Mord im Dorf. Ann Bexhill
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»Tantchen ist im Garten – sie sitzt Modell. Kaspermann malt erst sie und dann alle nacheinander wen er gerade erwischt und voilà fertig ist das Familienporträt.« Meine Tante besteht auf ein Familienporträt, koste es was es wolle und Kaspermann der junge Maler aus München, der sich bei uns seit drei Jahren zur Inspirationssuche befindet, hat die Angewohnheit exakt die Leute so zu malen, wie sie aussehen. Innerlich und äußerlich, erstaunlicherweise hat er trotzdem Kundschaft. Bettina seufzte schwer, beim dritten Seufzer fragte ich: »Was ist los?«
»Ach nichts«, sagte sie mit einem Augenaufschlag und einem tief aus einer leidenden Brust kommenden Seufzen. »Also? Los rede schon oder du machst den Text, Traktoren und eine blonde Gerda und die süße Heimat, müssen drin vorkommen!«
»Mein Vater«, sagte Bettina. »hat ihn aus dem Haus geworfen. Das ist so, als ob der Papst den Michelangelo Bunotti hinausgeworfen hätte, weil die Figuren an der Sixtischen Kapelle nicht richtig gekleidet sind.«
»Michelangelo Buonarroti Buoan nicht Buno und es ist die Sixtinische Kapelle. Und ich bezweifle, dass Felix Kaspermann die künstlerischen Fähigkeiten eines Meisters der Hochrenaissance besitzt. Warum hat er sich diesmal aufgeregt?«, fragte ich. »Weil er mich als Griechin malen wollte.« Bettina machte eine Pause, bevor sie weitersprach. »Es ist wirklich absurd – ich werde mir mein Laken einfach hier anlegen und mich im Pavillon malen lassen.«
»Nein, meine Beste so entzückend sie auch in einem hauchdünnen Bettlaken mit so hoffe ich doch nichts darunter aussehen mögen. Nicht, wenn Ihr Alter es verbietet.« Ihr Vater besaß die leidige Angewohnheit alle zu, verklagen und bedauerlicherweise genug Geld es sich auch zu, leisten. Wahrscheinlich würde er mir ein Prozess wegen Kuppelei anhängen und die Schlagzeilen in der Saarzeitung konnte ich mir schon vorstellen. Schlagerstar Robert Starck betreibt Bordell im Gartenschuppen, was wusste die SPD. War ja bald Wahlkampf. »Ach je.« Bettina seufzte. »Wie bieder hier alle sind. Wenn der Alte bloß endlich den Löffel abgeben würde. Geld hat er genug, ich könnte weggehen, nach Amerika und Fotomodell werden.« Ich unterließ es sie auf die Gefahren von schmierigen Produzenten, die sie groß rausbringen werden, zu, warnen. Sie gab sich naiv war es aber nicht. Ich merkte es daran, dass sie immer ihren Willen durchgesetzt bekam. »Ich weiß er ist ein Mistkerl aber Sie dürfen so etwas nicht sagen und nicht denken, Bettina.«
»Warum nicht? Jeder wünscht dem alten Geizhals den Tod, warum sollte ich die Ausnahme sein immerhin kenne ich ihn besser als Sie und habe viel mehr Grund ihm den Tod zu wünschen. Mich wundert nicht, dass meine Mutter und seine zweite Frau ihn verlassen haben. Ich frage mich, wann Anna seine Dritte endlich die Nase voll hat.« Ich fragte mich, ob Bettina doch noch den ganzen Nachmittag in meinem Arbeitszimmer verbringen würde und ob mein Konzert vor den Mitgliedern des Bauernverbandes, erfolgreich sein konnte wenn die einzigen neuen Stichpunkte zu meinen neuen Liedern auf meinem Schmierzettel. Gerda, Traktor, Hossa und wer, ermordet endlich Heribert lautete. »Haben Sie übrigens meine Handtasche gesehen?«, fragte sie stand auf drehte mir ihre entzückende Kehrseite zu und begann im Sesselpolster danach zu suchen. »Nein und ich glaube kaum das man eine Handtasche unter einem Sesselkissen übersehen würde.«
»Oh wie dumm. Ich weiß, dass ich sie irgendwo gelassen habe. Falls sie meine Tasche sehen darin ist mein Hut und im Hut sind meine Uhr und noch etwas Wichtiges. War nett mit ihnen zu plaudern Franz aber ich muss los will mir im Hoffmanns Kaufhaus irgendetwas anschauen.« Sie stand auf und schwirrte wie eine Episode mit dem Übersinnlichen hinaus, wobei sie mir zurief: »Sagen Sie dem Peter Bescheid, ein anderes Mal, was immer es war.« Ich sagte mechanisch, »Englisch«. Nachdem sie weg war, machte ich mich an die Arbeit. Das Fabrizieren von erfolgreichen Schlagern machte sich ja nicht von alleine. Meine Gedanken schweiften kurz vom Segen des Traktors hinüber zu der Frage, warum der Hauptsitz meiner Plattenfirma nicht im schönen Saarbrücken, sondern im eher grauen Elberfeld war. Dann dachte ich kurz über den Vizedirektor von Blondie Records nach der meine Aufführungen plante. Ein als Mensch verkleideter Hai namens Roger, der da ich seine erste erfolgreiche Entdeckung war, an mir hing und mich wie ein teures Sammlerstück behandelte. So wie den gelben Maserati, den er fuhr. Dann dachte ich über den Archäologen vom Landesdenkmalamt nach. Ein sehr sympathischer Mann namens Moeller Biedenkopf. Er hatte vor kurzem eines der Felder von Herrn Freitag beschlagnahmt und ließ seine Studenten etwas ausgraben und bewachen. Er wohnte bescheiden in unserem Gasthaus seine Studenten trotz Sturmwarnung vom Wetteramt in Zelten auf dem Acker. Ich konnte mir schadenfreudig vorstellen, dass in der Villa Freitag die Dinge nicht zum Besten standen. Er hatte ein weiteres Mal geheiratet eine Witwe, die wir aber so gut wie nie zu Gesicht bekamen. Ich vermutete, dass die Beziehungen zwischen ihr und ihm und Bettina nicht allzu angenehm war.
