Kranke Krankenversicherung. Jaschi
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Es folgten viele Auftritte der Krankenkassen in der Öffentlichkeit. Kaum ein Autohaus stellte am Wochenende seine neuen fahrbaren Untersätze aus, ohne dass zusätzlich Krankenkassen ihren Service und ihre Leistungen ebenfalls an einem Aktionsstand darboten. So hatte die Bevölkerung außer der Plastiktüte mit Autoprospekten eine zweite Plastiktüte mit Werbematerial der Krankenkasse nach Hause zu schleppen. Bei dieser Gelegenheit wurden Blutdruckmessungen, Blutzuckerbestimmungen oder Herz-/ Kreislauftests durchgeführt. Der Wert solcher Aktivitäten hielt sich in Grenzen. Kinder wurden geschminkt, Erwachsene fotografiert und viele sinnfreie Aktivitäten mehr gab es an solchen Aktionstagen. Geld für Marketing schien keine große Rolle zu spielen.
Nach und nach überlegte man dann, wie sich das Marketing, wenigstens teilweise, refinanzieren lässt. Man brachte in der Mitgliederzeitschrift Werbung unter. Letztlich blieb auch noch ein wenig Platz für die echte Information übrig. Jedenfalls erreichten die Zeitschriften schnell das Format der Werbeprospekte von Möbelhäusern, Discountern usw. Fazit war, dass viele Menschen diese Hefte aus dem Briefkasten direkt in den Papiermüll entsorgten.
Give-aways, also Geschenke, waren seinerzeit der große Renner. Kugelschreiber waren bereits nicht mehr reizvoll, da man diese ohnehin schon überall nachgeworfen bekam. Da gibt es doch noch wirksamere Gegenstände. Bleistiftanspitzer, Seife, Lineal, Mini-Taschenrechner, Zettelklötze mit 1000 Blatt, Selbstklebezettel in jeder Größe, Schreibblocks, Handtücher, Mini-Schraubendreher-Sätze, Reisezahnbürsten mit Zahncreme - eine für morgens, eine für abends. Diese Aufzählung ist sicher nicht komplett.
Werben um Mitglieder ist ja eine legale Sache. Nur - wo bleibt das Mitglied bei diesem Geschehen? Es reicht nicht aus, das Thema „Service“ hoch zu hängen, der Service muss auch erbracht werden.
Es gab Zeiten, da warteten die Mitglieder bei ihrer neu gewählten Krankenkasse Monate auf die Krankenversichertenkarte. Telefonisch kam man erst gar nicht zu einem kompetenten Ansprechpartner durch. Somit war der Service schon zu Beginn der Mitgliedschaft in Frage gestellt.
Ich habe schon vor 15 Jahren den Satz geprägt, dass die Versicherten einer Krankenkasse auch versorgt wären, wenn es diese Krankenkasse nicht gäbe – die Krankenkasse aber ohne ihre Versicherten nicht existieren würde und die Beschäftigten keinen Job hätten. Leider haben das nicht alle begriffen. Viele glaubten, sie seien der Nabel der Welt. Das betraf und betrifft nicht nur den „kleinen“ Sachbearbeiter, sondern ganz besonders auch viele Chefs.
Ich sage hier ausdrücklich viele. Denn nicht alle Beschäftigten der Krankenkassen sahen ihre Tätigkeit als „Job“. Zum Glück gab und gibt es heute noch Krankenkassenpersonal, dem die Nöte der Mitglieder am Herzen liegen. Diese Menschen haben begriffen, dass es nicht wichtig ist, rund um die Uhr per Handy, E-Mail oder Fax erreichbar zu sein. Viel wichtiger ist es, sich mit dem Einzelnen sachlich, fachlich und menschlich zu beschäftigen.
Man warb mit der ständigen Rufbereitschaft für die Versicherten. Diensthandys wurden angeschafft. Aus dieser Zeit habe ich Aussagen von Mitarbeitern einiger Krankenkassen. Die Rufbereitschaft wurde tatsächlich genutzt. Manchmal sogar klingelte es nachts um 23 Uhr, weil eine Thekendiskussion über ein Krankenkassenthema nicht zufriedenstellend abgeschlossen wurde. Dann fiel einem der Diskutierenden ein, dass er seine Krankenkasse ständig erreichen kann. So konnte er tatsächlich eine Klärung herbeiführen.
