Die Encantadas. Herman Melville

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Die Encantadas - Herman Melville

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schlechterdings nicht ansteuern kann, wenn nicht schon, bevor sie überhaupt nur in Sicht kommt, reichlich die später zu erwartende Abtrift mit in Rechnung gestellt wird. Dafür gibt es in anderen Fällen eine geheimnisvolle nach innen ziehende Strömung, so daß manchmal ein vorübersegelndes Schiff, das gar nicht nach den Inseln möchte, unwiderstehlich herangezogen wird.

      Es ist richtig: zu früherer Zeit (und bis zu einem gewissen Grad ist es heute noch so) haben große Flotten von Walfängern über dem von den Seeleuten so genannten Verzauberten Grund nach Spermazeti gefischt. Das spielte sich aber, wie später noch zu zeigen sein wird, auf der Höhe der weit außen gelegenen großen Insel Albemarle ab und nicht in dem Wirrsal der kleineren Inseln. Dort außen gibt es reichlich Platz und freie Fahrt, und deshalb gilt dort das bisher Gesagte nur in bedingtem Ausmaß. Freilich entwickelt auch dort die Strömung mitunter eine eigentümliche Kraft und wechselt auch auf seltsam willkürliche Weise.

      So kommt es zu gewissen Zeiten tatsächlich vor, daß völlig unerklärliche Strömungen auf einen weiten Umkreis um die gesamte Inselgruppe bestimmend werden, und zwar sind sie mitunter so stark und unregelmäßig, daß ein Schiff, das vielleicht vier oder fünf Meilen Fahrt macht, trotzdem von dem eingehaltenen Kurs abgebracht wird. Aus diesem Grunde haben sich in die nautischen Berechnungen der Seefahrer allerlei Ungenauigkeiten eingeschlichen, und da überdies die schwachen und unsteten Winde dazukamen, hat sich ziemlich lang die Ansicht erhalten, es gebe zwei voneinander unterschiedene Inselgruppen auf dem Breitengrad der Encantadas, in einer Entfernung von etwa einhundert Seemeilen. Die früheren Besucher der Inseln, die Seeräuber, hegten diesen Glauben, und noch um 1750 tragen die Karten aus jener Gegend des Pazifik dem seltsamen Irrtum Rechnung. Der Anschein der Unbestimmtheit und Unwirklichkeit, was die Lage der Inseln betrifft, hat denn wohl auch mit dazu beigetragen, daß die Spanier sie als die »Encantada«, die Verzauberte Gruppe, bezeichneten.

      Der Reisende von heute wird unter dem Eindruck ihrer Beschaffenheit, so wie sie nun unbestritten existieren, eher zu der Auffassung neigen, daß man ihnen wohl auch deshalb den Namen gegeben hat, weil Merkmale des Verhexten, Unbewohnbaren die ganze Gruppe so deutlich kennzeichnen. Nirgends empfängt man deutlicher den Eindruck des einstmals Lebensvollen, das sündhaft aus der Fülle in die Dürre zerkrümelt ist. Sodomsäpfel, wenn man sie berührt hat – so scheinen diese Inseln.

      Mögen auch die Strömungen ihre Lage von außen unbestimmt erscheinen lassen, vom Gestade aus gesehen wirken die Inseln ganz unwandelbar und unveränderlich: in eine leichenhafte Todesgestalt gebannt, gegossen, geprägt.

      Noch in einem weiteren Sinn, muß man sagen, ist die Bezeichnung »Verzaubert« nicht übel angebracht. Im Hinblick auf das eigentümlichste Kriechtier, das die sonst so wilde Gegend bewohnt – und das der Gruppe deshalb auch ihren zweiten spanischen Namen, Galapagos, gegeben hat – im Hinblick auf die dort häufig anzutreffenden Schildkröten hat sich bei den meisten Seeleuten ein Aberglaube eingebürgert, den man ebensowohl schauderhaft wie groteskkomisch finden kann. Sie glauben nämlich allen Ernstes, daß die gottlosen Seeoffiziere, und insbesondere die Kommodoren und Kapitäne, bei ihrem Tod (und manchmal auch schon vor ihrem Tod) in Schildkröten verwandelt werden und hinfort jene heißen Sanddürren bevölkern, einsame Alleinherrscher in einem Asphaltreich.

      Kein Zweifel, ein Einfall, wunderlich und schmerzhaft wie dieser, ist ursprünglich der leiderfüllten Landschaft selber entsprungen. Doch haben ihn im einzelnen wohl die Schildkröten durch ihren Anblick entstehen lassen. Abgesehen von ihrer äußeren Erscheinung im engeren Sinn haben sie auch etwas seltsam Verdammtes, aus eigenem Entschluß Verstoßenes in ihrem kreatürlichen Ausdruck. Ewiger Kummer, hoffnungslose Verdammnis drücken sich in keiner Tiergestalt so zwingend aus wie in der ihren, und der Gedanke an ihre wunderbare Langlebigkeit paßt nur zu gut in dieses Bild.

