Seal Team 9. Sarah Glicker
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Aus dem Augenwinkel erkenne ich, wie einer der anderen Männer ihm einen Gasbrenner in die Hand drückt. Es ist nicht das erste Mal, dass ich ihn zu Gesicht bekomme. Daher weiß ich auch, was mich nun erwartet.
Innerlich beginne ich, mich auf das vorzubereiten, was als Nächstes kommen wird. Mein Puls geht flacher und meine Atmung ruhiger. Für einen Außenstehenden sieht es wahrscheinlich so aus, als würde ich mich gerade ganz woanders befinden. Doch das ist nicht der Fall. Ich bekomme alles von dem mit, was um mich herum geschieht.
Doch auch so werden sie kein Wort aus mir heraus bekommen. Ich würde eher sterben, als ihnen die Informationen über mein Team zu geben, die sie haben wollen.
Ich arbeite nicht nur mit diesen Männern zusammen, sie sind meine Familie und ich weiß, dass sie auch diese Schmerzen auf sich nehmen würden, wenn sie an meiner Stelle hier sitzen würden.
Als er sich mir nähert, spanne ich automatisch die Muskeln an. Ich spüre, wie die Hitze des Feuers durch die Poren meiner Haut dringt, als er den Brenner in meine Richtung hält. Als ich das Feuer schließlich auf meiner Brust spüre, würde ich am liebsten laut schreien. Doch irgendwie schaffe ich es, dass kein Ton über meine Lippen dringt.
Mir ist bewusst, dass ich Verletzungen und tiefe Narben davon tragen werde, die mich den Rest meines Lebens begleiten. Auch wenn ich diese Erinnerung vielleicht irgendwann zur Seite geschoben habe, so wird man es meiner Brust immer ansehen, was mit mir geschehen ist.
Doch ich bin kein Navy Seal geworden, weil ich bei der erstbesten Gelegenheit aufgebe. Ich hatte schon immer einen Dickkopf. Wenn ich etwas nicht will, dann mache ich es auch nicht. Nun habe ich die Gelegenheit zu zeigen, dass sich daran in den letzten Jahren nichts geändert hat.
Es erscheint mir so, als würde diese Tortur von Mal zu Mal noch länger dauern. Doch wundern würde es mich nicht.
Sie wollen herausfinden, wie weit sie gehen müssen und können, bis ich mein Schweigen breche.
Allerdings habe ich schon an meinem ersten Tag, eigentlich schon in dem Moment, in dem ich hier angekommen bin, aufgehört, die Minuten zu zählen und mich so von allem distanziert.
Und so werde ich das auch weiterhin machen, bis ich irgendwann befreit werde.
1
Brady
„Wollen Sie in dieser Stunde wieder schweigen?“, erkundigt sich mein Psychiater, als ich bereits seit einer viertel Stunde vor ihm sitze, ohne ein Wort von mir zu geben, und sieht mich herausfordernd an.
Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck erwidere ich seinen Blick. Auf diese Weise zeige ich ihm, dass ich besseres wüsste, was ich mit meiner Zeit anstellen könnte, anstatt erneut hier zu sitzen und die Zeit totzuschlagen.
Meine Muskeln sind angespannt und meine Hände haben sich zu Fäusten geballt. Ich werde mein Schweigen nicht brechen, weder jetzt noch sonst irgendwann. Ich habe überhaupt keinen Grund, das zu machen. An meiner Geschichte würde es ja doch nichts ändern.
Ich muss meinen eigenen Weg finden, um damit zu klarzukommen.
„Ich kann Ihnen dabei helfen, die Vorkommnisse zu verarbeiten“, erklärt dieser nun, als könnte er meine Gedanken lesen. So zieht er meine Aufmerksamkeit wieder auf sich.
Das ist der Satz, den ich in den letzten vier Wochen in jeder Sitzung mehrmals gehört habe. So oft, dass ich es nicht mehr zählen kann. Doch auch dieses Mal ändert er nichts daran, dass ich den Mund halten werde.
Ich habe meine Entscheidung bereits für mich getroffen und es gibt keinen Grund, wieso ich nun eine andere Einstellung dazu haben sollte.
