MAGAZIN für Abenteuer-, Reise- und Unterhaltungsliteratur. Thomas Ostwald

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MAGAZIN für Abenteuer-, Reise- und Unterhaltungsliteratur - Thomas Ostwald

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Besuch des Winnetou-Darstellers (Bad Segeberg) H.I. Hilger noch bestätigt. Selbst ABC-Schützen kannten „ihren“ Winnetou und Einzelheiten aus den Karl-May-Büchern. Interessieren sie sich eist einmal für das Indianerspiel, stellen sie ihren Eltern Fragen, und in den meisten Fällen erinnert sich der Vater an die gelesenen May-Bände. Es beginnt auf diese Weise schon ein sehr frühes Hineindenken in die Indianergeschichten Karl Mays, das nicht zuletzt durch die Filme unterstützt wurde, die jetzt im Fernsehen wiederholt wurden. Keineswegs möchte ich dem Elfjährigen absprechen, dass er nicht genau weiß, dass das, was da vor ihm über die Leinwand flimmert, doch nur „Kintopp“ ist, also erfunden. Trotz allem drängten sie sich um Herrn Hilgers bei der „Winnetou-Autogrammstunde“. In diesen Augenblicken ist Winnetou real, tatsächlich da, und selbst die, die sagen: „Ist ja doch kein echter Indianer!“ holten sich schließlich ihr Winnetou-Autogramm.

      Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit einem älteren Herrn, und wir kamen auch auf Karl May und den „Winnetou“ zu sprechen. Dabei gestand mir mein Gesprächspartner, wie sehr ihn Winnetous Tod als jugendlicher Leser bewegt hatte, wie er mit Tränen in den Augen zu seinem Freund gelaufen sei und nur ausrufen konnte: „Winnetou ist tot! Winnetou ist tot!“ Wie vielen von uns ist es ähnlich ergangen, wenn wir ehrlich sind! Aus diesem Mitfühlen, Mithandeln und Miterleben heraus sind mir Anfragen der Leser und Verhalten des Autors in den Jahren seines größten Erfolges durchaus verständlich. Zahlreiche dieser Anfragen betrafen den berühmten Indianerhäuptling, über den Karl May schließlich und bereitwillig Auskunft gab, sein Sterbedatum mitteilte und erklärte, er hätte dem Sterbenden noch die Taufe gegeben, damit er als Christ sterben konnte. Ebenso zahlreiche Anfragen trafen auch ein, die sich mit den drei berühmten Gewehren, der Silberbüchse, dem Henrystutzen und dem Bärentöter beschäftigten. Auch hier gab Karl May bereitwillig Antwort und lieferte damit Zündstoff für Auseinandersetzungen bis in die heutige Zeit. Gerade die Herkunft der Gewehre hat mehrfach die Gemüter bewegt, sie ist im Grunde jedoch für den Leser genauso nebensächlich wie die Identität Winnetous. Dennoch wollen wir darauf in einer späteren Abhandlung zurückkommen, weil nach meiner Ansicht einige Irrtümer geklärt werden müssen, wenn man schon so ernsthaft an die Untersuchung von Romanrequisiten herangeht wie Herr Hoffmann im Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1974. Welcher Doyle-Forscher hat einmal die Gegenstände im Sherlock-Holmes Museum in London auf ihre Echtheit und Herkunft überprüft?

      Ich will hier keine endgültige Darstellung der Entstehung Winnetous geben. Es liegt mir vielmehr daran, einige Möglichkeiten aufzuzeigen, die mit dazu beigetragen haben können, den Winnetou zu formen, den so zahlreiche Karl-May-Leser aus den Bänden 7 – 9 kennen. Natürlich wird vieles hypothetisch bleiben müssen, denn woher ein Autor letztlich seine Anregungen nimmt, weiß nur er selbst und bestenfalls einige enge Mitarbeiter bzw. Vertraute. Nach meiner Ansicht war das Werk von George Catlin, „Die Indianer Nordamerikas und die während eines achtjährigen Aufenthalts unter den wildesten ihrer Stämme erlebten Abenteuer und Schicksale“, eine sehr wichtige Quelle für Karl May. Auch mit dem Thema „Karl May und George Catlin“ haben sich schon andere beschäftigt, mussten jedoch immer wieder feststellen, dass alles Vermutung bleibt, Beweise konnte keiner liefern – und auch ich kann es nicht. Ich kann nur versuchen, den Leser auf einige Dinge aufmerksam zu machen, die mir aufgefallen sind, und ihn dann zu eigenen Schlüssen ermuntern. Es wäre müßig, darüber zu streiten, ob Karl May Catlin oder erst Ferry gelesen hat. Nach den Beständen in seiner Bibliothek kann man sich allein auch nicht richten, denn es ist bekannt, dass er während seiner Gefängnisaufenthalte die Bibliotheken betreute und durchaus Gelegenheit zu entsprechenden Vorstudien hatte. 1851 erschien eine deutsche Übersetzung von Ferry’s Waldläufer, im gleichen Jahr erschien auch Catlins Werk erstmalig. Mit Sicherheit haben beide Werke entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung der Indianererzählung bei Karl May gehabt, und ich hoffe, das anhand einiger Beispiele darstellen zu können. Betrachtet man Karl Mays erste Indianererzählungen, so wird Winnetous Auftreten uns oft sehr merkwürdig anmuten.