Die verdammte Uhr zeigte 5 Uhr an. Tantchen würde es mir Übelnehmen der Damenwelt nicht meine Aufwartung gemacht zu haben, sie war stolz auf mich, den Sänger wenig inspirierender Schlager, der vor jeden noch so zwergenhaften Verein singen musste. Aber ich konnte mich nicht beklagen, aus einer erfolglosen Rockband weg zu einer Schunckelkanone mutiert zu sein. Mein schmieriger Plattenboss sah mich 1965 bei einem unserer Konzerte in Saarbrücker Bierkneipen, Stücke von Elvis und Chuck Berry er sagte mir, das mit dem Rock könne ich völlig vergessen, ich sei eben nicht der Typ, aber als Schlagerstar bringe er mich groß raus. Ich stand auf und betrachtete das verschobene Sesselkissen, unter dem Bettina nach ihrer Handtasche gesucht hatte, das Dummerchen. Es wiederstrebte mir so ordnete ich das Kissen und fand eine kleine goldene Kette mit einem Kreuzanhänger in der Sesselritze. Ich fragte mich, wie sie das wohl wieder angestellt hatte, wie konnte man eine Halskette verlieren, deren Verschluss nicht beschädigt war? Ich steckte die Kette ein und würde sie ihr geben, wenn sie das nächste mal unangemeldet durch mein Arbeitszimmer platzte. Ich ging stirnrunzelnd über die Jugend von heute ins Wohnzimmer. Mehrere Damen im besten Alter waren in der guten Stube am gedeckten Tisch bei Kuchen und Kaffee versammelt. Agatha saß hinter dem Teetisch und versuchte nett auszusehen, wirkte aber wie eine Despotin deren Huld jeden Moment umschlagen konnte. Ich schüttelte allen die Hand und setzte mich. Frau von Leyster unsere direkte Nachbarin ist eine weißhaarige alte Dame mit freundlichem, einnehmendem Skalpell scharfen Verstand, Frau Stein eine Mischung aus Einfalt und Tücke. »Gerade haben wir«, sagte Agatha mit schmeichlerischer Stimme, »über Dr. Moeller Biedenkopf und Frau Braun geredet.« Frau Stein sagte knapp: »Kein anständiges Mädchen würde es tun«, und kniff die dünnen Lippen zusammen. »Was tun?«, fragte ich hatte man sie etwa in flagranti auf dem Acker erwischt. »Was tun? Als Sekretärin für einen unverheirateten Mann arbeiten natürlich«, sagte Frau Stein empört. »Oh, meine Liebe«, sagte Frau von Leyster, »ich glaube, die verheirateten sind die schlimmsten. Denken Sie an die arme Gertrude aus Gerstendorf.« Ich nahm mir ein Stück Kuchen und Tantchen goss mir wohlgesonnen eine Tasse Kaffee ein. »Verheiratete Männer, die von ihren Frauen getrennt leben müssen, sind natürlich die schlimmsten wegen der männlichen Bedürfnisse«, erklärte Frau Stein lüstern und sah mich scharf an. Ich unterbrach sie, »Heutzutage kann doch ein unverheiratetes Mädchen genauso eine Stelle als Sekretärin annehmen wie ein Mann.« Frau Stein und Tante lachten. »Und im selben Hotel wohnen?«, fragte Frau Arnold streng. Frau Stein murmelte leise Frau von Leyster zu: »Und alle Zimmer sind im gleichen Geschoss.« Frau Heinze, der Tod durch langen Monolog, erklärte laut und entschlossen: »Der arme Mann wird eingebracht wie der Fisch am Haken. Bevor er noch weiß, wo er ist, hat er den Köder geschluckt und den Ring am Finger. Frau Braun ist nicht so unschuldig, wie man daran sehen kann, dass sie Zigaretten raucht und zu schnell Automobil fährt.« Die Damen schüttelten den Kopf. »Unappetitlich dasselbe Hotel es zeugt von frivoler Moral. Bei einem Mann dazu einem der nach Knochen buddelt wie ein Hund kann man ja nichts anderes erwarten«, äußerte Frau Heinze mit ihrer üblichen Taktlosigkeit. »Das Mädchen ist mindestens fünfundzwanzig Jahre jünger als der Doktor, sich ins gemachte Nest setzen nenne ich das«, sagte Frau Stein, den Mund fest zusammengepresst. Frau von Leyster blinzelte Tantchen Agatha zu. »Glauben Sie nicht«, sagte sie, »dass Frau Braun nur einfach eine Arbeit braucht, die anständig bezahlt wird?« Tantchen berührte Frau von Leysters Arm und sagte: »Meine Liebe, Sie sind sehr behütet aufgewachsen auf ihrem Landgut in Pommern.