Skrupellos II - Baby Farm. Nicole Le
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Chioma dachte an ihre Kinder. Sie betete, dass es ihnen gut gehen würde. Dass sie ihre Liebsten irgendwann wieder in ihre Arme schließen konnte. Sie weinte lautlos, als man sie in den Operationssaal brachte.
Doktor James Eckhard beeilte sich, als er aus dem Taxi ausstieg, welches ihn vom Flughafen zur Klinik brachte. Das Elend und die Gewaltbereitschaft der Menschen erschreckten ihn immer noch. Er hatte gehofft sein Job würde ruhiger werden, doch es schien, als würden ihn die Gräueltaten der Menschheit verfolgen und er dürfte immer den Dreck wegkehren. Im Aufzug telefonierte er mit der leitenden Oberschwester. Die Patientin sei bereits im Vorbereitungsraum. Er hatte also nicht mal Zeit für einen Kaffee. Er hatte zwar schon Operationen gehabt, bei denen er die Genitalien wiederherstellen musste, doch es hatte es sich fast ausnahmslos um eine freiwillige Geschlechtsumwandlung gehandelt.
Er schmiss seine Tasche in den Aufenthaltsraum und zog sich um. In grüner OP-Kleidung machte er sich auf den Weg zum Operationssaal. Er dachte an seine Familie, an Sarahs Operation, an die fragenden Augen seiner Frau. Er wünschte sich, dass alles wieder ruhig und normal ablief in seiner Familie. Als er den Job in Abuja annahm, sagte man ihm beim Vorstellungsgespräch, dass er hauptsächlich dafür eingestellt würde, die anderen Ärzte auszubilden. Er hatte nicht damit gerechnet, gleich zu Anfang wieder mit einem Gewaltverbrechen konfrontiert zu werden. Er wusch sich die Hände und schlüpfte in den Kittel und die Handschuhe, welche man ihm hinhielt.
Als er an den Operationstisch trat, sah er mit Schrecken, was man der armen Frau angetan hatte. Es würde nicht ganz einfach werden, das zerfetzte Fleisch wieder zusammenzunähen. Auch die halb abgebissene Brustwarze musste wieder angenäht werden. Was hatte man der armen Frau nur angetan. Sie musste Höllenqualen ausgehalten haben.
Eigentlich hätte er den jungen Ärzten jeden Handgriff erklären sollen, doch stattdessen wollte er wissen, was passiert war.
Eine junge farbige Operationsschwester erzählte resigniert von den Übergriffen der Boko Haram oder den Mitgliedern der Terror Milizen. Dass sie nachts abgelegene Dörfer überfielen, um die jungen Männer, oft noch Kinder zu entführen. Sie brauchten Soldaten Nachschub. Kinder, die zu Soldaten ausgebildet wurden. Und dann kam der Menschenhandel mit jungen Mädchen als Sex-Sklavinnen und dem Verkauf von Babys noch hinzu. Die Kämpfer lebten seit Jahren in provisorischen Unterkünften, standen ständig unter Druck und hatten Bedürfnisse, die gestillt werden wollten. So kam es, dass junge, meist katholische Mädchen entführt und als Sex-Sklavinnen gehalten wurden. Wenn sie schwanger oder krank wurden, setzte man sie irgendwo aus oder brachte sie in sogenannte Babyfarmen, wo sie die Babys zur Welt brachten und die Babys danach an gut zahlende Kunden verkauften.
James operierte schweigend. Und er dachte, dass es vielleicht doch keine gute Idee war, nach Nigeria zu gehen.
Kapitel 5:
Lucy verbrachte viel Zeit im Bad, um sich für das erste Treffen der Internationalen Jugendbegegnung aufzuhübschen. Als sie endlich herauskam, hingen Sarah und Philip an ihren Armen.
„Nein, Lucy, geh nicht! Bitte bleib hier und spiel mit uns,“ bettelten sie.
Josie schritt lachend ein. „Also, jetzt lasst Lucy doch mal gehen. Sie hat sich ihren freien Abend mehr als verdient! Und wir machen uns jetzt einen schönen Abend. Ich habe eine Überraschung für Euch.“ Da ließen sie endlich von Lucy ab und standen neugierig vor Josie, so dass diese lachen musste.
