Das Leben...ganz einfach. Dirk H. Ludwig

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Das Leben...ganz einfach - Dirk H. Ludwig

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Es bestand aus Kaninchendraht und hatte eine Höhe von 60 cm. Als sich zeigte, dass die Hühner dieses Hindernis mühelos überwanden, spannten Sieberts auch über das Gehege Kaninchendraht. Jetzt konnten die Tiere nicht mehr hinaus, standen aber bald bis über die Krallen in ihren eigenen Exkrementen, die sich bei jedem Regen großflächig auf dem Hofpflaster ausbreiteten.

      Um den Untergrund zu reinigen, mussten vier Personen das Gehege anheben und wegtragen. Jeden Samstagvormittag sah man Dr. Joseph Siebert, Regierungsrat auf der Hardthöhe, seine Gattin Dietlinde, Hausfrau nach acht Semestern Kunstgeschichte, deren Tochter Isabel, Gymnasiastin mit Leistungskurs Philosophie, sowie deren Bruder Calvin, Experte für östliche Philosophie und Meditationstechniken, beim Abheben des Geheges vom völlig aufgeweichten Untergrund.

      ..Weil sie nur zwei Paar Gummistiefel besaßen, lernten sie mit der Zeit, sich beim Wegtragen des Geheges so aufzustellen, dass nur die Träger der Gummistiefel durch die Exkremente waten mussten. Allerdings, Dietlinde war einmal ausgerutscht und unter dem Gehege der Länge nach hingeschlagen. Die Anderen hatten vor Schreck losgelassen, und zwar gerade in dem Moment, als Fritz und Georg durchs Hoftor kamen. Georg hatte ein junges Schaf im Arm, das er Dietlinde anlässlich ihres Geburtstags als Geschenk versprochen hatte. Alle drehten sich nach ihnen um, denn das Schaf blökte und köttelte auf den Gehweg. Es entstand ein Moment betretener Stille. Sieberts schauten auf das Schaf, Georg und Fritz schauten auf Dietlinde, die sich verzweifelt an den Kaninchendraht über dem Gehege klammerte. Ihr Gesicht, Hände und Kleidung waren dunkelgrün verschmiert. Sie keuchte vor Anstrengung, Schmerz und Wut, während der Draht sich in ihre Finger einschnitt und langsam nachgab. Calvin fasste sich und versuchte erfolglos, das Gehege anzuheben, aber seine Mutter wollte aus naheliegenden Gründen nicht loslassen. Georg drückte Siebert das Schaf in den Arm, und richtete das Gehege gemeinsam mit Calvin auf. Dietlinde kam in die Senkrechte und torkelte in Isabels Gefolge Richtung Haustür. Ihre verschmierten Hände hielt sie weit von sich gestreckt. Sie wäre gerne hinein gegangen, aber der Hühnerdreck hielt sie davon ab.

      Calvin versuchte, seine Mutter mit dem Gartenschlauch abzuspritzen, verwandelte den Hühnermist damit jedoch nur in eine zähflüssige Jauche, die langsam in Dietlindes Kleidung drang, an den Beinen entlang und in die Gummistiefel lief. Sie wollte schreien, hielt den Mund dann aber lieber geschlossen. Georg hatte von Fritz den Hochdruckreiniger geholt und nahm Dietlinde die Brille ab: „Mund zu, Augen zu, Hände aufhalten.“ Dietlinde zuckte zusammen, als die Rotationsdüse los zischte, aber Georg ließ sich nicht aus der Ruhe bringen: „Augen zulassen!“, kommandierte er, als Dietlinde nach etwa fünf Sekunden erleichtert auf ihre plötzlich sauberen Hände schaute: „Und umdrehen!“ Es dauerte nicht länger als eine halbe Minute, sie vom Gröbsten zu befreien.

      Siebert hatte das Schaf in seinem Arm vergessen und starrte verzweifelt in die Hühnerjauche. „Kümmere dich um deine Frau.“ Fritz nahm ihm das Tier ab und band es auf der Wiese hinter dem Haus an eine lange Leine. Für Erklärungen zur Haltung von Schafen war jetzt keine Zeit.

      Später kamen sie auf die Idee, das Gehege mit Folie auszulegen. Diese wurde nun wöchentlich zur Reinigung über die Dorfstraße in den Bach geschleppt. Fritz sagte zwar weiter nichts als er ihnen dabei begegnete aber sie fragten sich doch, warum andere Hühnerhalter solche Probleme offensichtlich nicht hatten.

      Zwei Wochen bevor der Fuchs die Hühner holte, sprach Mattes Siebert beim Kirmesball nach etlichen Bieren teilnahmsvoll auf die Probleme an und Siebert bezeichnete die Situation als kafkaesk. Mattes stimmte ihm zu, denn verstanden hatte er „alles Dress.“

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