Geliebtes Carapuhr. Billy Remie
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Kapitel 1
Er rannte und rannte, buchstäblich über Stock und Stein. Äste peitschten ihm ins schmutzige Gesicht, Dornen zerrissen ihm das Hemd wie tollwütige Krähen. Aber nichts hätte Desiths Lauf stoppen oder auch nur ins Stocken bringen können. Er flüchtete vor dem sicheren Tod, hinein in dichte Blätterwände. Das Immergrün zog sich wie eine Schlinge um ihn herum zusammen, die Pflanzen schienen ihn festhalten zu wollen. Er fiel immer wieder auf die Knie, doch die Furcht trieb seine Füße weiter, selbst wenn er noch nicht wieder richtig stand. Hinter ihm knackte und krachte es, als wäre ihm eine Horde Elefanten auf den Fersen. Desith wünschte, es wäre so. Mit stillen Tränen auf den Wangen erträumte er, er würde sich umdrehen und nur eine wildgewordene Herde verblödeter Wildtiere entdecken. Doch das gefährliche Kitzeln in seinem Nacken ließ sich nicht von einer dummen Träumerei täuschen.
Er steckte in der Scheiße. Und zwar so richtig tief.
Seine Lungen brannten ihm genauso stark wie seine Muskeln, aber er konnte nicht stehen bleiben. Blind preschte er durch den dichten Dschungel, wusste gar nicht, wohin er rannte, hatte längst die Orientierung verloren. Bunte Vögel und Insekten stoben auf, und als er abermals hinfiel, biss ihn eine Schlange in den Arm.
Nur wenige Schritte weiter rannte er in ein Hornissennest und schlug wild um sich, während wütendes Gesumme ihn umhüllte. Schmerz pochte in seiner Wange auf, als eines dieser riesigen Biester ihn mitten ins Gesicht stach.
Und hinter ihm erhob sich ganz nah das Gebrüll des Drachen.
Sein Herz stockte und er rannte mit noch immer geschlossenen Augen und wild rudernden Armen weiter, der Hornissenschwarm folgte ihm, er schrie bei jedem Stich schmerzerfüllt auf. Das Gift der Insekten war stark, stärker, als er es sich hätte vorstellen können, er spürte, wie ihm schwindelig und übel wurde. Oder war es nur die Erschöpfung, die ihm den Atem raubte?
Bäume fielen um ihn herum, wurden umgestoßen. Der Drache brüllte nah, der Laut vibrierte in der Luft wie ein nahendes Gewitter, und Desith stolperte schreiend auf die Knie, während er die Hände auf die Ohren schlug. Er hasste Drachengebrüll, die Furcht zog ihm durch Mark und Bein, wie ein eiskalter Wind.
Das Krachen und Knacken wurde immer lauter, die wütende Flugechse trampelte umher, Desith hörte ihren Schwanz durch die Luft peitschen. Stämme von dünneren und jüngeren Bäumen fielen kreuz und quer um ihn herum ins Unterholz, es war ein Wunder, dass er nicht getroffen und zermalmt wurde. Die Erde bebte. Er hielt die Augen und Ohren geschlossen, krümmte sich zu einem Kloß zusammen und hoffte naiverweise, sich klein genug machen zu können, dass der Drache einfach über ihn hinweglaufen würde.
»Bitte, bitte, bitte…«, stammelte er tonlos vor sich hin, die Angst hatte ihm Stimme und Atem geraubt, sein Herz schlug so schnell, dass er befürchtete, es würde in seiner flatternden Brust einfach in unzählige Splitter zerspringen.
Ich hätte ihn nie verfolgen sollen. Nicht zum ersten Mal in den letzten Jahren dachte er genau das, aber wie hätte er einfach umkehren können? Wie hätte er ihn im Stich lassen können, wobei er jäh spürte, dass es keinerlei Verbindung mehr zu dem Mann gab, der dem Drachen innewohnte.
Desith versteinerte, obwohl er zuvor noch gezittert hatte wie Espenlaub. Im Nacken spürte er den heißen Atem des Drachen, und sein leises Grollen vibrierte über Desiths Rücken.
Für einen Moment konnte Desith sich nicht bewegen, dann nahm er langsam die Hände von den Ohren und drehte zögerlich den Kopf mit geweiteten und blutunterlaufenen Augen herum.
Der Drache thronte direkt hinter ihm, die schwarzen Schuppen matt, die Stacheln auf seinem Kamm aufgestellt. Drohend hoben sich die Lippen und entblößten eine Reihe weißer Reißzähne.
