Das Veteranentreffen. Peter Schmidt

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Das Veteranentreffen - Peter Schmidt

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begnügt, das hier üblich gewesen wäre, sondern ein langes Büfett auffahren lassen.

      Vor den Pfannen und Töpfen spielten sich Szenen ab, die lebhaft an das Gedränge auf dem Jahrmarkt oder beim Schlussverkauf erinnerten.

      Eine bekannte Stimme rief mir zu:

      „Sander … die gebratenen Champignons, exzellent …“‚ doch ehe ich mehr als den Rücken und Ausschnitt seiner Schulter wahrnehmen konnte, verlor ich ihn wieder aus den Augen, weil mir jemand den Ausgießer einer eisernen Kaffeekanne in die Seite rammte.

      Ich entschloss mich, das Tohuwabohu lieber aus der sicheren Deckung des Säulenrundgangs zu beobachten. Dort waren zwei Türen mit der Aufschrift ‚Notausgang’.

      Eine unbestimmte Furcht, die ich immer beim Anblick eines so unkontrollierbaren Haufens von Wirrköpfen empfinde, sagte mir, dass, wenn jetzt ein Feuer ausbräche, die Hälfte aller Frühstücksgäste zu Tode getrampelt würde.

      Die Gaskocher unter den Töpfen und Schalen sahen nicht so aus, als hätten sie seit Kaiser Wilhelms Zeiten jemals die Gnade irgendeiner Wartung oder Pflege erhalten. Außerdem war mir beim Anblick des Gedränges der Appetit vergangen.

      Aschs Rede, als das Klappern der Tassen und Teller nach dem endlosen Zug der Lemminge halbwegs verstummt war, mutete ein wenig an wie die Beschwörungen und düsteren Zukunftsvisionen eines frühchristlichen Propheten. Ich wusste, worauf er hinauswollte, aber sein Anliegen bekam durch das neue, ungewohnte Gewand seiner Worte unverhofften Glanz. Ich glaube, niemand hatte gewusst, dass er ein so begabter Redner war. Er begann taktisch klug mit einem Exkurs über die Langeweile. Kein Krebs, kein Herzleiden sei von so schleichender, zerstörerischer Heimtücke wie ein Leben ohne Aufgabe. Das beifällige Gemurmel, das sich über den von satter Müdigkeit gezeichneten Gesichtern erhob, zeigte an, dass er einen Nerv getroffen haben musste.

      „Die Teilhabe“, rief er, „die Teilhabe an allem, was uns politisch angeht – ist das etwa eine vermessene Forderung, Freunde? Und sind wir nicht dank unserer erfolgreichen Arbeit und langen Erfahrung für gewisse Aufgaben geradezu prädestiniert? Wo stände das freie Europa heute ohne uns?“

      Dann folgte eine verblüffend genaue Analyse vergeudeter Kräfte und Fähigkeiten. Im Grunde sei alles noch so wie früher. Auch wenn ein paar Ignoranten in den Diensten das niemals einsehen würden.

      Jeder Gerontologe bestätige, wie leistungsfähig der Verstand selbst noch im hohen Alter bleibe, wenn man ihn nicht durch überflüssige Ruhigstellung hemme.

      Er rate niemandem, sich wie einst die Tage und Nächte an irgendwelchen zugigen Grenzübergängen um die Ohren zu hauen und mit dem Nachtglas nach verloren gegangenen Agenten Ausschau zu halten.

      „Keine nervenaufreibenden Beschattungen in feindlichem Territorium, Freunde, kein Nahkampf mit dem Messer. Das erledigen andere für uns. Wir leisten nur die geistige Arbeit, mehr verlangt man nicht von uns …“

      Danach kam er auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen. Er redete von politischer und moralischer Erneuerung, von der Notwendigkeit eines Klubs, den er dazu ins Leben rufen wolle – den Klub der Veteranen.

      Ein „Gremium der Alten und Weisen“, wie er mit beschwörender Stimme erklärte, das – seit langem überfällig – nun endlich in die Entwicklung eingreifen werde. Als er beim Thema Druck angelangt war – Druck durch gezielte Informationen –‚ verließ ich den Saal und ging hinauf in das umbaute Verandacafé von dem aus man das Hotelportal und die Zufahrt überblicken konnte.

      Ich bestellte Kaffee und Cognac, zündete mir einen ‚sauren Krümeltürken’ an und harrte der Dinge, die da kommen würden.

