Zärtlich ist die Nacht. F. Scott Fitzgerald

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Zärtlich ist die Nacht - F. Scott Fitzgerald

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obgleich ich dafür ausgebildet werden müßte, würden Sie mir eine große Wohltat erweisen.

      Und dann wieder:

      Da Sie meine Erklärung dessen, was los ist, nicht annehmen wollen, könnten Sie mir zum mindesten erklären, was Sie denken; denn Sie haben das gütige Gesicht einer weißen Katze und nicht den komischen Blick, der hier Mode zu sein scheint. Dr. Gregory gab mir ein Photo von Ihnen, nicht so schön, wie Sie in Ihrer Uniform sind, aber Sie sehen jünger darauf aus.

      Mon Capitaine:

      Es war schön, Ihre Postkarte zu erhalten. Ich freue mich sehr, daß Sie soviel Interesse daran haben, Krankenschwestern zu disqualifizieren – oh, ich habe Ihre Zeilen sehr gut verstanden. Ich dachte nur vom ersten Moment unserer Bekanntschaft an, daß Sie anders wären.

      Lieber Capitaine:

      Heute denke ich so und morgen so über die Sache. Das ist es, woran ich in Wirklichkeit leide, außer an einem rasenden Trotz und einem Mangel an Gleichmaß. Ich würde jeden Psychiater willkommen heißen, den Sie vorschlagen. Hier liegen sie in ihren Badewannen und singen: »Spiel in deinem eignen Hinterhof«, als ob ich einen Hinterhof zum drin spielen hätte oder als wenn für mich irgendeine Hoffnung darin liegen könnte, rückwärts oder vorwärts zu schauen. Sie haben es wieder in dem Bonbonladen versucht, und ich habe mit dem Gewicht nach dem Mann geworfen und ihn beinahe getroffen, aber sie hielten mich fest.

      Ich werde ihnen nicht mehr schreiben. Meine Stimmung ist zu wechselnd.

      Dann ein Monat ohne Briefe. Und dann plötzlich die Veränderung.

      – Ich komme langsam ins Leben zurück ...

      – Heute die Blumen und die Wolken ...

      – Der Krieg ist zu Ende, und ich wußte kaum, daß Krieg war ...

      – Wie gut Sie gewesen sind! Sie müssen sehr weise sein hinter Ihrem Gesicht einer weißen Katze; allerdings sehen Sie auf dem Bild, das mir Doktor Gregory gab, nicht so aus ...

      – Heute bin ich nach Zürich gefahren, ein merkwürdiges Gefühl, wieder mal eine Stadt zu sehen.

      – Heute waren wir in Bern, es war so hübsch mit den Uhren.

      – Heute sind wir so hoch hinaufgekraxelt, daß wir Asphodill und Edelweiß gefunden haben ...

      Danach kamen die Briefe seltener, aber er beantwortete sie alle. In einem hieß es:

      Ich wünschte, jemand würde sich in mich verlieben, wie es die Jungen vor Jahren taten, bevor ich krank war. Doch ich glaube, es werden noch Jahre vergehen, ehe ich an so etwas denken kann.

      Aber als Dicks Antwort sich aus irgendeinem Grunde verzögerte, kam ein heftiger Ausbruch von Besorgnis – Besorgnis einer Liebenden: »Vielleicht habe ich Sie gelangweilt« und »Ich fürchte, ich bin zu weit gegangen« und »Nachts habe ich immerzu gedacht, Sie wären krank.«

      Tatsächlich war Dick an Influenza erkrankt. Als er genesen war, fiel alles außer der rein formalen Seite seiner Korrespondenz der darauffolgenden Mattigkeit zum Opfer, und kurz danach wurde die Erinnerung an die Briefschreiberin in den Hintergrund gedrängt durch die lebendige Gegenwart einer Telefonistin aus Wisconsin im Hauptquartier von Bar-sur-Aube. Sie hatte rote Lippen wie ein Gesicht auf einem Plakat und war in den Offiziersmessen obszönerweise unter dem Namen »das Schaltbrett« bekannt.

      Franz kam, durchdrungen von seiner eigenen Wichtigkeit, ins Büro zurück. Dick dachte, er würde wahrscheinlich ein guter Kliniker werden, denn der klangvolle oder abgerissene Tonfall, mit dem er Pflegepersonal wie auch Patienten in Zucht hielt, entsprang nicht seinem Nervensystem, sondern einer ungeheuren, aber harmlosen Eitelkeit. Seine wirklichen Gefühle waren geordneter, und er behielt sie für sich.

