Alles über Gott und sein Volk. Eckhard Lange
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Nur nach und nach setzte sich der Anspruch Jahwes durch: Du sollst keine anderen Götter neben mir verehren und sie nicht anbeten. Daß es sie dennoch gab, wurde damit nicht bestritten. So wurde an vielen Orten eine Gottheit verehrt, die vielleicht einmal kanaanäisch war, nun aber den Namen Jahwes trug. Warum sollte man nicht überall Jahwe Opfer bringen können, seine Feste feiern, seine Orakelsprüche erbeten? Mochte der König in seiner Hauptstadt Gott einen Tempel unterhalten – der Gott Israels ließ sich an vielen heiligen Stätten anbeten. Und nebenher – sicherheitshalber – auch die eine oder andere Gottheit, die dort seit alters her zu Hause war.
Es geschah im achtzehnten Jahr seiner Herrschaft über Juda, da hatte König Josia einen Entschluß gefaßt: Der Tempel auf dem Zionsberg war marode, er sollte dringend renoviert werden, schließlich war der Tempelschatz gut gefüllt. Also gab er den Befehl, diesen Schatz zu beschlagnahmen, und erteilte der Bauhütte den Auftrag, damit alle notwendigen Arbeiten auszuführen. Das war nach unserer Zeitrechnung im Jahr 621 vor Christus. Doch diese Baumaßnahme hatte ungeahnte Folgen, so jedenfalls berichtet das Buch der Könige:
Der Sklave hatte die Reste des abendlichen Mahles fortgeräumt und dem König den Becher wieder mit einer Mischung aus klarem Quellwasser und Wein gefüllt. Josia streckte sich auf der Liege aus, die Linke auf die Lehne aus Zedernholz gestützt. Es war ein angenehmer Tag gewesen: Die Gesandtschaft aus Asdod hatte den Judäer der unverbrüchlichen Freundschaft des Stadtkönigs versichert und kostbare Geschenke übergeben, die drei Kläger aus dem Volk waren, zufrieden mit dem königlichen Urteil, in ihre Dörfer zurückgeeilt. Josia schaute den beiden jungen Männern zu, die eben die Fackeln in die bronzenen Halter neben dem kleinen Hausaltar steckten. Er würde Jahwe ein Trankopfer darbringen und sich dann ins Schlafgemach zurückziehen, beschloß er, als man ihm Schafan meldete, den Leiter der königlichen Kanzlei.
Ein wenig unwirsch ließ er den Beamten eintreten: „Es muß schon etwas Wichtiges sein, daß du meinen Abendfrieden störst,“ sagte er. Es sollte ironisch klingen. „Sind etwa die Arbeiten am Tempel schon zum Abschluß gekommen?“ Doch Schafan schien etwas anderes wichtiger zu sein. Nur kurz berichtete er vom Fortgang der Renovierung, um dann eine Schriftrolle aus dem Übergewand zu holen: „Herr, der Grund für mein ungehöriges Erscheinen liegt hier auf meiner Hand.“ Neugierig blickte Josia auf: „Ein Schriftstück? Diplomatenpost?“ „Nein, königlicher Herr. Aber es scheint mir von noch größerer Bedeutung zu sein.“ „Du machst mich neugierig, Schafan. Berichte! Aber fasse dich kurz. Ich bin müde.“
Der Minister atmete tief auf, ehe er begann: „Diese Rolle, mein König, hat mir vor wenigen Stunden der Hohepriester Hilkia übergeben. Sie sei gefunden worden, als man die Schatzkammern des Tempeln eurem Befehl gemäß leerte und einen Lederköcher hinter den Truhen entdeckte, versehen mit einem sehr alten Siegel, wie mir scheint. Ich habe mir erlaubt, den Inhalt zu prüfen, und was ich las, hat mich zutiefst ergriffen. Wenn die Angaben stimmen, so ist es eine Abschrift all jener Gesetze, die einst Mose von Gott empfangen hat. Gesetze, die längst vergessen sind in unserem Volk.“
Der König hatte sich aufgerichtet, alle Müdigkeit war gewichen. „Lies vor, Schafan! Hier und jetzt will ich wissen, was dort geschrieben steht!“ Und Schafan las, Stunde um Stunde. Und zuletzt las er den heiligen Fluch, der jeden treffen soll, der dieses Gesetz missachtet. Josia sprang auf, seine Hände griffen nach dem purpurgesäumten Oberkleid, das er noch trug. Mit einer einzigen, wilden Bewegung riß er das Gewand vom Körper, wie man es bei großer Trauer zu tun pflegte. „Wenn das Jahwes Wille ist, dann haben wir gesündigt vor unserem Gott und seinen Bund gebrochen! Weh uns, weh dem ganzen Volk, weh auch dem König!“
Josia hielt inne. Es galt zu handeln, das wusste er. Das Unheil abzuwenden, das dem Land und Jerusalem drohte. Den Tempel nicht nur auszubessern, sondern zu reinigen von allem, was Jahwe ein Gräuel war. Bald. Und ohne Rücksicht auf vieles, was längst Brauch war dort. Mehr noch: Es galt, die Kultbilder und Altäre im ganzen Land zu zerstören. Nein, nicht nur der fremden Götter – auch jene, an denen man scheinbar Jahwe verehrte. Fortan sollten die Opfer für den Gott Israels allein hier in Jerusalem, im königlichen Tempel auf dem Zion, vollzogen werden – unter den Augen des Königs. Nur so konnte er sicher sein, daß alles so geschah, wie es dieses Buch forderte.
