Ricarda Huch: Lebensbilder Deutscher Städte – Teil 1 - Band 181e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski. Ricarda Huch
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Ludwig der Fromme
Alle Kaiser, die sich nach den Karolingern in Frankfurt aufhielten, bewohnten den königlichen Hof, bis auf Heinrich VII.; dann verfiel er. Im Jahr 1353 kaufte ihn ein reicher Patrizier namens Knoblauch, von dessen Erben er im 18. Jahrhundert an die Familie Bernus überging. Nach mehrfachem Umbau ist von der alten Pfalz nur noch eine romanische Kapelle übrig, aber auch diese wohl kaum karolingischen Ursprungs.
Auch von der Salvatorkirche, einer karolingischen Gründung, die der Legende nach den Namen daher hat, dass der Sohn Ludwigs des Deutschen, Karl, dort vom Teufel erlöst wurde, der ihn besessen und zur Empörung gegen den Vater angestiftet hatte, ist keine Spur geblieben, da sie ganz im Dom aufgegangen ist. Ein erhebender Augenblick aus der Zeit der sächsischen Kaiser, der fälschlich nach Quedlinburg verlegt worden ist, hängt mit der alten Salvatorkirche zusammen. Als Otto der Große im Jahre 942 nach glücklicher Beendigung von Kriegen und Empörungen in Frankfurt die Weihnacht feiern wollte, warf sich ihm vor dem Portal der Kirche ein Mann im Büßergewand zu Füßen; es war sein Bruder Heinrich, der nach der Niederwerfung des von ihm geleiteten Aufstandes entflohen war. Der Kaiser stutzte und stieß den Flehenden in der ersten Aufwallung des beleidigten Gefühls zurück. Den Bischof, der ihn an die Aufgabe des Christen mahnte, dem Feind zu verzeihen, erinnerte er daran, dass er das schon siebenmal getan habe, worauf der Bischof die in der früher beliebten Ballade so gefassten Worte erwiderte: „Nicht siebenmal vergib – Nein, siebenzig mal sieben – das ist dem Herren lieb.“ Rethel hat den Augenblick, wo der Kaiser sich verzeihend zu dem knienden Bruder herabbeugt, auf einem Bild dargestellt, das auf dem Frankfurter Historischen Museum aufbewahrt wird.
Mit dem Jahr 1239 beginnt die Geschichte des Domes, den wir jetzt kennen. Nach der Art des Mittelalters, wo alle Pläne unter dem phantastischen Szepter der Zeit, des Zufalls und der Notwendigkeit erwuchsen, zog sich der Auf- und Umbau der Kirche bis zum Jahr 1514 hin. In den letzten hundert Jahren entstand der Turm, Pfarrturm genannt, für den erst der Brand des Rathauses, das an der Westseite der Kirche stand, den Platz hatte freimachen müssen. In kraftvoll harmonischer Hoheit erhebt sich Frankfurts steinernes Haupt, anstatt in gotischer Spitze einst endigend, in einer stumpfen Haube, über der in einer Laterne die Sturmglocke hing, die der Sage nach aus reinem Silber gegossen war und vier Zentner wog. Dem Apostel Bartholomäus wurde der Turm geweiht, weil die Stadt kurz vorher in den Besitz der Hirnschale dieses Heiligen gelangt war, die noch im 19. Jahrhundert am Bartholomäus-Tag öffentlich gezeigt und verehrt wurde.
Mit der Gründung des Domes hängt der Beginn einer Einrichtung zusammen, die eine irdisch nährende Quelle der Größe Frankfurts bedeutet, nämlich die Messe. Die neue Weihe der Kirche zu Ehren des heiligen Bartholomäus gab Anlass zu der Kirchweih, aus der die Messe sich entwickelte, anfangs eine Herbstmesse, zu der etwa hundert Jahre später eine Ostermesse hinzukam. Von den Kaisern begünstigt, erlangte sie bald großen Ruf und legte den Grund zu Frankfurts Blüte als Handelsstadt.
Inzwischen war aus der den römischen Königen gehörigen und von ihnen abhängigen eine freie, sich selbst regierende Stadt geworden. Wie die Dome eine sich oft durch Jahrhunderte hinziehende Baugeschichte hatten, so war auch die mittelalterliche Freiheit nicht etwas Angeborenes oder eine mit einem Mal zufallende, einheitliche Gabe, sondern sie wurde erworben, erkauft, erkämpft, stückweise, mit Mühe und durch Glück, ein goldenes Kleinod, vielmal in Feuersglut gehärtet, ein Edelstein, aus Tiefen herausgegraben und mit Fleiß und Geschick geschliffen und gefasst.
Friedrich II.
