Zärtlich ist die Nacht. F. Scott Fitzgerald

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Zärtlich ist die Nacht - F. Scott Fitzgerald

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zufälligen Hilfe behandelt habe.«

      Das Auto war am Ufer des Zürichsees entlanggefahren und dann in eine fruchtbare Landschaft mit Viehweiden und sanften Hügeln voller Chalets eingebogen. Die Sonne schwamm in einem blauen Himmelsmeer, und plötzlich war es ein Schweizer Tal, wie man es sich schöner nicht denken konnte, mit lieblichen Klängen und Gemurmel und dem guten, frischen Duft nach Gesundheit und Frohsinn.

      Professor Dohmlers Anstalt bestand aus drei alten und zwei neuen Gebäuden und lag zwischen einer kleinen Anhöhe und dem Ufer des Sees. Bei ihrer Gründung, zehn Jahre zuvor, war sie die erste moderne Klinik für Geisteskrankheiten gewesen; auf den ersten Blick hätte kein Laie eine Zufluchtsstätte für die Gebrochenen, Defekten, Gemeingefährlichen dieser Welt in ihr gesehen, wenngleich zwei Gebäude von verdächtig hohen, weinbewachsenen Mauern umgeben waren. Ein paar Männer harkten in der Sonne Stroh zusammen. Als sie durch die Parkanlagen fuhren, kamen sie hier und da an einer Krankenschwester vorbei, die mit wippender weißer Flügelhaube neben einem Patienten herging.

      Nachdem er Dick in sein Büro geführt hatte, entschuldigte sich Franz auf eine halbe Stunde. Allein geblieben, durchschritt Dick den Raum und versuchte, sich Franzens Persönlichkeit aus der Unordnung auf seinem Schreibtisch, aus seinen Büchern und den Büchern, die seinem Vater und Großvater gehört und die sie geschrieben hatten, zu rekonstruieren; auch aus einer riesigen, rötlich kolorierten Photographie des ersteren, die, schweizerischer Sitte folgend, an der Wand hing. Es roch nach Rauch im Zimmer; Dick stieß das französische Fenster auf und ließ einen Streifen Sonnenlicht herein. Unversehens wandten sich seine Gedanken der Patientin, dem jungen Mädchen, zu.

      Er hatte ungefähr fünfzig Briefe von ihr bekommen, die sie während eines Zeitraumes von acht Monaten an ihn geschrieben hatte. Im ersten hatte sie, sich entschuldigend, erklärt, sie habe aus Amerika gehört, daß Mädchen an unbekannte Soldaten schrieben. Sie habe Namen und Adresse von Doktor Gregory erhalten und hoffe, er werde nichts dagegen haben, wenn sie ihm zuweilen ein paar Zeilen mit guten Wünschen schicken würde, etc. etc.

      Bis dahin war es leicht, den Ton zu erkennen – er stammte aus »Daddy Long-Legs« und »Molly-Make-Believe«, munter-sentimentalen Briefsammlungen, die sich in den Staaten großer Beliebtheit erfreuten. Aber dann hörte die Ähnlichkeit auf.

      Die Briefe zerfielen in zwei Kategorien, von denen die erste, bis zur Zeit des Waffenstillstandes ungefähr, einen ausgesprochen pathologischen Charakter trug, wogegen die zweite, die sich von jenem Zeitpunkt bis zur Gegenwart erstreckte, durchaus normal war und einen schön herangereiften Charakter verriet. Auf diese späteren Briefe hatte Dick in den letzten langweiligen Monaten in Bar-sur-Aube schließlich mit Ungeduld gewartet, aber auch aus den früheren Briefen hatte er sich mehr zusammengereimt, als Franz wohl vermutet hätte.

      Mon Capitaine:

      Als ich Sie in Ihrer Uniform sah, fand ich Sie so schön. Dann dachte ich: Je m'en fiche! auf französisch und auch auf deutsch. Sie fanden mich ebenfalls hübsch, aber das kenne ich von früher und habe es lange ertragen. Wenn Sie wieder mit solchem niederträchtigen und verbrecherischen Benehmen herkommen, das so gar nicht dem entspricht, was man mir beigebracht hat, als gentlemanlike anzusehen, möge Ihnen der Himmel gnädig sein. Immerhin, Sie scheinen ruhiger zu sein als die anderen, ganz sanft, wie eine große Katze. Ich habe immer nur Jungen gern gehabt, die ziemliche Schwächlinge waren. Sind Sie ein Schwächling? Irgendwo gab es welche.

      Entschuldigen Sie dies alles, das ist der dritte Brief, den ich Ihnen schreibe, und ich werde ihn sofort abschicken, sonst werde ich ihn nie abschicken. Ich habe auch sehr viel über den Mondschein nachgedacht, und ich könnte eine Menge Zeugen beibringen, wenn ich bloß hier heraus könnte.

