Heidis Lehr- und Wanderjahre. Johanna Spyri

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Heidis Lehr- und Wanderjahre - Johanna Spyri

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zu tun.«

      »So«, sagte der Alte und warf einen blitzenden Blick auf die Dete. »Und wenn nun das Kind anfängt, dir nachzuflennen und zu winseln, wie kleine Unvernünftige tun, was muss ich dann mit ihm anfangen?«

      »Das ist dann Eure Sache«, warf die Dete zurück, »ich meine fast, es habe mir auch kein Mensch gesagt, wie ich es mit dem Kleinen anzufangen habe, als es mir auf den Händen lag, ein einziges Jährchen alt, und ich schon für mich und die Mutter genug zu tun hatte. Jetzt muss ich meinem Verdienst nach, und Ihr seid der Nächste am Kind; wenn Ihr's nicht haben könnt, so macht mit ihm, was Ihr wollt, dann habt Ihr's zu verantworten, wenn's verdirbt, und Ihr werdet wohl nicht nötig haben, noch etwas aufzuladen.«

      Die Dete hatte kein recht gutes Gewissen bei der Sache, darum war sie so hitzig geworden und hatte mehr gesagt, als sie im Sinn gehabt hatte. Bei ihren letzten Worten war der Öhi aufgestanden; er schaute sie so an, dass sie einige Schritte zurückwich; dann streckte er den Arm aus und sagte befehlend: »Mach, dass du hinunterkommst, wo du heraufgekommen bist, und zeig dich nicht so bald wieder!« Das ließ sich die Dete nicht zweimal sagen. »So lebt wohl, und du auch, Heidi«, sagte sie schnell und lief den Berg hinunter in einem Trab bis ins Dörfli hinab, denn die innere Aufregung trieb sie vorwärts wie eine wirksame Dampfkraft. Im Dörfli wurde sie diesmal noch viel mehr angerufen, denn es wunderte die Leute, wo das Kind sei; sie kannten ja alle die Dete genau und wussten, wem das Kind gehörte und alles, was mit ihm vorgegangen war. Als es nun aus allen Türen und Fenstern tönte: »Wo ist das Kind? Dete, wo hast du das Kind gelassen?«, rief sie immer unwilliger zurück: »Droben beim Alm-Öhi! Nun, beim Alm-Öhi, ihr hört's ja!«

      Sie wurde aber so maßleidig, weil die Frauen von allen Seiten ihr zuriefen: »Wie kannst du so etwas tun!«, und: »Das arme Tröpfli!«, und: »So ein kleines Hilfloses da droben lassen!«, und dann wieder und wieder: »Das arme Tröpfli!« Die Dete lief, so schnell sie konnte, weiter und war froh, als sie nichts mehr hörte, denn es war ihr nicht wohl bei der Sache; ihre Mutter hatte ihr beim Sterben das Kind noch übergeben. Aber sie sagte sich zur Beruhigung, sie könne dann ja eher wieder etwas für das Kind tun, wenn sie nun viel Geld verdiene, und so war sie sehr froh, dass sie bald weit von allen Leuten, die ihr dreinredeten, weg- und zu einem schönen Verdienst kommen konnte.

      Beim Großvater

      Nachdem die Dete verschwunden war, hatte der Öhi sich wieder auf die Bank hingesetzt und blies nun große Wolken aus seiner Pfeife; dabei starrte er auf den Boden und sagte kein Wort. Derweilen schaute das Heidi vergnüglich um sich, entdeckte den Geißenstall, der an die Hütte angebaut war, und guckte hinein. Es war nichts drin. Das Kind setzte seine Untersuchungen fort und kam hinter die Hütte zu den alten Tannen. Da blies der Wind durch die Äste so stark, dass es sauste und brauste oben in den Wipfeln. Heidi blieb stehen und hörte zu. Als es ein wenig stiller wurde, ging das Kind um die kommende Ecke der Hütte herum und kam vorn wieder zum Großvater zurück. Als es diesen noch in derselben Stellung erblickte, wie es ihn verlassen hatte, stellte es sich vor ihn hin, legte die Hände auf den Rücken und betrachtete ihn. Der Großvater schaute auf. »Was willst du jetzt tun?«, fragte er, als das Kind immer noch unbeweglich vor ihm stand.

      »Ich will sehen, was du drinnen hast, in der Hütte«, sagte Heidi.

      »So komm!«, und der Großvater stand auf und ging voran in die Hütte hinein.

      »Nimm dort dein Bündel Kleider noch mit«, befahl er im Hereintreten.

      »Das brauch ich nicht mehr«, erklärte Heidi.

