Tag und Nacht. Helmut Lauschke

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Tag und Nacht - Helmut Lauschke

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Gräben, Schneisen, Schächte, die nicht zu übersehen sind. Es ist eine Binsenwahrheit, dass sich die Sprache in sich selbst wegstürzt, wenn es mit dem Leben nicht mehr stimmt. Nicht anders ist es mit dem Begriff ‘Heimat’, der seine Flecken und Löcher dann bekommt, wenn die Sprache heimatlos und die eines Emigranten wird. Da werden Zusammenhänge mit Kürzeln und der Bildsprache zugedeckt, weil die Worte im Kopf und auf der Zunge, wie sie in der Kindheit und Jugend gesprochen wurden, nicht mehr gesagt werden können, ohne die abgerichteten Hunde der Diktatur an den Hals zu bekommen.

      Wenn der Ernst, der tödliche, im bunten Gewand des Clowns daherkommt, der seine Späße zum Besten gibt, dann ist meist die Endphase erreicht. Die Sprache des zweiten Bodens kommt zum Tragen, wenn vom ‘Kartoffelputzer’ auf dem Diamantenfeld die Rede ist. Verbales Funkeln zündet keinen Blitz, und ein Blitz macht keinen Trompetendonner, der furchtbar dröhnen und rollen soll, damit der Sturzregen einsetzt, um das Ungeziefer zu ertränken, die Luft klar und den Weg frei zu machen für das, was für die Menschen nützlich ist. Wenn hier von den Menschen die Rede ist, dann sind es jene, die hilf- und wehrlos, die verletzt und krank sind. Es sind die Menschen mit den ‘leeren’ Händen, die verbraucht und schwach geworden sind, um aus der Tiefe des Elends und der Armut herauszukommen.

      Der Schwarze musste sich von dem Gedanken befreien, dass es für ihn und seine Familie jemals ein Leben geben würde, in dem es die Sicherheit und Chancen des Aufstiegs und die Aussichten auf eine lebenswerte Zukunft für seine Kinder gab. An einen bescheidenen Wohlstand sollte er erst gar nicht denken, das sollte er sich gründlich aus dem Kopf schlagen. Er war nicht in diese Welt geboren, um so etwas erwarten zu können, weil das dem europäischen Denken nicht entsprach. Das schon nicht, als die europäischen Mächte 1884 in Berlin den Plan der Aufteilung und Kolonisierung Afrikas fassten.

      Dass der Herrschaftsgeist, der mit der Zerstörung afrikanischer Traditionen einherging, sich tief in die Hirnwindungen der weißen Köpfe eingegraben hatte, konnte deshalb nicht verwundern. Dass die Herrschsucht die Köpfe aber bis zum Wahnsinn trieb und noch nach dem Ableben in den von Alzheimer geschrumpften Windungen neben anderweitigen Verkalkungen nachweisbar war, das ging dann doch zu weit. So war die Macht-Parabel des weißen Mannes vom Beginn bis zum Ende ein Musterbeispiel für den Kreis, wo Bildung und Einbildung als zwei Punkte auf dem Kreisumfang einander hinterherjagten, sich aber nie berührten und in der ersten Differentialgleichung zum Nichts verschwanden. In einer solchen Parabel muss die Sprache der Vernunft noch gesucht werden. So schüttelte ich am Ende eines Gespräches mit dem weißen, noch zivilen Superintendenten den Kopf und stellte ihm die Frage: “Was hilft es den Schwarzen, die sich auf eine Ewigkeit ohne Hoffnung einzustellen haben?”

      Das Wissen vom Frieden war auch in Afrika vorangekommen. Global war das Wissen so immens, dass es sich in seiner Fülle kaum noch abfragen ließ. Die Friedenswissenschaften gab es in Büchern gedruckt, die sich in den Bibliotheken bis an die Decke stapelten, dass vom Frieden nichts mehr zu sehen war. Da erhärtete sich aus der Diskrepanz von Theorie und Praxis der Verdacht, dass die Friedensforscher Zwillingsbrüder der Politiker sind, da beide viel über den Frieden reden, aber solange die Erinnerung reicht, das Wort nicht halten, wenn es um die Wortumsetzung in die Praxis geht. Es wäre recht und teuer, diese Zwillingsbrüder für die Zerstörung von Mensch und Kultur haftbar zu machen, die sie mit ihrem Wortsalat angezettelt und auch angerichtet haben. Wie die Politiker sind die Friedensforscher so gut gekleidete Damen und Herren, dass man ihnen irgendwelche handwerklichen Geschicklichkeiten nicht unterstellen möchte, sei es mit dem Nagel in die Wand, dem Kleinhacken von Holz oder den gärtnerischen Tätigkeiten wie dem Umgraben mit dem Spaten.

      Kollegen versicherten sich der Übelkeit, wenn sie die Luftredner beim Wort nahmen, weil sie wissen, wie schäbig Großmäuler sich zu Hause aufführen. Worte wie ‘Anstand’, ‘Arbeit’, ‘Wahrheit’ und ‘Würde’ wurden zwar von den Banausen in den Mund genommen, doch mehr, um darauf wie auf einem Kaugummi herumzukauen. Später spuckten sie das Kleingekaute aus, dass mit dem Ausgespuckten auch die Schalenstücke der großen Dinge auf dem Boden lagen.