„Gut“, murmelt er schließlich, lässt sich nach hinten sinken und verschränkt die Arme vor der Brust. „Dann werden wir die restlichen fünfundvierzig Minuten schweigen.“
Mit diesen Worten legt er den Block, den er in der Hand hält, auf einen kleinen Tisch und verschränkt die Arme vor der Brust. Mir ist bewusst, dass er mich so aus meiner Reserve locken will, doch das wird er nicht schaffen.
Während meiner Gefangenschaft haben das schon andere versucht und sind gescheitert.
Auch wenn er nichts weiter dazu sagt, so merke ich, dass er mich aufmerksam betrachtet. Nichts entgeht ihm. Allerdings gehe ich nicht näher darauf ein, sondern beachte ihn nicht weiter. Mir ist bewusst, dass es sicherlich ein paar Soldaten gibt, die sich früher oder später verraten, doch ich wäre kein Navy Seal, wenn ich mich nicht besser unter Kontrolle hätte.
Als ich seine Praxis endlich verlassen kann, stapfe ich mit schlechter Laune an der Frau vorbei, die am Empfang sitzt, und knalle die Tür hinter mir ins Schloss. Es ist mir egal, ob sie etwas dafür können, oder nicht. Ich lasse keinen Zweifel daran, dass ich mit niemandem sprechen will. Und das schon alleine deswegen, weil ich wieder eine Stunde meines Lebens hier vergeuden musste.
Draußen bleibe ich einen Moment vor der Eingangstür stehen, atme tief durch, um mich wieder zu beruhigen, und beobachte die Menschen, die sich um mich herum befinden. Einige Sekunden betrachte ich sie. Dabei schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass sie Glück haben, dass sie nicht meine Erfahrungen machen mussten.
Dies ist etwas, was ich wirklich niemanden wünsche. Selbst meinen Teamkameraden nicht. Nachdem sie mich befreit haben, habe ich erst einmal nicht mit ihnen gesprochen. Ich brauchte ein paar Tage, bis die Wut verschwunden ist, die ich auf die Männer hatte, die mich gefangen gehalten haben. Doch das war nicht mein einziges Problem.
Die Verletzungen an meinem Oberkörper sahen sehr schlimm aus, sodass ich lange im Krankenzelt bleiben musste, bis ich schließlich ausgeflogen werden konnte. Und noch länger hat es gedauert, bis die Schmerzen endlich verschwunden sind. Obwohl sie das noch nicht einmal sind.
Noch immer spüre ich die Hitze des Feuers auf den Narben und spüre die Schläge mit den Seilen, die auf mich niedergegangen sind.
Schließlich setze ich mich in Bewegung und gehe die Straße hinunter. Ich halte auf die Kneipe zu, die sich an der nächsten Straßenecke befindet. Ohne zu zögern betrete ich sie und lasse mich an der Theke auf einen freien Hocker sinken.
„Tequila“, rufe ich der Frau zu, die sich hinter der Bar befindet.
Einen Augenblick sieht sie mich nachdenklich an. Ich weiß, dass sie niemals fragen würde. Schließlich bin ich nicht der einzige Mann, der sich hier besäuft, um sich nicht mit seinen Problemen auseinanderzusetzen. Doch das ändert nichts daran, dass sie sich darüber den Kopf zerbricht.
Kurz nickt sie, ehe sie nach einem kleinen Glas und der Flasche greift, die sich hinter ihr befinden.
„Ich nehme die Flasche.“ Mit diesen Worten lehne ich mich ein Stück nach vorne und nehme sie ihr aus der Hand.
Im ersten Moment sieht sie mich verblüfft an. Ich weiß, dass sie keine Ahnung hat, wie sie darauf reagieren soll, doch das ist mir egal. Und genauso egal ist mir, dass das wahrscheinlich nicht sehr oft passiert.
Die meisten Männer, die herkommen, besaufen sich wahrscheinlich langsam, sodass sie es merken, wie die Welt um sie herum langsam verschwimmt. Ich hingegen habe den Wunsch, diesen ganzen Mist zu vergessen. Und zwar so