      Es wird mir den verdienten Vorwurf eintragen, daß ich in einer ganz dummen Weise an Zaubergeschichten glaube, aber ich kann das Geständnis nicht unterdrücken: noch jetzt, wenn ich die Menschenfülle der Stadt verlasse und mich im Juli und August in den Adirondacks sattwandere, ganz losgelöst vom Städtischen und umso näher den heimlichen Zaubern der Landschaft – wenn ich mich auf einer solchen Wanderung niederlasse auf der moosigen Höhe einer baumverwachsenen Schlucht, unter dürren, gestürzten Föhrenstämmen, und mir wie im Traum meine alten, langvergangenen Wanderfahrten im glutversengten Inneren der Verzauberten Inseln überlege; wenn mir da jählings die dunklen Panzerschalen vor Augen treten und die langen, müden Hälse, die sich vorrecken aus dem blattlosen Gestrüpp; wenn ich die glasiggebrannten Felstrümmer vor mir sehe, zerrieben und tief ausgefurcht vom jahrhundertelangen Hinundhergewälztwerden durch die Schildkröten, die sich kümmerliche Wasserpfützchen suchen – dann kann ich mich des Gefühls kaum erwehren, daß auch ich zu meiner Zeit einmal auf bösem, verhextem Land geschlafen habe.

      Ja, so lebendig ist die Erinnerung in mir oder soll ich sagen die verzaubernde Wirkung meiner Phantasie, daß ich nicht recht weiß, ob ich nicht vielleicht manchmal im Gedanken an die Galapagos einer optischen Täuschung unterliege. In gesellschaftlich heiterer Umgebung und am meisten bei Festlichkeiten unter Kerzenschimmer in altmodischen Herrenhäusern, wo die Schatten tief in die Winkel eines rechteckig gebauten, geräumigen Saals fallen und die Illusion eines spukhaft durchwachsenen Waldesdickichts erwecken, ist es mir oft widerfahren, daß meine Festgenossen über meinen starren Blick und meine plötzlich veränderte Miene stutzig geworden sind, weil mir jählings war, als sähe ich es langsam aus den Einsamkeiten meiner Traumwelt hervortauchen und schwerfällig über den Fußboden kriechen: das Geisterbild einer Riesenschildkröte mit der Flammenschrift » Memento« breit auf ihrem Rücken.

      Zweite Skizze Zwei Seiten einer Schildkröte

Widrig dem Blick und gräßlich ungeschlacht, Daß Frau Natur sich selbst davor entsetzt, Beschämt, weil sie derlei hervorgebracht, Die sonst als Schöpferin so hoch ergötzt, Doch hier mit Zerrgestalt den Blick verletzt. Wie sehr muß erst ein Menschenaug erschrecken, Denn was es je Entsetzliches geschaut, Muß sich wie eitel Kinderspiel verstecken Vor den Geschöpfen, die dies Land bedecken. Seid ohne Furcht, der fromme Pilgrim spricht, Denn was an Ungetier ihr vor euch seht, Ist Mummenschanz – in Wahrheit lebt es nicht. Und seinen Zauberstab reckt er empor, Worauf das Schreckbild sich in Nichts verlor, Ins Ungeschaffne, Dunkle wie zuvor.

      Im Hinblick auf die bisher gegebene Schilderung ist zu fragen: kann man überhaupt fröhlich sein auf den Encantadas? Ja – das heißt, es muß einer natürlich zunächst einmal einen Anlaß zur Fröhlichkeit haben, dann wird er auch fröhlich sein. Es ist nicht zu leugnen: so sehr die Inseln an Sack und Asche gemahnen, so gibt es doch auch lichtere Punkte in ihrer Trübsal. Zwar wird sich kein Betrachter dem Eindruck verschließen, daß einem auf den Encantadas höchst ernsthafte und abergläubische Gedanken in den Sinn kommen, wie ja auch ich mich durch keinen noch so festen Entschluß davor bewahren kann, die aus ihrem Schattenversteck hervorwandelnde, Geisterschildkröte zu erblicken. Nun hat aber sogar die Schildkröte, so dunkel und melancholisch sie sich in der Rückenansicht darbietet, ihre helle Seite; ihr Brustschild, das sogenannte Calipee, trägt nämlich bisweilen einen schwach gelblichen oder goldenen Farbton. Wie jedermann weiß, sind die Landschildkröten, ganz ebenso wie die Schildkröten aus dem Meer, so gebaut, daß man sie nur auf den Rücken zu legen braucht, um ihre helle Seite ans Licht zu kehren, ohne daß sie dann die Möglichkeit hätten, sich wieder umzudrehen und die andere Seite zur Schau zu stellen. Nur darf man, wenn man dies getan hat und weil man es getan hat, nicht Stein und Bein schwören, die Schildkröte besitze überhaupt keine dunkle Seite. Man genieße das Helle, man halte es womöglich dauernd nach oben gekehrt, aber man bleibe ehrlich und leugne nicht das Vorhandensein des Schwarzen. Ebenso wenig sollte, wer die Schildkröte nicht aus ihrer natürlichen Haltung umzudrehen versteht, so daß das Dunklere verborgen und das Hellere ans Licht gerückt wird wie bei einem großen Herbstkürbis im Sonnenschein, aus diesem Grunde behaupten, das ganze Geschöpf sei durch und durch schwarz wie Tinte. Die Schildkröte ist schwarz und sie ist hell. Aber wir wollen aufs Tatsächliche zurückkommen.

      Einige

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