      Der Alte kehrte sich um und schaute durchdringend auf das Kind, dessen schwarze Augen glühten in Erwartung der Dinge, die da drinnen sein konnten. »Es kann ihm nicht an Verstand fehlen«, sagte er halblaut. »Warum brauchst du's nicht mehr?«, setzte er laut hinzu.

      »Ich will am liebsten gehen wie die Geißen, die haben ganz leichte Beinchen.«

      »So, das kannst du, aber hol das Zeug«, befahl der Großvater, »es kommt in den Kasten.« Heidi gehorchte. Jetzt machte der Alte die Tür auf und Heidi trat hinter ihm her in einen ziemlich großen Raum ein, es war der Umfang der ganzen Hütte. Da stand ein Tisch und ein Stuhl daran; in einer Ecke war des Großvaters Schlaflager, in einer anderen hing der große Kessel über dem Herd; auf der anderen Seite war eine große Tür in der Wand, die machte der Großvater auf, es war der Schrank. Da hingen seine Kleider drin und auf einem Gestell lagen ein paar Hemden, Strümpfe und Tücher und auf einem anderen einige Teller und Tassen und Gläser und auf dem obersten ein rundes Brot und geräuchertes Fleisch und Käse, denn in dem Kasten war alles enthalten, was der Alm-Öhi besaß und zu seinem Lebensunterhalt gebrauchte. Wie er nun den Schrank aufgemacht hatte, kam das Heidi schnell heran und stieß sein Zeug hinein, so weit hinter des Großvaters Kleider als möglich, damit es nicht so leicht wieder zu finden sei. Nun sah es sich aufmerksam um in dem Raum und sagte dann: »Wo muss ich schlafen, Großvater?«

      »Wo du willst«, gab dieser zur Antwort.

      Das war dem Heidi eben recht. Nun fuhr es in alle Winkel hinein und schaute jedes Plätzchen aus, wo am schönsten zu schlafen wäre. In der Ecke vorüber des Großvaters Lagerstätte war eine kleine Leiter aufgerichtet; Heidi kletterte hinauf und langte auf dem Heuboden an. Da lag ein frischer, duftender Heuhaufen oben, und durch eine runde Luke sah man weit ins Tal hinab.

      »Hier will ich schlafen«, rief Heidi hinunter, »hier ist's schön! Komm und sieh einmal, wie schön es hier ist, Großvater!«

      »Weiß schon«, tönte es von unten herauf.

      »Ich mache jetzt das Bett!«, rief das Kind wieder, indem es oben geschäftig hin und her fuhr; »aber du musst heraufkommen und mir ein Leintuch mitbringen, denn auf ein Bett kommt auch ein Leintuch, und darauf liegt man.«

      »So, so«, sagte unten der Großvater, und nach einer Weile ging er an den Schrank und kramte ein wenig darin herum; dann zog er unter seinen Hemden ein langes, grobes Tuch hervor, das musste so etwas sein wie ein Leintuch. Er kam damit die Leiter herauf. Da war auf dem Heuboden ein ganz artiges Bettlein zugerichtet; oben, wo der Kopf liegen musste, war das Heu hoch aufgeschichtet, und das Gesicht kam so zu liegen, dass es gerade auf das offene, runde Loch traf.

      »Das ist recht gemacht«, sagte der Großvater, »jetzt wird das Tuch kommen, aber wart noch« – damit nahm er einen guten Wisch Heu von dem Haufen und machte das Lager doppelt so dick, damit der harte Boden nicht durchgefühlt werden konnte –; »so, jetzt komm her damit.« Heidi hatte das Leintuch schnell zuhanden genommen, konnte es aber fast nicht tragen, so schwer war's; aber das war sehr gut, denn durch das feste Zeug konnten die spitzen Heuhalme nicht durchstechen. Jetzt breiteten die beiden miteinander das Tuch über das Heu, und wo es zu breit und zu lang war, stopfte Heidi die Enden eilfertig unter das Lager. Nun sah es recht gut und reinlich aus, und Heidi stellte sich davor und betrachtete es nachdenklich.

      »Wir haben noch etwas vergessen, Großvater«, sagte es dann.

      »Was denn?«, fragte er.

      »Eine Decke; denn wenn man ins Bett geht, kriecht man zwischen das Leintuch und die Decke hinein.«

      »So, meinst du? Wenn ich aber keine habe?«, sagte der Alte.

      »Oh, dann ist's gleich, Großvater«, beruhigte Heidi, »dann nimmt man wieder Heu zur Decke«, und eilfertig wollte es gleich wieder an den Heustock gehen, aber der Großvater wehrte es ihm.

      »Wart einen Augenblick«, sagte er, stieg die Leiter hinab und ging an sein Lager hin. Dann kam er wieder und legte einen großen, schweren, leinenen Sack auf den Boden.

      »Ist

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