Erregt ging der König auf und ab, dann riß er das Kultbild auf dem kleinen Hausaltar so ungestüm herab, daß Schafan zur Seite wich. „Es ist eine gewaltige Aufgabe, die Jahwe von uns fordert. Alles wird sich verändern müssen.“ Er sprach es leise, als würde er sich nur an sich selbst wenden. Er war der König, Nachkomme des großen David, gesalbt vor Jahwe, dort drüben im Tempel von Zion. Und er würde das Volk zurückführen in den heiligen Bund mit seinem Gott, allen Götzendienst abschaffen, damit Jahwe wieder verehrt würde nach allen Geboten dieses Buches, hier, allein hier, in der Stadt Davids, im Tempel seines Sohnes Salomo, wo Jahwes Wohnsitz ist seit alters her. Vielleicht ließe sich der Fluch noch abwenden, würde Jahwe seinem Volk noch einmal gnädig sein.
Wir wissen nicht, inwieweit all die im 2. Königsbuch, Kapitel 22 und 23 überlieferten Einzelheiten dieser – heute so genannten – Kultreform des Josia der Wahrheit entsprechen. Über das dort genannte Gesetzesbuch gibt es nur Vermutungen, Vermutungen auch über die Gründe des Königs. War es wirklich das Erschrecken über die plötzlich erkannte Verirrung des Glaubens? War es religiöser Eifer, oder auch die nur religiös verbrämte Stärkung des Königtums der Davididen als dem Bewahrer des Tempels? Aber die historischen Folgen sind dennoch deutlich: Die alten, traditionellen Heiligtümer der Stämme auf den Höhen, die vielen Altäre und Masseben wurden rigoros vernichtet, die religiöse Bedeutung etwa von Bethel oder Gilgal getilgt. Der legitime Jahwekult konzentrierte sich für die kommenden Zeiten allein auf den Zion, und daraus erwuchs die fast mythische Bedeutung dieses Ortes für Israel bis heute.
ICH HABE DIESES HAUS GEHEILIGT, DASS ICH MEINEN NAMEN DORT WOHNEN LASSE EWIGLICH
Salomo hatte die Nachfolge seines Vaters David angetreten. Noch war das Königtum im Bereich der israelitischen Stämme jung, wenig gefestigt durch Tradition und Rituale. Saul, der erste König Israels, war wenig mehr als ein Heerführer einiger bedrohter Stämme im Kampf gegen die Philister, deren Stadtkönige die Herrschaft über das benachbarte Bergland anstrebten. David, ebenfalls als Militär angetreten – wir würden ihn heute vielleicht einen Freikorpsführer nennen oder auch schlicht einen Warlord – hatte sich zunächst nur die Herrschaft über den südlichen Stamm Juda gesichert. Als ihn auch die Stämme des Nordens zum König wählten, gelang ihm ein kühner Schachzug:
Zwischen beiden Herrschaftsteilen lag ein kanaanäischer Stadtstaat, bewohnt von den Jebusitern. Mit einem geschickten Handstreich eroberte er diese Stadt, die später Jerusalem heißen sollte, und machte sie zur Stadt Davids: eine Hauptstadt, die nur ihm gehörte und keinem der Stämme. Hierher ließ er die Lade bringen, das uralte Heiligtum, das die meisten Stämme als Thron Jahwes verehrten. Und Salomo gelang, was David versagt blieb: Er ließ der Lade ein festes Haus errichten, baute damit Jahwe eine Wohnung, zentrales Heiligtum für Gott – und für den König als irdischen Repräsentanten des himmlischen Königs: „Ich habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berg Zion,“ so wird später der 2. Psalm Jahwe sagen lassen.
Denn dieser Tempel erhob sich auf einem Bergrücken oberhalb der alten Jebusiterstadt, und bald wurde auf diesen Ort ein alter Name übertragen: Zion. Mit Salomo also begann, was über Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg zum Fixpunkt jüdischen Glaubens und jüdischer Hoffnung werden sollte, denn Jerusalem ist die Stadt Gottes, da