Rache der Zarin. Der Beginn: Nach wahren Begebenheiten. Tatana Fedorovna

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Rache der Zarin. Der Beginn: Nach wahren Begebenheiten - Tatana Fedorovna

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forderte äußerliche Disziplin. Ich durfte jetzt nun einmal kein Kind mehr sein. Der lange Krieg und die Staatsräson hatten mich Romanowprinzessin erwachsener geformt, als ich es vom Alter her eigentlich war.

      Was konnte ich nur unternehmen, um zu helfen? Wer sollte den jüngeren Geschwistern sonst Halt geben, wo schon Mama uns alle so erschreckte? Ihr hysterischer Zusammenbruch ließ uns die Unsicherheit der gesamten Welt, die Verletzlichkeit unserer kleinen Familie erkennen. Alle Vorstellungen von Sicherheit und Dauerhaftigkeit waren letztlich nur Konstrukte – wie Häuser, die aus Klötzen errichtet wurden. Entfernte man ein tragendes Teil, brach gleich das ganze Gebäude zusammen und verdeutlichte die allem innewohnende Zerbrechlichkeit.

      „Sein Segen wird mich auf dem schmerzvollen Weg begleiten, den ich hienieden noch zu wandeln habe“, flüsterte Mama mysteriös mit rauer Stimme und irre nach oben verdrehten Augen. Die Worte klangen geradezu schauerlich aus ihrem Mund.

      Mich fröstelte noch mehr. Was war der tiefere Sinn dieses gehauchten Psalms? In diesem Moment war uns noch nicht klar, dass nur zehn Wochen später eine Revolution dessen verborgene Bedeutung offenlegen würde.

      Endlich vernahmen wir die lange erwarteten Schritte. Es waren seine. Das hölzerne Parkett knarrte wohltuend gewohnt unter seinen ledernen Stiefeln. Wir alle wandten unsere Köpfe und sahen zu der großen, mit Intarsien verzierten Doppeltür. Nur unsere Mutter vergrub das Gesicht weiterhin im Haar von Aljoscha.

      Die beiden Flügel öffneten sich knarrend.

      Papa war extra aus dem Kriegsquartier in Minsk herbeigeeilt, um uns zu trösten. Er warf uns allen äußerst besorgte Blicke zu, stürzte aber sofort zu Mama. Der Anblick seiner Gemahlin entsetzte ihn am meisten. Unser Vater, der Zar von Russland, rang um Fassung, versuchte dem übermächtigen Chaos aber einen Rest an Stärke entgegenzustellen, genau wie ich. Er war schließlich das Rückgrat des Großreiches, das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, der Armee, des Staates, der Romanows und unserer kleinen Familie. Ich konnte mir eine Welt ohne ihn nicht vorstellen. Er war mein Held, der unbesiegbare Ritter, für mich das Beste, was das Geschlecht der Romanows je hervor gebracht hatte.

      „Was kann ich tun?“

      Im ersten Moment wirkten diese Worte wie Pfeiler der Normalität. Mein Vater wusste instinktiv, dass jede andere Frage in diesem Moment unpassend wäre. Papa war äußerst klug und einfühlsam. Mama war mehr deutsch im Charakter und hatte seit der Begegnung mit Rasputin einen starken Hang zum Mystizismus. Das verbindet vielleicht als Einziges Deutsche und Russen. Die letzten Jahre hatten in Bezug auf die Gesundheit Aljoschas bewiesen, dass dieser sogar dem rationalen Handeln oftmals überlegen war.

      Ohne Mutters Glauben an den Wunderheiler Rasputin wäre der Zarewitsch längst gestorben. Mein geliebter Bruder litt an der in vielen Adelshäusern verbreiteten Hämophilie. Als die Ärzte ihn aufgaben und die Popen bereits die letzte Salbung empfahlen, heilte Rasputin ihn vor unser aller Augen. Gegen den Widerstand von Papa, seinen Beratern und den Ärzten hatte Mama allein dessen Wunderkräften vertraut. Sie hatte Recht gehabt und dadurch Aljoscha wiederholt das Leben gerettet. Deswegen hassten die Ärzte und auch die höfische Kurie den mönchischen Wunderheiler. Er führte ihnen und allen aufgeklärten Zweiflern ihre Unfähigkeit sowie Dummheit vor Augen. Nicht Rasputin, den wir auch Vater Grigorij nannten, irrte, sondern sie. Wieso erwählte Gott einen versoffenen Mönch aus dem Ural, um seine Wunder zu vollbringen? Das verstand niemand, wozu auch.

