Kunstgeschichtliche Darstellung des Domes zu Worms. Erik Schreiber

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Kunstgeschichtliche Darstellung des Domes zu Worms - Erik Schreiber historisches Deutschland

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grenzenden Gesichtern.

      Im Hintergrund erhebt sich in Relief das leere Kreuz des Heilandes, links und rechts die beiden Schächer, mit Stricken an das Kreuz gebunden. Meisterhaft und mit besonderem Fleiße ist die Anatomie des rechten Schächers ausgeführt und bewundernswert der ihn in den Händen zuckende Tod.

      Das ganze Bild ist umrahmt von lieblichen Engelsgestalten unter Baldachinen von Staunen erregender Feinheit und Schönheit der Arbeit. Durch gothisches Maßwerk verschlingen sich arabeskenartig in reicher Mannigfaltigkeit Aeste und Zweige, in der Keckheit der Ausführung fast an das Unmögliche grenzend.

      Ueberblicken wir auch ein Mal kurz das ganze Gemälde, von dem wir uns nur schwer trennen, so bietet uns das Ganze ein Bild des Schmerzes dar, und wie unvergleichlich ist dieser in all seinen Arten und Stufen dargestellt. Der Todesschmerz des Heilandes, der Schmerz des Mannes und des Jünglings, der Schmerz der Mutter, der Freundin, des Mädchens und selbst die Schmerzen der beiden Schächer am Kreuze: gewiß eine Aufgabe, deren Lösung, wie hier, nur einer ächten Künstlerseele gelingen konnte. – Das ganze Bildwerk hat eine Breite von 15 und eine Höhe von 18 Fuß.

      Treten wir nunmehr vor den Stammbaum Mariä, so ist der erste Eindruck der des Staunens ob der reichen und kunstvollen Darstellung. Jesse, der Stammvater des Hauses David, ruht wie träumend auf den Boden ausgestreckt, den Kopf auf die Hand gestützt. Aus seiner Seite tritt ein kräftiger Stamm hervor, der sich alsbald zu Aesten und Zweigen entfaltet. Der ganze Baum bildet eine große Arabeske, 15 Fuß breit und fast ebenso hoch. Die Aeste schwingen und biegen sich so schön und wohltuend, entwickeln einen solchen Reichthum der phantastievollen Formenwirkung, daß die Idee des Ganzen selbst als Zeichnung heute noch einen Schwarzmann zum Ruhme gereichen würde. Da ist Alles so zart, so schmiegsam, so harmonisch gedacht und dabei sind die einzelnen Windungen mit der unsäglichen Geduld vom Steine abgehoben und herausgearbeitet, daß unser Auge mit wahrem Wohlbewagen diesem schönen Spiele der Phantasie nachfolgt.

      Die einzelnen Zweige entfalten sich zu reichen, prachtvollen Blüthenkelchen, von denen jeder in halber Lebensgröße das Brustbild eines Ahnen des David’schen Königsgeschlechtes trägt, jeder Kopf neu gedacht, bedeckt mit einer Krone und in der Hand das Scepter. – In den Gipfeln des Baumes thront Maria in meisterhaft schöner und lieblicher Auffassung. Auf dem Schooße hält sie das Jesuskind, welches freudig nach einer ihm von der Mutter dargebotenen Traube greift.

      Zur linken Seite des Stammbaumes kniet als freie Statue der Bischof Johannes von Dalberg, der Stifter dieses Bildwerkes. Dalberg war einer der gebildetsten und gelehrtesten Bischöfe seiner Zeit (S. Zapf: Ueber Leben und Verdienste Joh. V. Dalberg), er war ein Freund des berühmten Abtes von Trittheim und Eitelwolff’s vom Stein, ebenso Vorsteher der von Conrad Celtes gestifteten Societas literaria Rhenana. – Obwohl als Portrait aufgefaßt, ist über das milde, geistvolle und hingebende Angesicht dieses Bischofes dennoch der Hauch der wahren Idealität ausgegossen. Seine Augen sind nach dem Bilde der h. Jungfrau gerichtet und hinter ihm steht der Apostel Petrus, ebenfalls nach Maria deutend. Diese Gruppe bezieht sich auf eine Tradition der Familie von Dalberg, wonach sie ihre Abstammung aus dem Hause Davids herleitet.

      Unter mehreren daselbst noch angebrachten Statuen verdient die des h. Hieronymus in Cardinalstracht wegen ihrer charaktervollen Auffassung besonders hervorgehoben zu werden.

      Ein dritte Tableaux stellt uns den englischen Gruß in lebensgroßen Figuren dar. Maria, auf einem Schemel knieend, ist eben im Gebete begriffen, als der Erzengel Gabriel zu ihr herniederschwebt, um ihr die frohe Botschaft zu verkünden. Besonders bewundernswerth ist die reiche, prachtvolle Gewandung des Engels, umflossen von einem schweren, reichgestickten Mantel. Die Darstellung der Köpfe ist jedoch noch ziemlich primitiv und zeigt uns das ausdruckslose Lächeln, welches der Beginn unserer Plastik charakterisirt. Dieses Bildwerk, aus dem Jahr 1485, scheint einen andern Meister als die übrigen in Rede stehenden zum Urheber zu haben.

