Die weitere Geschichte des Rauhen Hauses nach Wichern bis Wegeleben. Jürgen Ruszkowski
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Die Tätigkeit als Direktor endete mit Riehms Kündigung am 18. April 1872. Dem vorausgegangen waren Anschuldigungen Wicherns in fachlichen und disziplinarischen Dingen, die größtenteils unbegründet waren. Wichern wollte damit vermutlich nur erreichen, dass sein Sohn Johannes Wichern anstelle von Rhiem auf ihn selbst als Leiter der Einrichtung folgte. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses hielt Wichern fest, dass Rhiem ihm „mit einer seltenen Treue und Hingabe geholfen“ habe.
Rhiem zog nach Köthen, wo er ab 1872 als Pastor arbeitete. Von 1878 bis kurz vor seinem Tod übernahm er die Landpfarrstelle in Kleinmühlingen. Während dieser Zeit pflegte er weiterhin Kontakte zum Rauhen Haus und reiste kurz vor seinem Tod zu einer Konferenz der Herbergsväter. In den letzten Lebensjahren leitete er ehrenamtlich als „Verbandsvorsteher“ für Rheinland und Westfalen eine neue Organisation, die Mitglieder der Rauh’häusler Bruderschaft außerhalb Hamburgs betreute.
Der Hamburger Senat benannte 1914 die Straße am östlichen Rande des Stiftungsgeländes den Riehmsweg in Hamburg-Horn nach Theodor Rhiem.
D. Johannes Wichern
https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Wichern
D. Johannes Wichern, geboren am 23.09.1845 – Sohn von Johann Hinrich Wichern, verstorben am 8.09.1914, zweiter Vorsteher des Rauhen Hauses.
Johannes Wichern studierte Theologie in Halle (Saale), Tübingen und Berlin, leitete einige Zeit die deutsche Schule auf dem Kapitol in Rom, wurde Domhilfsprediger in Berlin und am 1. April 1873 als Nachfolger seines Vaters, Johann Hinrich Wichern, Direktor des Rauhen Hauses.
Johannes Wichern im Kreise seiner Mitarbeiter
Die 1886 zuerst von ihm geleiteten Informationskurse für Theologen über die verschiedenen Gebiete der Inneren Mission wurden in den meisten preußischen Provinzen ständige Einrichtungen. Im gleichen Jahr gründete er im Auftrag des Zentralkomitees der deutschen Vereine vom Roten Kreuz die „Genossenschaft freiwilliger Krankenpfleger im Kriege“. Als er die Leitung des Rauhen Hauses aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste, ließ er sich in Bad Kösen nieder, wo er sich besonders für die 1892 gegründete Diakonissenstation einsetzte.
Wichern junior erreichte jedoch nicht das überragende Format seines Vaters. Sein Wirken blieb auf das Rauhe Haus begrenzt.
Das Rauhe Haus wurde ja von Menschen geprägt, und diese Menschen waren immer eingebettet in den jeweiligen Zeitgeist. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts beherrschte nach dem Krieg von 1870-71 und der anschließenden Reichsgründung der preußisch-patriotische Geist die deutsche Gesellschaft. Alles Militärische hatte einen hohen Stellenwert. Wenn die Rauhhäusler Jungen unter Johannes Wichern zum Beispiel fleißig exerzierten und auch den Parademarsch übten, so stößt das bei uns heute nach dem Erlebnis zweier verlorener Weltkriege auf Unverständnis. Aber das war damals eben der Zeitgeist. Hier eine Kostprobe der patriotisch-militärischen Denkweise jener Zeit aus der Feder des Vorstehers Johannes Wichern:
...Und als nun die jugendfrische Schar mit wehender Fahne und klingendem Spiel im tadellosen Parademarsch vorüberzog, da folgte D. (Johann Hinrich) Wichern, der selbst nur in seinem Rollstuhl, geleitet von seiner treuen Pflegerin, unser alten Mutter, der Feier beiwohnen konnte, leuchtenden Auges ihren Bewegungen, und manches Auge wurde feucht, als der greise Vater den jugendlichen Heerführer in seine Arme zog und küsste.
Johann Conrad Drojewsky – Stadtmissionar in Bremen
Auf den folgenden Seiten ein interessantes, von Johannes Wichern unterzeichnetes Zeugnis aus dem Jahre 1882 über Johann Conrad Drojewsky – Stadtmissionar in Bremen – geboren am 6.06.1857 – Eintritt am 11.10.1879 – Einsegnung am 1.08.1882 – verstorben am 18.02.1935.
In lesbare Schrift übersetzt:
Entlassungs=Zeugniß
für
Johann Conrad Drojewsky
bisherigen Zögling der Brüderanstalt des Rauhen Hauses
Johannes Conrad Drojewsky, geboren den 6. Mai 1857 zu Dirschau, Pr. Preussen, ist am 11. Oktober 1879 in die Brüderanstalt des Rauhen Hauses eingetreten.
Derselbe hat während seines fünfjährigen Aufenthaltes an dem praktischen und theoretischen Unterreicht der Brüderanstalt Theil genommen und sich im Lesen der apostolischen Briefe, im Katechismus und neuen Testament sehr gute, im alten Testament, in Literaturgeschichte, Pädagogik, Gesang, Geografie, Physik und Naturgeschichte gute, in Grammatik, Aufsatz, Geschichte, Rechnen und Geigen genügende bis befriedigende Kenntnisse und Fertigkeiten erworben. Im letzten Jahre seines Hierseins unterrichtete er die II. Knabenklasse in Naturgeschichte und die III. im Rechnen und zuletzt auch in der biblischen Geschichte. Er war längere Zeit hindurch Assistent in einer unserer Knabenfamilien im Pensionat. Ferner hat er 2 Jahre unsere Tischlerwerkstatt mit Geschick geleitet.
In den genannten Thätigkeiten hat Br. Drojewsky stets mit großer Treue, Selbstverleugnung und Umsicht gearbeitet, so daß er sich unserer aller Zufriedenheit erworben hat. Er verläßt nun unsere Anstalt, um dem Rufe als Stadtmissionar nach Hamburg (Borgfelde) Folge zu leisten. Der Herr geleite ihn in Gnade mit Segen.
Zur Beglaubigung füge ich das Siegel des Rauhen Hauses hinzu und bemerke ausdrücklich, daß dies Zeugniß nur so lange Werth und Gültigkeit haben soll, als Br. Drojewsky sich in dem oben genannten Dienst als Stadtmissionar in Hamburg (Borgfelde) als Bruder des Rauhen Hauses befindet, dass aber die Gültigkeit dieses Zeugnisses erloschen sein soll, wenn es nach dem etwaigen Abgange des gedachten Bruders von dort nicht ausdrücklich bestätigt worden ist, sei es durch unmittelbare Unterschrift unter dies Zeugnis oder durch ein mit gleichem Siegel versehenes Schriftstück des Vorstehers der Brüderanstalt des Rauhen Hauses.
Horn bei Hamburg Am 1.ten August 1882
Der Vorsteher derBrüderanstalt des Rauhen Hauses
J.Wichern
Daten zur weiteren Geschichte des Rauhen Hauses
1896 4.02. – Die Oberschulbehörde überträgt Herrn von Dameck die Leitung