Alles über Jesus. Eckhard Lange

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Alles über Jesus - Eckhard Lange Religionsgeschichtliche Essays

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also mußte man auf Bethlehem zurückgreifen. Schließlich ging es um den Messias Israels, und der gehörte nun einmal zur Nachkommenschaft des großen David.

      Und Träume, Engelserscheinungen, der berühmte Stern von Bethlehem – wenn es hier um den Christus, den Menschensohn der Endzeit ging, dann gehörte das alles hinein in eine Geschichte, die von seiner Geburt erzählt.

      Aber war er nicht auch Gottessohn? Das machte den ersten Christen schon Kopfzerbrechen, wollte man nicht diese heidnischen Legenden kopieren – schließlich war der Ewige, Jenseitige, von dem man sich kein Bild machen durfte und dessen Namen man nicht einmal auszusprechen wagte, nicht wie Zeus oder Baal und all diese lüsternen Gottheiten. Und doch – irgendwie war eben auch der Christus mehr als bloß Mensch, war er Sohn seines himmlischen Vaters statt nur Geschöpf des Schöpfers wie du und ich.

      Und seine Gefährdung war doch auch mit Händen zu greifen, wenn schon Mose in seinem Körbchen so wunderbar gerettet wurde trotz der Befehle des Pharao. Der König Herodes mit seinem mörderischen Umgang mit dem eigenen Nachwuchs bot da einfach eine Steilvorlage – mochte er vielleicht auch schon tot sein, als Maria ihren Sohn zur Welt brachte. Das Datum ist ja leider nicht bekannt.

      Übrigens war das alles keineswegs unumstritten unter den Theologen der frühen Kirche. Weder Paulus noch Markus, die ältesten Autoren im Neuen Testament, erwähnen eine Geburt aus der Jungfrau. Für Paulus etwa ist Jesus, der Davidssohn „nach dem Fleisch“ erst durch seine Auferstehung zum Gottessohn geworden (Römer 1,4). Der irdische Jesus dagegen ist ganz und gar Mensch, „von einem Weib geboren“ (Gal. 4,4) – und nicht von einer Jungfrau! Bei Markus beginnt der Bericht über Jesus mit seiner Taufe als erwachsener Mann, und erst dort empfängt er den Geist Gottes und seine Einsetzung zum Sohn des himmlischen Vaters. (Markus 1,10-11). Das ist nahezu die gleiche Formulierung, mit der viele Könige im Altertum ihre Nachfolger nominierten.

      2.

      Haben wir nun alles zerstört, was doch fromme Gemüter so anrührt? Haben wir nicht nur die Weihnachtsromantik entzaubert, sondern auch den Glauben erschüttert, der doch den eingeborenen Sohn des Vaters, die Jungfräulichkeit seiner Mutter bekennt und die Empfängnis durch den heiligen Geist? Was bleibt uns noch, wenn das alles nur Legenden sind, was Lukas und Matthäus uns da hingeschrieben haben?

      Es bleiben – ja, eben die Legenden. Denn sie wollen ja keine bloßen Fakten referieren, sie haben ihre eigene Botschaft. Wir, die Wissenschaftsgläubigen, die Kritiker und Kritikaster, müssen erst wieder lernen, darauf zu achten, hinzuhören, diese verborgene Botschaft zu entschlüsseln, um die Wahrheit hinter den Bildern aufzuspüren. Und was ist nun diese Wahrheit?

      Es bleibt als erstes die Erkenntnis, daß Gott nicht „von oben her“ eingreift, um seine Welt zu retten, sondern „ganz unten“ beginnt: Wer damals den Messias erwartete – also den König der Endzeit aus dem Geschlecht Davids – der sah ihn als Herrscher, als Befreier. Der Futtertrog in der Herberge war zwar durchaus eine gute Notlösung, aber er bezeichnete doch einen Ort, der eines Königskindes unwürdig war. Er gehörte in die Arbeitswelt statt in eine Feierwelt; er war den kleinen Leuten zugeordnet.

      Und wer damals mehr auf jenen apokalyptischen Menschensohn setzte, von dem (nicht nur) der Verfasser des Danielbuches träumte, der erwartete dessen Ankunft auch direkt vom Himmel herab als Weltenrichter im Auftrag Gottes. Da passte eine Geburt im Viehstall auch nicht gerade.

      Es ist also dieses Eintauchen des von Gott Gesandten in unsere Alltagswelt, diese Nähe des Göttlichen zum Allzumenschlichen, diese Solidarisierung mit den „Armen und Elenden“, die hier verkündet wird. Und es ist der unübersehbare Hinweis darauf, daß jener Mann, dessen Geburt hier geschildert wird, einmal derjenige sein wird, der das qualvolle Sterben am Kreuz auf sich nimmt, um auch das Leiden des Menschen zu teilen.