      Freunde äußerten beim Glas Rotwein, dass sie sich vorstellen können, dass die gut dotierten Stellen in den Laboratorien der Friedensforschung von diesen Typen besetzt werden, die menschlich gesehen dem feigen Pack und arbeitsscheuen Gesindel, als auch den Verrückten des Geltungswahnsinns angehören. Sie sind aufs Geld aus und lassen sich für das Leben im Luxus gut bezahlen. Sie bedienen sich frei auf dem Markt der Meinungen und handeln unter der Hand mit dem Markenzeichen der beschränkten Haftung. Ihnen schwebt die Namensvergrößerung vor, die in die Friedensforschung einzugehen hat. Dabei wissen sie sehr wohl, dass deshalb der Frieden auch nicht kommt. Friedensforscher und Friedensredner sind für Preise und Preisungen jeglicher Art empfänglich, dass die Frage, ob sie denn immun gegen Korruption sind, durchaus berechtigt ist. Ihnen schwebt dagegen weniger oder gar nicht vor, für den Frieden mit dem Spaten oder mit dem Minensucher in der Hand zu arbeiten und dem Frieden durch Mut, Einsatz und Fleiß zu dienen. So weit geht ihre Liebe und ihr Verständnis zum Frieden nicht.

      Die Freunde blätterten in der Erinnerung und sahen die Gurus und Seher, die pharisäischen Schriftgelehrten und Künder des Friedens. Sie alle sind feige und falsch, weil sie das bessere Leben für sich im Auge haben und auch nehmen, das sie nicht vertauschen wollen. Sie hören die Gelehrten der Theologie und Philosophie und folgen den analytischen Galbelsuchern bei der Arbeit, wie sie die Speicher der Computer durchwühlen, putative Puzzles schmeißen, kodierte Detektoren und andere Filter über den Turm überschichteter “Windows” setzen und mit dem elektronischen Fummelzeug dazwischenfahren und herummengen. Sie machen Striche, Kreise und Spiralen auf dem Bildschirm, drehen nach links und kurven nach rechts, rasen runter und wieder rauf, dass die “Windows” nur so zucken. Sie kreisen ein und nennen es Ziel, als würde der Mensch als großer Friedensstifter im nächsten Moment mit der Festplatte in der Hand aus dem Turm steigen. Die Gabelsucher in den vollen Datenspeichern mit den eingebauten “burglar bars” geben sich da schon mehr Mühe, weil es ohne Mühe für sie nichts gibt. Nur bleibt ihnen der Zugang zum Frieden verwehrt. Der Frieden ist nicht auffindbar. Darin sind sich die Gelehrten einig, ob Künder oder Seher des Intuitiven, ob Forscher oder Redner mit der beschränkten Haftung in den Labor-Hochhäusern der organischen und anorganischen Friedensanalyse oder die noch rumfuhrwerkenden Gabelsucher mit der aufgesteckten Suchfilter-Elektronik.

      Der Absicht folgt so der Zweifel, doch soll der Absicht das Gute nicht abgesprochen werden, dafür läuft die Geschichte mit dem ausbleibenden Frieden zu lange. Darin unterscheidet sich Oshakati mit dem heruntergekommenen Hospital nicht vom angestrahlten Luxus in Vancouver, Monte Carlo oder woanders an der Côte d’Azur. Dass hochkarätige Leute an die angolanische Grenze gereist kamen, hatte seine Gründe. Denn an dieser Grenze muss der Krieg mit der wahnsinnigen Verminung in der Hinterhältigkeit des Tötens gestoppt werden. Es sind die afrikanischen Stellvertreter der Supermächte in der globalen Ost-West-Eskalation, die Angola so gründlich zerstört haben. Die Waffen für die Megazerstörung werden mit Rohöl an den Osten und mit rohen Diamanten an den Westen bezahlt. Dabei werden der Bevölkerung unsägliche Opfer abverlangt.

      Das konnten die Kundigen, die Künder und die Gelehrten aus den Fenstern des Busses auf der zweihundert Kilometer langen Fahrt von Oshivelo, der bewachten Zufahrt in die Kriegszone, sehen, als sie im Konvoi der gepanzerten Casspirsfuhren. Auf dieser Fahrt konnten sie die Not um den Frieden durch das Fenster betrachten, was sie auf der Fahrt nach Monte Carlo so nicht konnten. Im ‘International Guesthouse’ über den Frieden nachzudenken, war eine historische Chance für die Teilnehmer des Symposiums wie für die Menschen, die vom Straßenrand den Bus kommen, vor ihren Augen vorbeifahren und wieder wegfahren sahen. Das Symposium um den Frieden mit den seherisch Wissenden und den wissenschaftlich Suchenden war nach zwei Tagen zu Ende, ohne dass Seher und Gelehrte sich in puncto Frieden nähergekommen waren und die wartenden Menschen draußen ihre Hoffnungen aus den teuren Friedensbemühungen knüpfen konnten.

      Die Zusammenfassung des Zusammengefassten lautete: “Wir wissen viel, vielleicht zu viel, doch was Frieden ist, das wissen wir nicht.”

      Den

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