      Ein viertes Bildwerk zeigt uns die Geburt Christi im Stalle zu Bethlehem. Es ist dieß ein vollständiges, in einen Rundbogen gespanntes perspektivisches Gemälde. Das Christkind liegt nackt am Boden auf einer Windel. Vor ihm kniet, mit aufgelöstem Haare und anliegender Gewandung, Maria, die Augen auf das Kind geheftet. Ihr gegenüber sitzt Joseph, eine meisterhafte Figur, bewundernswerth in Haltung und Gewandung. Die Gestalt kühn entworfen, ist voller Kraft und Leben. Ein schöner, edler, wir möchten sagen, christlich-classischer Kopf. Um die Schultern ist in reichen Falten ein Tuch geworfen, zusammengehalten von einer unübertrefflich gearbeiteten Hand, während die andere Hand das Beil trägt. Sind Maria und Joseph als Statuen gehalten, so erblicken wir übe die Mauren des Stalles hinweg ein von Lehmsteinen errichtetes und mit Stroh gedecktes Hirtenhaus in Haut-Relief. Ein Hirte und eine Hirtin blicken zum Fenster heraus, zwei erquickliche, schöne, lebensvolle Gestalten in der kleidsamen Bauerntracht des Mittelalters. Besonders anziehend ist das anmuthige Gesicht der Hirtin. – Weiter im Hintergrunde, fast tadellos perspektivisch geordnet, erblicken wir einen Berg mit Schloß und Thürmen. Ein Quell, über den ein Steg führt, rieselt den Hügel herab, auf welchem Schaafe weiden, während ein Hirte erstaunt die Gestalten der lobsingenden Engel vom Himmel herniederschweben sieht.

      Vorzüglich bemerkenswerth ist noch die Gestalt der Donatarin, welche rechts auf einem Piedestale kniet: eine gar liebliche Gestalt mit zierlich um die Stirne geschlungenem Haare und in so einfach schöner Tracht ihrer Zeit, daß wir, um auf einen Augenblick profan zu werden, schon, um deßwillen unseren Jungfrauen dieses fromme Mädchen oder Weib zur Beherzigung empfehlen möchten.

      Das letzte Bildwerk unseres Cyclus stellt die Auferstehung Christi dar. Es ist durchweg in Haut-Relief gehalten. Christus, das Kreuzpanier in der Hand, ist glorreich dem Grabe entstiegen. Der Körper, nur um Schultern und Lenden von einem reichen und schön gefalteten Tuche umwallt, erinnert lebhaft an griechische Auffassung, ist jedoch etwas allzu unbeweglich gehalten. – die schlafenden Wächter sind mit fast humoristischer Naturwahrheit ausgeführt. Während zwei derselben, noch in tiefen Schlafe versunken, die Köpfe niederhangen lassen, ist ein dritter eben erwacht, der schlaftrunken und höchst überrascht nach der Gestalt des Erlösers hinblickt. – Rechts am Grabe kniet Maria Magdalena in reichem, wallenden Gewande, mit der Salbbüchse in der Hand.

      Neben dem englischen Gruße finden wir noch mit vieler Kunstfertigkeit, den Grabstein eines Ritters von Heppenheim eingemauert, lebensgroß, vor einem Cruzifixe knieend und aus dem Jahre 1559 – aber im völligen Style der Rennaissance. Also noch nicht einmal ein Jahrhundert war vorrüber gezogen, seit die Kunst auf dem so herrlichen Wege ihrer Vollendung hinanwandelte, und welchen traurigen Abfall sehen wir bereits hier! Dort, wenn auch oft unbeholfen und linkisch, Alles vom erhebendsten Gefühle des Schönen Wahren beseel, - hier die Arroganz, die Lüge, die hohle Maske.

      Trotz der eifrigsten Nachforschungen vermochten wir bis jetzt nicht mit Bestimmtheit zu entdecken, wer die würdigen Meister dieser eben beobachteten Bildwerke gewesen waren. Kugler (S. deutsches Kunstbl. Jahrg. 1854 S. 41 und kleine Schriften, II. S. 736) bezeichnete diese Sculpturen als „Arbeiten einer ehrenwehrten Lokalschule, welche, der allgemeinen Richtung nach, zwischen den Nürnbergn A. Kraft und B. Stoß etwa die Mitte hält;“ ebenso findet er im Ausdruck der Köpfe Erinnerungen „an das Wesen der schwäbischen Malerschule.“ – Daß diese Bildhauerschule in Worms selbst ihren Sitz gehabt habe, scheint jedoch nicht angenommen werden zu können. Denn einmal stoßen wir nirgends auf weitere Spuren derartiger Bildwerke, und dann ist zu beachten, daß diese sämmtlichen Sculpturen in dem kurzen Zeitraume von drei Jahren entstanden sind. Es ist also viel wahrscheinlicher, daß Bischof Johannes von Dalberg zur Ausschmückung des Kreuzganges dies Künstler hat besonders kommen lassen. – Ein Monogramm ist nirgends zu entdecken. Nur die Grablegung zeigt uns am Arme des rechten Pharisäers die Buchstaben M. S. –

      Fast zur selben Zeit mit dem Kreuzgange (1486) ist das berühmte, leider spurlos verschwundene neue Rathaus auf dem Markte erbaut worden. Dieses wurde wegen seiner schönen Bildnereien von dem Meister Rivergelt viel bewundert und darunter besonders Kaiser Maximilian hervorgehoben, der in seinem ganzen Ornate auf dem Throne

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