So ein Angebot ist natürlich kompletter Unfug. Kein Mensch muss nachts Sozialversicherungsfragen klären. Das Gleiche gilt für Wochenenden und Feiertage.
Ich habe selbst mit Kollegen den Heiligabend- und Silvesternotdienst in den Geschäftsräumen der Krankenkasse versehen. Dieser war für die Menschen gedacht, die ansonsten aufgrund ihrer Arbeitszeit nicht persönlich die Krankenkasse aufsuchen konnten.
Wer kam? Heiligabend besuchten uns dreizehn männliche Rentner. Einem muss das so gut gefallen haben, dass er zwei Stunden später noch einmal kam. Vielleicht mussten diese Herren nur die Zeit überbrücken, die Ihre Ehefrauen für die Vorbereitung des Weihnachtsbraten benötigten. Oder, schlimmer, sie haben sich davor gedrückt, den Christbaum zu schmücken.
Nach so einem Einsatz wurde mir der Schwachsinn einer solchen Regelung richtig bewusst. Kein Mensch braucht die Krankenkasse an solchen Tagen wirklich notwendig. Auch nicht dann, wenn sich drei Sonn- oder Feiertage anschließen.
Es braucht auch Niemand eine Niederlassung einer deutschen Krankenkasse auf Mallorca oder den Seychellen.
Das Geld wird knapp
Das neue Zeitalter in der gesetzlichen Krankenversicherung war eingeläutet und nahm seinen Lauf.
Der Gesetzgeber hatte bereits begonnen, die Leistungen der Krankenkassen zu kürzen oder zu streichen. Ob dies wirklich notwendig war, lässt sich nur schwer sagen. Jedenfalls stiegen die Ausgaben - und die Einnahmen waren rückläufig. Dies hatte zu einem Teil mit der steigenden Arbeitslosigkeit zu tun, zum anderen Teil auch mit der Abwanderung in die private Krankenversicherung.
Heute gehen Beiträge dadurch verloren, dass viele Menschen eine Vollzeitbeschäftigung ausüben und hierfür einen nur noch geringen Lohn erhalten. Auch darüber muss die Politik nachdenken. Billiglöhne machen nicht nur die arbeitende Bevölkerung unzufrieden, sie sind auch Gift für die Sozialkassen. Die Arbeitgeber jedoch verdienen sich dabei eine „goldene Nase“.
Ein weiterer Punkt für den Ausgabenanstieg war und ist die Entwicklung in der Medizin. Die Gerätemedizin ist kostspielig. Teure Geräte müssen sich in einer bestimmten Zeitspanne amortisieren, besser noch, Gewinne abwerfen. Es wurden Diagnostikgeräte angeschafft, die sich bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht refinanzieren ließen, weil der Bedarf nicht in dem hohen Maße vorhanden war, wie Geräte zur Verfügung standen. Was liegt in solchem Fall näher, als den „Bedarf“ zu erhöhen?
Beitragssatzanhebungen waren nicht populär. Ganz besonders nicht aus der Sicht der Arbeitgeber, die schließlich den halben Beitrag zu tragen hatten. Ebenso betroffen wären auch die Renten- und Arbeitslosenversicherung gewesen.
Es begann ein reger Wechsel der Mitglieder hin zur preisgünstigen Krankenkasse. Das verbesserte Leistungsangebot war seltener ein Grund, die Krankenkasse zu wechseln. Was zählte, war der Beitragssatz.
Der Personenkreis, der bei den teuren Krankenkassen kündigte, war eher jung, gesund und ledig. Also, auf den ersten Blick ein „gutes Risiko“.
Die Krankenkassen, die sowieso finanziell schon recht gut da standen, bekamen somit noch mehr positive Klientel.
Dagegen begann bei den ohnehin schon teureren Krankenkassen ein Überlebenskampf. Erhöhten diese Krankenkassen ihre Beitragssätze, kündigten noch mehr Mitglieder und die Talfahrten wurden noch schneller.
Zwischenzeitlich hatte der Gesetzgeber die „Krankenversicherung der Rentner“ abgeschafft. Bis dahin wurden die Leistungen für Rentner in ganz Deutschland aus einem Topf finanziert, in den alle Krankenkassen einzahlten.
Nun wurde der Risikostrukturausgleich - RSA - eingeführt. Das bedeutete, dass die Krankenkassen untereinander Ausgleiche gegenseitig zahlten