      Es ist mir gesagt worden, Sie seien Arzt, aber solange Sie eine Katze sind, ist es etwas anderes. Mein Kopf tut so weh, darum entschuldigen Sie; dieser Spaziergang einer gewöhnlichen mit einer weißen Katze ist, glaube ich, eine Erklärung dafür. Ich spreche drei Sprachen, mit Englisch vier, und ich glaube bestimmt, ich könnte mich als Dolmetscherin nützlich machen; wenn Sie nur in Frankreich so etwas vermitteln würden, glaube ich bestimmt, ich könnte alles zwingen, wenn jeder mit Riemen gefesselt würde, wie es am Mittwoch geschah. Jetzt ist es Sonnabend, und Sie sind weit weg, vielleicht tot.

      Kommen Sie eines Tages zu mir zurück; denn ich werde immer hier sein auf diesem grünen Hügel. Wenn mir nicht erlaubt wird, an meinen Vater zu schreiben, den ich von Herzen geliebt habe.

      Entschuldigen Sie dies. Ich bin heute gar nicht ich selbst. Ich werde schreiben, wenn ich mich besser fühle.

      Cheerio

       Nicole Warren.

      Entschuldigen Sie dies alles.

      Captain Diver:

      Ich weiß, daß Selbstbetrachtung bei einem so hochgradig nervösen Stadium wie dem meinigen nicht gut ist, aber ich möchte, daß Sie wissen, wie es mit mir steht. Voriges Jahr, oder wann das in Chicago war, als ich so wurde, konnte ich nicht mit Dienstboten sprechen oder auf die Straße gehen; ich wartete ständig auf jemand, der mir Auskunft geben sollte. Es war die Pflicht dessen, der Bescheid wußte. Ein Blinder muß geführt werden. Nur wollte mir niemand alles sagen – sie sagten mir nur die Hälfte, und ich war schon zu verwirrt, um zwei und zwei zusammenzuzählen. Ein Mann war nett – ein französischer Offizier, und er wußte Bescheid. Er gab mir eine Blume und sagte, sie sei »plus petite et moins entendue«. Wir waren Freunde. Dann nahm er sie mir weg. Ich wurde kränker, und niemand war da, der es mir erklären konnte. Sie hatten ein Lied über Jeanne d'Arc, das pflegten sie mir vorzusingen, aber das war pure Niedertracht – es hat mich bloß zum Weinen gebracht, denn damals war mein Kopf noch in Ordnung. Sie machten auch Anspielungen auf Sport, aber damals machte ich mir nichts daraus. Also an dem Tag ging ich zu Fuß den Michigan Boulevard entlang, weiter und weiter, kilometerweit, und schließlich folgten sie mir im Auto, aber ich wollte nicht einsteigen. Schließlich zogen sie mich hinein, und da waren Krankenschwestern. In der Folgezeit wurde mir alles klar, weil ich fühlen konnte, was in anderen vorging. Nun wissen Sie, wie es um mich steht. Und kann es denn gut für mich sein, daß ich hierbleibe, wo die Ärzte beständig Dinge zur Sprache bringen, über die ich doch gerade hier hinwegkommen sollte? Darum habe ich heute meinem Vater geschrieben und ihn gebeten, herzukommen und mich wegzuholen. Es freut mich, daß es Sie interessiert, die Leute zu untersuchen und wegzuschicken. Das muß viel Spaß machen.

      Und aus einem anderen Brief:

      Sie könnten eigentlich Ihre nächste Untersuchung schwimmen lassen und mir einen Brief schreiben. Man hat mir soeben einige Schallplatten geschickt, damit ich meine Lektionen nicht vergesse; ich habe sie alle zerbrochen, darum will die Schwester nicht mit mir sprechen. Sie waren englisch, so daß die Schwestern sie nicht verstanden hätten. Ein Arzt in Chicago sagte, ich simuliere, aber in Wahrheit meinte er, ich sei eins von Sechslingen, und er hatte noch nie eins gesehen. Aber damals war ich stark damit beschäftigt, verrückt zu sein, darum war es mir gleichgültig, was er sagte; wenn ich stark damit beschäftigt bin, verrückt zu sein, ist es mir gewöhnlich gleichgültig, was man sagt, und wenn ich eine Million Mädchen wäre.

      Damals am Abend sagten Sie mir, Sie würden mir beibringen, wie man spielt. Also, ich glaube, Liebe ist das einzige, was von Bedeutung ist oder von Bedeutung sein sollte. Auf alle Fälle freue ich mich, daß Ihr Interesse an den Untersuchungen Sie ausfüllt.

      Tout à vous

       Nicole Warren.

      Andere Briefe waren darunter, deren hilflose Zäsuren dunklere Rhythmen verbargen.

      Sehr geehrter Hauptmann Diver:

      Ich schreibe Ihnen, weil sonst keiner da ist,

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