Desith überkam eine Woge Trauer, er verzog das Gesicht und wimmerte: »Rick, bitte…«
Aber er erkannte ihn nicht, schon lange nicht mehr. Der Drache hob den Kopf, um den Hals zu beugen, und sog regelrecht die Luft um Desith herum in seinen Rachen. Das, was folgen würde, brauchte Desith sich nicht auszumalen, er wusste es. Sein Überlebensinstinkt war stärker als es jede Jugendliebe hätte sein können. Er rollte sich zur Seite, sprang auf und rannte los. Der blaue Strahl aus Geistfeuer explodierte auf der Stelle, wo er zuvor noch gekniet hatte, versengte alles und hinterließ einen schwarzen, toten Fleck. Wütendes Gebrüll erhob sich, als er dem Biest abermals entkam. Mit einem giftigen Fauchen warf der Drache jedoch den Kopf herum und spie Desith einen weiteren Feuerstoß hinterher. Die Spitzen der Flammen holten ihn im vollen Lauf ein, eine regelrechte Druckwelle riss ihn von den Füßen, als hätte ein Sturm ihn von hinten erfasst.
Desith brüllte auf, obwohl er den Schmerz noch gar nicht spürte, aber er sah die Flammen, die sich seinen Arm hinauf schlängelten. Schreiend warf er sich hin und her, rollte sich hektisch über den Boden, während er mit der Hand auf sein brennendes Hemd einschlug. Es roch nach Rauch, versengtem Stoff und verbranntem Fleisch.
Die Flammen waren noch nicht gänzlich erstickt, als der Drache auf ihn zuhielt. Desith stolperte auf die Füße und floh vorwärts, mit panischem Blick über die Schulter. Er rutschte unter einem umgestürzten Baumstamm hindurch, der Drachenkopf schnappte nach ihm, blieb aber stecken. Das brachte ihm für wertvolle Augenblicke einen Vorsprung ein.
Nur der Schatten des Biestes war zwischen den Bäumen zu erkennen, aber er holte schnell auf. Brennende Blätter schwebten durch die Luft, es knisterte im Dschungel, während Desith Haken wie ein junges Kaninchen schlug und durch riesige, dichte Blätterwände preschte, ihm peitschte allerlei Geäst um die Ohren, sodass sein Gesicht bald aussah, als hätte er mit einem Puma gerungen.
Noch immer klopfte er auf die blauen Flammen, die sich nicht löschen lassen wollten. Bis er in seiner blinden Hast über eine Wurzel stolperte und vornüber einen Hang hinabfiel. Er überschlug sich mehrfach, brach sich mindestens eine Rippe und verdrehte sich den Arm. Der aufkommende Schmerz war nicht mehr zu beschreiben, es fühlte sich an, als müsste er sterben.
Als er endlich gegen einen Baum krachte, der seinen Fall abrupt gebremst hatte, blutete er aus einer Stirnwunde und übergab sich.
Der Drache wütete noch immer. Benommen und völlig erschöpft sah Desith den Hang hinauf, er konnte das viele Grün nur noch verschwommen wahrnehmen, immer wieder blitzte Schwärze vor seinen Augen auf, alles drehte sich. Der Schwanz der Flugechse zuckte flüchtig über die Schlucht, dann erklang das schwere Pochen seiner Schwingen, das Blätterdach raschelte und sein wütendes Brüllen entfernte sich. Er hatte wohl nicht mitangesehen, dass Desith den Hang hinabgestürzt war. Oder er hatte etwas Größeres gewittert. Vermutlich war es letzteres. Desith konnte die anderen Drachen in der Nähe rufen hören, es war Paarungszeit und sie suchten ihre Partner. Vielleicht lenkte auch das Rick ab.
Desith schaffte es noch, sich bis zu einem nahen Fluss zu schleppen, am Ufer brach er jedoch zusammen. Sein rechter Arm hing schlaff hinab, er konnte ihn nicht mehr bewegen, bei dem Sturz musste er ihn sich ausgekugelt haben. Jeder Atemzug, sei er noch so flach, stach so heftig wie ein Dolch, der in seinen Rippen steckte. Noch immer sah er nur verschwommen und immer wieder musste er sich übergeben. Seine rechte Seite war versengt, regelrecht verkohlt, er traute sich gar nicht, hinzusehen, umklammerte den verletzten Arm mit der anderen Hand.
Die Verbrennung fühlte sich seltsam an, nicht wie von normalen Flammen, mehr wie eine Eisverbrennung. Desiths Haut war abgeplatzt, aber darunter herrschte nur Kälte und eine schreckliche Leere, als ob das Feuer ihm den Teil der Seele ausgebrannt hatte, die in seinem Arm gewohnt hatte. Da war kein Gefühl mehr – und das nicht nur,