      Es gab in Russland keinen Mann, der ihm glich. Gott hatte dem sibirischen Priester ganz besondere Fähigkeiten geschenkt, aber leider zuweilen auch ein abscheuliches Benehmen. Er hurte, widersetzte sich der gesellschaftlichen Rangordnung und trank viel zuviel. Diese Auswüchse stellte er jedoch bei Mama so weit wie möglich zurück. In ihrer Gegenwart benahm Rasputin sich besser. So wie ein Vater, der sich mit ganzem Einsatz um seine Tochter und deren Sorgen kümmerte. Mutter hatte das beste Bild von ihm, denn er war schließlich der Retter des Thronfolgers, ihres einzigen Sohnes. Die Wissenschaft hatte versagt. Das hatte Rasputin natürlich Einfluss gegeben, den andere ihm neideten.

      Zaghaft, wie aus einem Traum erwachend, hob Mama ihren Kopf. Unendlich langsam kehrte ihr Blick aus einer anderen Welt in diese zurück und färbte sich sofort mit grenzenlosem Hass.

      „Töte diese widerlichen Bestien!“, brach es wild aus ihr heraus.

      Papa versteinerte und auch wir waren entsetzt. War das wirklich unsere warmherzige Mutter? Mama hatte nie Todesurteile akzeptiert. Manch ruchloser Bösewicht verdankte ihr eine Begnadigung. Stets war sie selbst für die Abschaffung solcher Strafen in Russland eingetreten. Nun forderte sie diese entgegen früherer Überzeugung?

      Wir alle wussten natürlich genau, wen die Zürnende meinte. Es ging um unsere eigenen Verwandten und deren Freunde, um das sakrosankte Blut von Angehörigen der Romanows.

      Unser Vater rang um Fassung. Er sprach niemals unbedacht. Wie ein Schriftsteller und Philosoph wählte er seine Worte genau, wog sie oft sogar zu lange ab.

      „Wage es nur nicht, diese sündigen Bestien zu verteidigen!“, zischte sie zornerfüllt.

      „Dein Lieblingsneffe Großfürst Dimitrij und sein Liebhaber Fürst Jussupow haben ihn ermordet. Sie waren es. Das steht fest und ist allgemein bekannt.“ Sie spuckte nun sogar aus. „Dr. Lasawert hatte für sie Rattengift in Rasputins Wein gemischt. Nur geschwitzt hat unser Vater Grigorij davon. So leicht bringt man einen von Gott Geliebten nicht um.“

      Für einen kurzen Moment hielt sie inne und verdrehte die Augen nach oben, so als sähe sie direkt zum heiligen Vater. „Dann hat Purischkewitsch ihn an den Hoden gefoltert und Jussupow, der widerliche schwule Bückling deines Neffen, hat ihn kaltblütig erschossen. Doch Gott ließ unseren Beschützer nicht sterben.“ Erneut drehte sie ihre geröteten Augen gen Himmel, um die Heiligkeit Rasputins zu untermalen.

      „Gerade wollte er fliehen, da kamen die Monster zurück. Dimitrij, dieser böswillige Hund, schoss abermals auf den Geschundenen und schlug ihm mit seinem Stock sogar ein Auge aus.“

      Sie machte eine ahnungsvolle Pause und sah Vater nun fest in die Augen. „Das alles geschah in Jussupows Palais durch die Hand eines Romanow! Selbst als die Bestien Vater Grigorij gefesselt und verstümmelt in die Newa warfen, versuchte er noch, sich zu befreien.“

      Niemand unterbrach sie, als sie abermals in ihrer Anklage einhielt. Jedem Wort durch betonte Dehnung Gewicht verleihend, schloss sie die lange Rede ab: „Sie wussten, dass der Zarewitsch nur durch seinen Segen überleben kann!“

      Papa sagte nichts. Es waren seine nächsten Verwandten, die Rasputin getötet hatten. Es waren Romanows, um die es hier ging. Das machte selbst ihn sprachlos, da Mama zu Recht ihren Tod einforderte.

      Nicht einmal die Polizei hatte in Russland Zutritt zu den Häusern von Familienmitgliedern des Zaren. Obwohl Nachbarn diese über die Schüsse im Palast alarmierte, mussten die gerufenen Beamten den Mord an Rasputin untätig geschehen lassen und durfte sich nicht einmischen.

      „Er war ein Priester und von Gott gesandt!“, stieß meine Mutter nochmals keuchend hervor.

      „Sie wollen uns vernichten und den Thronfolger töten! Seine Prophezeiung wird nun eintreten“, erklärte Mama mit von Paranoia geweiteten Augen.

      „Welche Prophezeiung?“, wagte Tatjana furchtsam zu fragen.

      „Rasputin hat einen Brief hinterlassen“, klärte ich flüsternd meiner Schwester auf.

      „Wenn er durch die Hand eines Mitglieds unserer Familie stirbt, werden wenige Monate später das Zarenreich und die Romanows untergehen. Vater Grigorij

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