„Euer Vater hat angerufen. Er hatte eine Notoperation in Abuja. Er wird in einer Stunde hier sein und dann machen wir uns einen schönen Abend, einverstanden?“
„Au ja. Können wir was spielen und dann gemeinsam fernsehen, so wie früher?“ fragte Sarah.
„Ja, so wie früher, sagte Josie wehmütig. „Aber zuerst werde ich etwas kochen, Euer Vater wird Hunger haben, wenn er nach Hause kommt. Wer hilft mir und wer deckt den Tisch?“
„Ich, ich will mit kochen helfen,“ schrie Sarah übermütig.
„Na, dann decke ich eben den Tisch,“ sagte Philip.
Lucy verabschiedete sich mit einem Winken, dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Kurz darauf kam James nach Hause.
Sie verbrachten einen fröhlichen Abend, doch James Gesicht war überschattet. Josie brachte die Kinder ins Bett, während James eine Flasche Wein öffnete.
Sie machten es sich auf dem Sofa bequem.
„Was ist los, James. Ich spüre doch, dass etwas nicht stimmt,“ sagte Josie leise.
James nahm einen großen Schluck Rotwein, aber er sah sie nicht an.
Josie griff nach seiner Hand.
„James, was ist los?“
„Man hat mich heute nach Abuja zurückbeordert, weil ich eine Notoperation an einer Frau durchführen musste, die vergewaltigt wurde und derart verletzt war, dass ich ihre Vagina rekonstruieren musste.“
Josie sah ihn erschrocken mit großen Augen an. Und James sprach mit gepresster Stimme weiter.
„Ich wollte dem Grauen, welches wir in Kairo erlebt haben entfliehen und hatte gehofft, dass ich hier die jungen Ärzte ausbilde und wir ein unbehelligtes ruhiges Leben führen können. Ich wollte wieder eine unbeschwerte und glückliche Familie.“
Josie schluckte hart. Das war auch ihr Herzenswunsch. Dennoch erwachte die Journalistin in ihr.
„Was ist passiert? Was weißt Du über die Frau und den Überfall?“
Männer haben sie mehrfach vergewaltigt, man hat ihr eine Flasche in die Vagina und den Anus gesteckt und sie damit schwer verletzt. Außerdem haben sie ihr eine Brustwarze fast abgebissen, sie hing nur noch an einem Zipfel. Ich konnte sie wieder annähen. Die Frau ist schwer traumatisiert. Die Polizei hat sie nackt und blutend zwischen den zerstörten Häusern gefunden.“
„Oh mein Gott, das ist ja schrecklich!“ Josie atmete tief und lange ein. „Ich werde morgen in die Redaktion fahren. Ich werde fragen, wie oft diese Vorfälle im letzten Jahr vorgekommen sind. Es gibt kaum Zeitungsartikel darüber. Ich weiß nur von den zweihundert entführten Mädchen aus Chibok, aber sonst dachte ich, gibt es keine weiteren Vorfälle.“
James sah sie gequält an. „Du willst wirklich weiter im Müll graben? Haben wir nicht genug durchgemacht? Sollten wir uns nicht auf die Familie und unsere Zukunft konzentrieren? Ich wünsche mir ein ruhiges Leben ohne Sorgen, Josie!“ Er sah sie ernst an.
„Vielleicht ist es unsere Aufgabe, den Menschen zu helfen und Missstände aufzudecken, James. Weil es sonst keiner tut! Wir sind stark! Und wir haben uns!“ Sie drückte seine Hand. Er sah sie an ohne ihr Lächeln zu erwidern. „Ich frage mich, ob es richtig war die Kinder in all diese Länder mitzunehmen. Vielleicht wäre ein Leben in Amerika besser für sie. Hier sind sie vielleicht in Gefahr!“ Josies Lächeln erstarb und sie senkte den Blick, als sie sprach: „Ich denke nicht, dass wir hier in Abuja in Gefahr sind und ich möchte meine Kinder nicht in einer pinkfarbenen Welt erziehen, wo sich Jugendliche höchstens um die neue Ausgabe ihres IPhone sorgen, oder welche Markenkleidung sie tragen. James, das Leben in Amerika ist für Menschen, die wegsehen möchten. Ich kann das nicht. Ich bin