      Das zweite, was unübersehbar bleibt: Dieses Nebeneinander von Engeln und Hirten. Was uns inzwischen selbstverständlich erscheint, war den Lesern, an die sich Lukas wandte, wohl eher aufregend, unwahrscheinlich, vielleicht sogar ärgerlich. Gottes Boten kommen zu den Lieblingen Gottes, zu Auserwählten, Begnadeten. Und das waren diese Hirten nun weiß Gott nicht. Nein, sie waren damals keine stolzen Herdenbesitzer mehr, Nomadenfürsten wie Abraham oder angesehene Männer wie Isai, der Vater Davids, Abbild noch für einen fürsorglichen Gott wie in Psalm 23.

      Hirten waren „Mietlinge“, wie es einmal im Johannesevangelium heißt, Lohnarbeiter auf der untersten Stufe der Skala von Berufen. Ihre Leistungen ließen sich schwer messen, also mussten sie die Verluste in einer Herde selbst ersetzen. Ihre Aussagen ließen sich selten genug nachprüfen, also untersagte man ihnen, als Zeugen vor Gericht zu erscheinen. Ihr Leben am Rande der Steppe war zugleich ein Dasein am Rande der Gesellschaft, die sie verachtete. Hirten war oft genug verkrachte Existenzen, die man nicht als brave Knechte auf dem Hof haben wollte. Und das zu Recht.

      Und sie sollten nun jene Engelsbotschaft empfangen und weitergeben, sie, denen doch niemand glauben würde? Es ist diese revolutionäre Umkehr der Werte, diese Hinwendung zu denen, die nicht nur Parias waren, sondern diesen Ruf auch verdienten, die uns Lukas verkündet. Und hat sich denn der Mann aus Nazareth später anders verhalten?

      3.

      Aber da ist noch jene andere Geburtsgeschichte, die Matthäus erzählt. Hier ist aus der schlichten Legende dann ja auch bald ein ganzes Sammelsurium von Legenden geworden, ein wenig tausendundeine Nacht, ein wenig Politkrimi. Da wurden aus den Magiern im fernen Zweistromland dann später sagenhaft reiche Könige, namentlich bekannt und gleich ganzen Erdteilen zugeordnet.

      Dabei hat auch diese Legende eine Botschaft, die Matthäus seinen Lesern aus dem Judentum weitersagen möchte: Haben nicht die Propheten Israels davon geträumt, daß einmal die Völker aus allen Enden aufbrechen werden, um Gott auf seinem heiligen Berg Zion anzubeten, um von dort Weisung zu empfangen und so zum Frieden zu finden? Wenn schon nicht gleich die Völker kommen, so doch diese Männer, stellvertretend und symbolträchtig mit ihren Gaben. Daß Josef und Maria für Matthäus ihren ständigen Wohnsitz in Bethlehem hatten (wo sie als Mitglieder der Davids-Sippe ja auch hingehörten) und nicht in Galiläa, zeigt uns noch einmal, wie unterschiedlich – und auch unvereinbar – vieles an diesen Geschichten war und ist.

      Matthäus möchte deshalb auch gerne nachweisen, daß sein Messias tatsächlich aus dem Geschlecht Davids war. Aber all die Mühe, die er – wie übrigens auch Lukas – auf die Ahnentafel Jesu verwendet hat, scheitert am Ende: Denn sie landet bei Josef, doch der sollte und durfte ja nicht Vater sein, wenn Maria jungfräulich den Sohn zur Welt bringen muß. Jungfrauensohn oder Davidssohn – beides geht nicht. Da hätte man sich eigentlich entscheiden müssen. Hat man aber nicht. Doch vielleicht ist das ja auch erst ein Problem für den modernen fantasielosen Verstandesmenschen.

      Und dennoch – der biedere Josef als frommer, gehorsamer Ziehvater wurde nun selbst zur Legende und landete nicht nur als bescheidener Mann im Hintergrund auf zahllosen Gemälden, sondern letztlich dann auch mit Schlapphut und Wanderstab in unseren Krippenspielen. Und die Päpste setzten noch eins drauf: Der fromme Zimmermann galt ihnen als Antipode zu den ungläubigen Kommunisten, und seit 1955 darf er den 1. Mai für sich beanspruchen als Tag der Verehrung, nun ganz offiziell zu „Josef dem Werktätigen“ ernannt. Ob die Gewerkschaften es Pius XII danken?

      Doch wischen wir all das beiseite, was der schlichten Schönheit jener Geburtslegenden nur geschadet hat, dann bleibt dennoch viel – bleiben die verborgenen Botschaften, zu denen gerade Geschichten fähig sind. Lassen wir also die Historiker streiten und die Kritiker mäkeln – Legenden haben einen Sinn, eine Aufgabe, eine Wahrheit, die jenseits des Faktischen liegt und dennoch genauso wahr und wichtig ist. Wir müssen Weihnachten nicht abschaffen, wir müssen es nur neu

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