spielen sollte?

      Ehe er sich aber entscheiden konnte, wurde er von seiner Mutter ins Wohnzimmer gerufen.

      In Westberlin, inmitten von mehrstöckigen grauen Mietshäusern, stand eine Grundschule. Hier hatte vor ein paar Wochen der Unterricht wieder begonnen.

      Das Wetter verhielt sich an diesem Tag regnerisch – war man kaum noch gewohnt, sonst herrschte in diesem September vielfach noch strahlendes Spätsommerwetter. Vor allem hatte es seit Februar viel zu selten geregnet.

      An diesem Tag fand somit der Sportunterricht in der Halle statt. Die Klasse 6d saß auf dem Boden und hörte den Anweisungen des Lehrers zu.

      Auch der elfjährige Thombi, ein Junge mit kurzen, roten Haaren, der eigentlich Thomas Abermann hieß, sich aber von seinen Freunden immer „Thombermann“, oder einfacher „Thombi“, nennen ließ.

      Anschließend sollten die Kinder die aufgestellten Geräte im Kreis durchturnen. So sprang Thombi ohne große Mühe über einen Bock, ein Pferd und einen Kasten, hangelte sich über den Barren – und stand dann vor der Stange, an der er sich hochziehen musste.

      Doch hier überkam ihn wieder einmal eine Hemmung, hinter ihm begannen die anderen aus seiner Riege schon zu murren. Irgendeine beklemmende, frühkindliche Erinnerung war das – an seinen Vater und das Dach ihres Hauses

      Schließlich zog er sich ein Stück hoch, ließ sich aber auf halbem Weg wieder hinunter gleiten. Da schüttelten die Klassenkameraden hinter ihm den Kopf, einer rief ihm zu:

      „Na, hast du wieder keine Luft in so großer Höhe bekommen?“

      Doch darauf antwortete Thombi nicht und vollführte einen weiten Sprung vom Trampolin.

      Nach dieser Stunde hatte die Klasse Mathematik, in der gerade die Bruchrechnung anfing. Hier stützte Thombi seinen Kopf auf den Arm und sah zur Tür hin.

      Frau Biegmann, die knapp dreißig Jahre alte Lehrerin, fragte ihn:

      „Thomas, hast du in der letzten Stunde gut aufgepasst?“

      Da nickte Thombi leicht, änderte seine Haltung aber nicht.

      Die Lehrerin fuhr fort:

      „Dann erklär doch allen nochmals, was Zähler und Nenner in einem Bruch sind!“

      Jetzt richtete sich Thombi auf und sah zur Lehrerin hin, sein Rücken blieb allerdings immer noch leicht gekrümmt. Er erwiderte:

      „Der Zähler ist wie ein Zebra, das sich aufbäumt und wegrennt – muss wohl über dem Strich stehen! Und wat ,Arschloch’ genannt wird, muss sich darunter befinden!“

      „Na gut, wenn du es dir so leichter merken kannst“, meinte Frau Biegmann und zeichnete einen Bruch an die Tafel, während Thombi mit dem Stuhl kippelte.

      Die Klingel läutete das Ende des Schultages ein, und die Schüler stürmten unter lautem Geschrei nach draußen. Vor der Tür musste Thombi allerdings noch kurz stehen bleiben, um ein paar Blätter aufzusammeln, die aus seinem braunen, abgenutzten Ranzen gefallen waren. Seine roten Haare waren mittlerweile ziemlich zerzaust; und sein gelbes T-Shirt wie auch seine schon stark verblassten Jeans und seine Turnschuhe verrieten, dass er heute schon auf dem Schulhof in den Schmutz gefallen war.

      Frau Biegmann und Frau Standner, eine Lehrerin von mittlerem Alter und mit einer großen Brille, kamen gerade vorbei. Als sie weitergingen, flüsterte Frau Standner:

      „Was nur aus diesem Jungen werden soll? Eigentlich ist er intelligent ...“

      Frau Biegmann erwiderte, während sie den Riemen ihrer rechten Sandalette

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