      Ich versuchte, grobe Schätzungen darüber anzustellen, wer nach dieser Offenbarung politischen Schwachsinns sofort abreisen würde. Zwei Drittel? Die Hälfte? Oder nur lumpige zehn Prozent?

      Ich wartete lange – und vergeblich. Im Haus schrillte eine Klingel zum Zeichen für das gemeinsame Mittagessen, als ich mich endlich erhob, gähnend ein paar alte Illustrierte in die eingesessenen Ledersessel beim Kamin zurückwarf und mich auf mein Zimmer begab.

       2

      Green hinterließ immer eine Spur feuchten Lehms vom Murellenberg – in gesunder Luft zu wandern war seine große Leidenschaft. Er sagte, im Niemandsland zwischen den Fronten – das war West-Berlin für ihn – sei die Atmosphäre von besonderer Spannung.

      Wenn man seine innersten Regungen beobachte, fühle man die unüberbrückbaren Gegensätze. Niemand schien Aschs Ansinnen der Klubgründung als Anlass für seine unverzügliche Abreise anzusehen. Im Grunde ihres Herzens waren sie alle Rebellen. Die bestehende Ordnung zu stützen anstatt sie zu stürzen – bedeutete das nicht auch die Fortsetzung der Langeweile und des Überdrusses?

      Man musste abwarten, was passieren würde, sich auf gar keinen Fall von der Quelle entfernen. Erst recht nicht, wenn der Aufenthalt – Zimmer, volle Verpflegung, Nebenkosten und Veranstaltungen – großzügig von einer Stiftung für ‚Ost-West-Verständigung’ getragen wurde. („Schon mal gehört den Namen?“ – „Nein, aber wer hat denn den ganzen Katalog privater und staatlicher Stiftungen im Kopf?“) Erholung und Kurzweil im Namen der Völkerverständigung. Kein Fragebogen, keine Eintragung in Anwesenheitslisten. Nicht mal Extrazuschläge für die Minibar.

      Man hätte bis nach Japan telefonieren oder seiner schwerhörigen alten Tante in Neuseeland per Telegramm herzliche Grüße übermitteln lassen können, vorausgesetzt der Portier, der auch den Telefonisten spielte, war aus seinem komaähnlichen Tiefschlaf zu wecken.

      Falkners chromglänzender Rollstuhl quietschte unablässig durch die Gänge und Laflöhr zog es vor, sein Mantra nur noch beim Gehen zu murmeln, anstatt draußen am Hotelportal ein Verkehrshindernis zu bilden.

      Die Anwesenheit der beiden Amerikaner war eher dem Zufall zu verdanken. Asch hatte sie kurz vor ihrer endgültigen Rückkehr in die Staaten nach Portland an der Kneipe beim Flughafen aufgegabelt. Seine enthusiastische Einladung, ihre Wiedersehensfreude, vor allem aber die Aussicht, oben im Bundesstaate Washington nun den Rest ihres Lebens nichts anderes als dünnes saures Reisbier von der Sorte Budweiser trinken zu müssen, das eher Ähnlichkeit mit harntreibender Gesundheitslimonade als einem alkoholhaltigen Getränk auch nur mäßiger Rasse und Klasse besaß, war genügend Anlass gewesen, den Rückflug auf die nächste Woche umzubuchen.

      Nun saßen sie an der Bartheke und nahmen sich ein Fass nach dem anderen vor. Sie tranken ausschließlich Schultheiss-Bier, und das Thema, das sie für das Wichtigste hielten, schien die Feinporigkeit des Schaums zu sein, die Zeit, die eine Pilsblume mindestens halten musste, wenn sie von einwandfreier Qualität war.

      Man sah ihnen nicht an, dass die Klubgründung sie sonderlich beeindruckt hätte. Als ich vorüberging, fragte einer: „Sie sind doch früher schon mal in Langley, Virginia, gewesen? Oder täusche ich mich da?“

      „Ja, wahrscheinlich“, sagte ich. „Sie müssen sich täuschen. Ich war noch nie in Virginia.“

      Während ich weiterging, spürte ich seine Feindseligkeit im Rücken – den missbilligenden Blick, den enttäuschte Neugier hervorruft. Aber Fragen nach privaten Dingen waren mir schon immer suspekt gewesen.

      Selbst wenn ich jemals dort gewesen wäre – vermutlich meinte er das Hauptquartier der CIA –‚ hätte ich keinen Grund gesehen, ihn darüber aufzuklären. Ich denke, die Vergangenheit ist es meist nicht wert, wie ein Haufen faulenden Unrats gewendet oder immer wieder auf- und zugedeckt zu

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