Nachdem durch Friedrich II. die Stadtvogtei, welche die königlichen Güter verwaltete, aufgehoben war, bemühten sich die beiden städtischen Bürgermeister und der städtische Rat, den Schultheißen zu verdrängen, der in Kaisers Namen das Recht sprach. Erst im Jahr 1372 führten diese Bemühungen zum Ziel, indem Karl IV. der Stadt das Schultheißenamt verkaufte, nachdem der Ritter Ulrich von Hanau, dem er es vorher verpfändet hatte, gestorben war. Die Möglichkeit indessen, der Kaiser könne auf das verkaufte Recht einmal wieder zurückgreifen, blieb bestehen, weswegen noch zu Goethes Jugendzeit, wie er selbst erzählt, nach dem Tod eines Schultheißen hastig zur Wahl eines neuen geschritten wurde. Das wichtige Recht, dass kein Frankfurter Bürger vor ein auswärtiges Gericht gefordert werden dürfe, war 1291 erworben und wurde immer wieder bestätigt, ebenso das Versprechen, nicht verpfändet zu werden.
Aus dieser Frühzeit des Gemeinwesens werden Züge berichtet, die aufrechte, stolze Gesinnung und vernünftige Mäßigung in der Leitung der inneren Angelegenheiten beweisen. Als Adolf von Nassau die Frankfurter Juden zur Zahlung einer bedeutenden Geldsumme zwingen wollte, trat einer von den beiden damals regierenden Bürgermeistern, es waren Heinrich von Prumheim und Volrad von Seligenstadt, dem Kaiser entgegen, um die Ungerechtigkeit, als welche er es offenbar empfand, zu verhindern.
Adolf von Nassau
Ebenso unerschrocken verhielten sich die Frankfurter dem Papst gegenüber. Während der Regierung Ludwig des Bayers war die Stadt, die ihm anhing, zwanzig Jahre hindurch mit dem Interdikt belegt. Nach des Kaisers Tod wollte der Papst es aufheben, wenn der Rat sich und die Bürgerschaft für Ketzer erkläre und verspräche, keinen mehr als deutschen König anzuerkennen, der die päpstliche Genehmigung nicht erhalten hätte. Der Rat erwiderte, diese Bedingungen ablehnend, er werde fortfahren, dem jeweiligen deutschen König zu gehorchen, auch wenn der Papst die Genehmigung versage; die vorgelegte Absolutionsformel zeige antichristlichen Stolz und Übermut und beeinträchtige die Hoheit des Königs und der Kurfürsten. Leider entsprach die Gesinnung des damaligen Königs, es war Karl IV. von Luxemburg, der seiner Reichsstadt nicht; immerhin, als sie auf seinen Befehl sich fügen musste, tat sie es unter Vorbehalt ihres Rechts.
Gegen das Ende des Jahrhunderts hatten die Frankfurter Unglück in einer Fehde mit den Herren von Kronberg, die der Kurfürst von der Pfalz unterstützte. Trotz der Übermacht des Feindes griffen sie unter Führung des Schultheißen Winter von Wasen und des Stadthauptmanns Breder von Hohenstein und unter Beteiligung aller Patrizier tapfer an, erlitten aber eine vernichtende Niederlage. Unter den 620 durch die Feinde gemachten Gefangenen waren der Schultheiß, der Stadthauptmann, drei Holzhausen, zwei Glauburg, zwei Frosch, ein Weiß von Limburg und die ganzen Metzger-, Bäcker-, Schlosser- und Schuhmacher-Zünfte. Auch das Banner, das der Schultheiß getragen hatte, war verloren. Die finanzielle Belastung, die das mit sich brachte, denn nach Frankfurter Gesetz wurden gefangene Mitbürger auf Kosten der Stadt ausgelöst, hätte leicht innere Unruhen erregen können; dem beugte die Regierung vor, indem sie sofort den Rat erweiterte und die Zahl der Bürgermeister auf drei vermehrte, von denen je einer aus dem Patriziat, aus den Zünften und aus der Gemeinde besetzt wurde. Diese Einrichtung wurde bis zum Jahr 1408 beibehalten, wo die Ordnung im Finanzwesen wiederhergestellt war.
Durch Handel und Gewerbe überragte damals Frankfurt seine wetterauischen Schwesterstädte Wetzlar, Friedberg und Gelnhausen noch nicht erheblich; aber als Wahlstadt hatte es doch viel mehr Einfluss und Bedeutung. Von 1140 bis 1500 fanden in Frankfurt zehn Königswahlen statt, von 1140 bis zum Beginn des Interregnums, 1254, einundzwanzig Reichstage. Was für einen Zusammenfluss von Menschen und welche Vorteile das mit sich brachte, kann man aus den Tatsachen ableiten, dass bei Rudolfs I. Königswahl allein der Erzbischof von Trier mit 1.800 Vasallen einzog und 1.555 Mark Silber ausgab.
Bei einer Doppelwahl war es herkömmlich, dass der Erwählte sechs Wochen und drei Tage vor der Stadt lagerte und seinen Gegner zum Kampf erwartete. Auf Bitten des Kurfürsten ließ Frankfurt Günther von Schwarzburg schon nach sieben Tagen ein. Dieser, der bald darauf, der Sage nach vergiftet, starb, ist der einzige römische König, der in Frankfurt beigesetzt ist; sein Grab ist im Dom durch eine Platte