      Auf Winnetous Spuren

      Im Jahre 1875 erschien die Erzählung „Inn-nu-woh, der Indianerhäuptling“ in der von Karl May betreuten Zeitschrift „Deutsches Familienblatt“, Verlag H.G. Münchmeyer. Es handelt sich dabei um eine typische Kurzgeschichte für eine Zeitschrift spannend geschrieben, jedoch ohne tieferen Hintergrund. Setzt man einmal den Indianerhäuptling Inn-nu-woh einem Ur-Winnetou gleich, worauf schon die Namensähnlichkeit hinweist, so hat er mit dem späteren Edelmenschen wenig gemein. Der Leser erfährt nicht sehr viele Einzelheiten über den Sioux-Häuptling: „Er war von nicht gar zu hoher Gestalt, aber der Bau seines gedrungenen Körpers und insbesondere die Breite seiner Brust machten mich in meinem bisherigen Unglauben doch etwas wankend.“ Vorgestellt wurde dieser Indianer dem Erzähler nämlich als „best’ Schwimm’ in den United States“. Sonst teilt Karl May nur wenig Einzelheiten mit, wir erfahren, dass der Indianer „reiches, mähnenartiges Haar“ hatte – siehe meine Ausführungen in Bezug auf Catlin weiter unten. Später hat Karl May diese Episode umgearbeitet und an den Beginn der Erzählung vom „Schatz im Silbersee“ gestellt (vgl. Reprint der Union-Ausgabe Karl-May-Verlag/Verlag A. Graff, 1973, S. 7 ff).

      Im gleichen Jahr wurde die Erzählung „Old Firehand“ im „Deutschen Familien-blatt“ veröffentlicht. Auch diese Erzählung mutet den May-Leser merkwürdig an, wenn er die später entstandenen Erzählungen kennt. Der Erzähler, von dem wir auch in der Geschichte „Inn-nu-woh“ wenig über seine eigene Person erfuhren, tritt hier wieder auf, jetzt jedoch schon als kundiger Westmann. Er ist bewaffnet mit einem Henrystutzen, der „fünfundzwanzig Kugeln im Kolben“ hatte. Abgesehen von der Tatsache, dass kein Henrygewehr die Kugeln im „Kolben“ hatte, sondern bestenfalls im „Handschutz“ (wenn man es schon so ausdrücken will), ist es interessant, dass eines der berühmten Gewehre schon hier auftaucht. Doch wie erscheint Winnetou in dieser Erzählung? Er ähnelt dem wilden, stolzen Sioux-Häuptling Inn-nu-woh noch sehr, wird jetzt jedoch schon unter dem Namen Winnetou vorgestellt und ist ein Apachenhäuptling. Er ist ein „Wilder“ im wahrsten Sinne des Wortes und so blutrünstig im Kampfe, wie man sich vielleicht die Indianer im fernen Europa vorgestellt haben mag, wenn man die spärlichen Reiseberichte las, die zu dieser Zeit erschienen. Winnetou kennt seinem Feind gegenüber kein Erbarmen, er tötet und skalpiert seine Gegner, so wie Catlin über die Indianerkämpfe berichtete. Auch das Freundschaftsverhältnis zum Erzähler ist nicht sonderlich ausgeprägt, von Blutsbruderschaft keine Rede. Winnetou hat noch wenig Erfahrung mit der Zivilisation gemacht und trifft zum ersten Mal auf ein „Feuerross“, das ihm Angst und Entsetzen einjagt – für den späteren, ruhigen und edlen Winnetou eine unfassbare Blöße. Karl May hat diese Erzählungen geschrieben, um zu unterhalten, dem Leserseiner Zeitschrift Zerstreuung zu bieten. Zu dieser Zeit beherrschte er noch nicht den „Kunstgriff“, in seine Erzählungen ausführliche Landschaftsbeschreibungen einzubauen oder über Sitten und Gebräuche der Indianer zu berichten – sieht man von einigen ganz geringen Ausnahmen ab. (Dass die Indianer skalpierten, wussten damals die meisten Leser der Abenteuerlektüre). Am Schluss der Erzählung nimmt Winnetou für immer Abschied vom Erzähler, der mit seiner großen Liebe, Ellen, Hand in Hand davonreitet. Winnetou war schon ein älterer Krieger, und der Erzähler erwartete nicht, ihm wieder einmal zufällig zu begegnen. In der Erzählung treten zwar schon einige Personen auf, die uns auch später wieder begegnen werden, aber sie sind alle noch nicht so „lebendig“ gezeichnet wie in den folgenden Geschichten. Sam Hawkins mit seiner „Liddy“ und seinem ewigen „wenn ich mich nicht irre“ ist schon dabei, Dick Stone, Will Parker und schließlich Old Firehand – aber alle müssen in dieser Erzählung sterben, werden „ausgelöscht“, mit Ausnahme Sam Hawkins. Noch etwas muss hier besonders erwähnt werden: Die zarte Liebesgeschichte zwischen Ellen, der Tochter Old Firehands, und dem Erzähler. Für den späteren Old Shatterhand wären Szenen wie in dieser Geschichte undenkbar, und selbst seine Liebe zu Nscho-tschi ist ungleich feiner, zärtlicher geschildert. Was würden die Leser wohl sagen, wenn Old Shatterhand ein ohnmächtiges Mädchen küssen würde? So geschehen in „Old Firehand“: „Ich nahm sie in die Arme, strich ihr das lange, reiche, aufgelöste Haar aus der Stirn, rieb ihr die zarten Schläfen, legte, um der regungslosen Brust Atem zu geben, meinen Mund auf ihre Lippen, rief sie bei den zärtlichsten Namen, die ich jemals gehört… Ich drückte sie an das

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