      »Nun zu dem Mädchen, Dick«, sagte er. »Natürlich will ich etwas über dich hören und dir von mir erzählen, aber zuerst zu dem Mädchen, weil ich schon so lange darauf gewartet habe, dir von ihr zu berichten.«

      Er suchte und fand in einer Kartothek ein Bündel Papiere, aber nachdem er sie schnell durchgesehen hatte, fand er, daß sie ihm im Wege waren, und legte sie auf seinen Schreibtisch. Statt dessen erzählte er Dick die Geschichte.

      Vor anderthalb Jahren etwa führte Doktor Dohmler einen etwas verworrenen Briefwechsel mit einem amerikanischen Herrn, der in Lausanne lebte, einem Herrn Devereux Warren von der Familie Warren aus Chicago. Eine Zusammenkunft wurde vereinbart, und eines Tages traf Herr Warren mit seiner Tochter Nicole, einem Mädchen von sechzehn Jahren, in der Klinik ein. Das Mädchen war offensichtlich krank, und die Krankenschwester, die mitgekommen war, machte mit ihr einen Spaziergang durch den Park, während Herr Warren den Arzt konsultierte.

      Warren war ein auffallend hübscher Mann, dem man seine vierzig Jahre nicht ansah. Er war in jeder Hinsicht ein guter amerikanischer Typ: groß, stattlich, gut gewachsen – »un homme très chic«, wie Doktor Dohmler ihn Franz beschrieb. Das Weiße seiner grauen Augen war von roten Äderchen durchzogen, vom Rudern auf dem Genfer See, und man sah seinem ganzen Gehaben an, daß er die Genüsse dieser Welt zu schätzen wußte. Die Unterhaltung wurde auf deutsch geführt, denn es stellte sich heraus, daß er in Göttingen zur Schule gegangen war. Er war nervös, und augenscheinlich ging ihm seine Mission sehr nahe.

      »Doktor Dohmler, meine Tochter ist gemütskrank. Ich habe unzählige Spezialisten befragt und Krankenschwestern für sie gehalten, und sie hat zwei Liegekuren gemacht, aber die Sache ist mir über den Kopf gewachsen, und man hat mir dringend empfohlen, mich an Sie zu wenden.«

      »Sehr schön«, sagte Doktor Dohmler. »Wie wäre es, wenn Sie mir alles von Anfang an erzählen würden.«

      »Einen Anfang gibt es gar nicht, zumindest hat es, soviel ich weiß, in der Familie auf beiden Seiten keine Geisteskrankheit gegeben. Nicoles Mutter starb, als das Kind elf Jahre alt war, und ich bin sozusagen Vater und Mutter in einer Person für sie gewesen, mit Hilfe von Erzieherinnen – Vater und Mutter in einer Person.«

      Er war sehr bewegt, als er das sagte. Doktor Dohmler sah, daß er Tränen in den Augen hatte, und bemerkte zum erstenmal, daß sein Atem nach Whisky roch.

      »Als Kind war sie ein entzückendes kleines Ding – jeder war hingerissen von ihr, jeder, der mit ihr in Berührung kam. Sie war schlank wie eine Gerte und vom Morgen bis zum Abend glücklich. Mit Vorliebe las sie oder zeichnete oder tanzte oder spielte Klavier – sie konnte alles mögliche. Oft hörte ich meine Frau sagen, sie sei das einzige von unseren Kindern, das niemals in der Nacht geschrien habe. Ich habe noch eine ältere Tochter, und da war noch ein Junge, der gestorben ist, aber Nicole war – Nicole war – Nicole –«

      Er hielt inne, und Doktor Dohmler half ihm.

      »Sie war ein ganz und gar normales, strahlendes, glückliches Kind.«

      »Ganz und gar.«

      Doktor Dohmler wartete. Herr Warren schüttelte den Kopf, stieß einen tiefen Seufzer aus, streifte Doktor Dohmler mit einem schnellen Blick und sah dann wieder zu Boden.

      »Ungefähr vor acht Monaten, vielleicht waren es auch sechs oder vielleicht zehn – ich versuche, es mir zu vergegenwärtigen, aber ich kann mich nicht genau entsinnen, wo wir waren, als sie begann, komische Dinge zu tun – verrückte Dinge. Ihre Schwester war der erste

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