Bedrohte Autorinnen. Johanne Jakobian
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Djuna Barnes
1892 bis 1982 in den USA und in Frankreich
Ich sehne mich danach, mich der Länge nach auszustrecken auf einer Couch und die Männer im Flur stöhnen zu hören, weil ich unpässlich bin. Ah, wie charmant! Ich lechze danach, mich der Kunst hinzugeben. Ich fühle mit meinem natürlichen, unverbildeten Instinkt, dass ich irgendeiner neuen Bewegung viel bedeuten könnte, vorausgesetzt, ich könnte mich ihr anschließen, ehe sie schon zu viel bewegt hat. Außerdem wünsche ich mir, ich hätte eine übersinnliche Wahrnehmungsgabe.
Wer beim Lesen nicht allein lächeln musste, sondern auch die Frau zu sehen meint, der solche Worte in den Mund gelegt wurden, sollte Barnes kennenlernen. Die berühmteste Unbekannte der Literatur im 20. Jahrhundert wird zwar in einem Atemzug mit Joyce, Hemingway, Eliot und anderen Pariser Amerikanern der 20er Jahre genannt, aber meist auf ihre Partner beiderlei Geschlechts reduziert. Die feministische Literaturwissenschaft stellte stattdessen Barnes' Familiengeschichte in den Vordergrund, deren schaurige Verstrickungen ans antike Drama erinnern.
In beiden Fällen erfährt man wenig von der Autorin, umso mehr von ihrer Biografie.
Warum sollen wir Barnes lesen? Ihr Thema ist: Was Familie bedeutet, was Liebende einander antun. Daran hat sie sich jahrzehntelang abgearbeitet. Einen Nebenstrang bildet die Gesellschaftssatire (s. o.). Da ist Barnes' Sprache voll unverbrauchter Bilder (und meisterhaft übersetzt). Ihre Figuren hinterlassen Widerhaken. Sie ist witzig, sie ist brillant, eine Meisterin skurrilen Humors.
Als wichtigstes Werk gilt ihr Roman Nightwood, deutsch: Nachtgewächs, dessen Entstehen T. S. Eliot begleitet und gefördert hat. Als Einstieg empfohlen: Aller et retour, in Nichts ist so wie es scheint, Fischer 1993. Über 10 Seiten und wenige Tage versucht eine vitale Mutter, die 17-jährige Tochter vor einem leblos-konventionellen Dasein zu bewahren. Frustriert reist sie ab. Ihr Resultat: "Herrje, wie überflüssig". Zur weiteren Recherche hier
Vicki Baum
1888 bis 1960 in Österreich, Deutschland und den USA
Menschen im Hotel, wer kennt sie nicht, die Muster-Schmonzette, die wir - Hand aufs Herz - alle verschlungen haben?
Baums Autobiografie Es war alles ganz anders ist vielleicht nicht wortwörtlich zu nehmen. Sie zeichnet aber ein lebendiges Bild von liebloser Kindheit und jüdischem Bürgertum in Wien. Wie ihre Zeitgenossin Colette lernte Baum, von Beruf Harfenistin, in der Ehe mit einem Journalisten, für Geld zu schreiben. Der große Erfolg kam nach dem Ersten Weltkrieg. Baums Romane enthielten genau die Inhalte, die einem großen Publikum an "Modernem" zumutbar waren. Sie wurde zur erfolgreichsten Berliner Autorin der 20-er Jahre. Um die Bühnenversion von Menschen im Hotel, den bekanntesten ihrer 32 Romane, zum Hollywood-Drehbuch umzuschreiben, ging Baum 1931 in die USA. Das Dritte Reich machte daraus ein lebenslanges Exil.
Warum sollten wir Baum lesen? Ich weiß, was ich wert bin; ich bin eine erstklassige Schriftstellerin zweiter Güte, sagt sie über sich. Ihre Inhalte sind zeitgebunden, was sonst. Von ihrer Technik und den virtuosen Plots können wir nur lernen.
Als Einstieg empfohlen:
Jape im Warenhaus
, in
Der Weihnachtskarpfen. Erzählungen
, Kiepenheuer & Witsch 1993. Rolf Hochhuth nahm diese Erzählung in den 50er-Jahren in seine Anthologie
Die großen meister. Die deutschen Erzähler des 20. Jahrhunderts
auf.
Zur weiteren Recherche
Tania Blixen
1885 bis 1962 in Dänemark und Kenia
Der Film Jenseits von Afrika hat den Namen Tania Blixen bekannter gemacht als ihr gleichnamiges, erstes Buch. Es entstand in Kenia, wo Blixen mit ihrem Mann, später mit einem Bruder, 17 Jahre als Kaffeefarmerin lebte. Geldmangel zwang sie zur Rückkehr in den wenig heimatlichen Schoß der Familie.
In Blixens Erstling findet sich bereits der Satz:
Das Gras war ich, die fernen unsichtbaren Berge waren ich, ich strich mit dem sanften Nachtwind durchs Dorngeäst.
Wer über solche Sätze nachdenkt, kommt nicht um die Worte Zauber und Rätsel herum. Bei Blixen wird Überkommenes ungültig, das Ich sich fremd. Es entdeckt sich in der Entgrenzung, die immer auch Flucht ist und nicht in eine andere, "wirkliche" Wirklichkeit führt. Es passt zu Tania Blixen, dass sie eigentlich Karen hieß und in der angelsächsischen Welt als Isak Dinesen bekannt ist.
Als Einstieg empfohlen: Alkmene, in: Wintergeschichten, btb 2013. In dieser Erzählung wird ein Kind von der sehnsüchtigen Elternliebe sozusagen aufgefressen. Wer das zu düster findet, liest Babettes Fest, in: Babettes Fest und andere Erzählungen, DVA 2006: Lose zusammenlaufende Handlungsfäden werden zum Glücksknoten für eine Nacht. Zur weiteren Recherche hier
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