Mondschattenland. Wolfgang Bendick

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Mondschattenland - Wolfgang Bendick

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bogen nach Norden ab, um zum Schwarzen Meer zu gelangen. Wir durchfuhren nicht endende Haselnuss-pflanzungen, wo sich Kinder hoch hinaufhangelten, um die Nüsse abzuschütteln. Manchmal hingen sie wie Tarzan an den bogenförmigen Stämmen und machten Klimmzüge, damit die reifen Früchte zur Erde fielen oder schlugen mit langen Stangen daran. Die Frauen und die kleinen Kinder lasen sie auf, warfen sie auf Haufen und stampften darauf herum, um die trockenen, kranzförmigen Blatthüllen zu entfernen. Die Männer standen dabei, rauchten Zigaretten oder füllten die Ernte in Säcke, um sie auf Eselsrücken in die Dörfer zu schaffen. Dann wieder wilde Schluchten und malerische Dörfer. Bisweilen lösten Kiefernhaine die Plantagen ab und es duftete nach Harz. Wir fanden an unseren Übernachtungsplätzen Pilze, die unseren einheimischen ähnelten. Wir fragten die Leute, ob sie gut seien, oder aßen anfangs nur wenig davon, um sie zu probieren. Hier sprachen sehr wenig Menschen Deutsch. Vielleicht ermöglichte ihnen die Kultur der Haselnüsse ausreichende Einnahmen und sie suchten deshalb ihr Glück nicht in der Ferne.

      Und dann lag es vor uns, unter einer schwarzen, tiefen Wolkendecke, Kara Deniz, das Schwarze Meer. Endlos wie alle Meere erstreckte es sich bis hinter den Horizont. Hier und da pflügte ein Schiff seine schaumige Furche in den flüssigen Grund, eine Regenwand trieb einem Schleier gleich nach Osten. Die schmale Straße wand sich durch feuchtgrüne Wälder langsam der Küste zu. Bald verließen wir sie und bogen in einen kaum sichtbaren Weg ein, eigentlich nur zwei Spuren im kurzen Gras, die über den Klippen endeten, nicht einsehbar von der Straße. Das war uns gerade recht. Wir drehten das Auto in Wegfahrrichtung, aus Sicherheitsgründen und um nicht morgens mit beschlagenen Scheiben riskante Manöver fahren zu müssen. Wir stiegen aus und streckten uns. Der Boden klang eigenartig unter unseren Schritten. Wie hohl. Wir gingen bis zum Klippenrand. Dort war der Felsen nackt. Schwarz und porös. Das musste eine Art Lava sein. Unter uns stürmten die Wellen gegen die Steilküste. Diese warf sie aufspritzend wieder zurück. Bei jedem Ansturm vibrierte der Boden unter unseren Füssen. Der Steilhang musste schon ziemlich weit unterhöhlt sein. Wir durchstreiften das Wäldchen oberhalb der Küste auf der Suche nach Feuerholz. Hier und da öffnete sich eine grasbewachsene Lichtung. Auf der höchsten entdeckten wir ein weißes Steingrab. Am oberen Ende war eine flache Stele aus Stein aufgerichtet, worin ein Halbmond gemeißelt war, am unteren Ende stand eine mit einem eingemeißelten Anker und der Aufschrift ‚Arslan Fat Kaptan‘.

      Auf hoher Klipp

      In grünem Laub,

      Ein weißer Marmorstein –

      Im leisen Wind

      Die Schatten wehn

      Im ewgen Spiel des Seins

      Hier fandst du Ruh

      Vom Lebensweg

      Der dich führt‘ über’s Meer

      Nicht Wasser ist’s

      Das dich umgibt

      Dich deckt die braune Erd‘

      Dein Auge schaut

      Nach Morgen hin

      Auch wenn der Stoff vergeht

      Denn aus dem Staub

      Im Zeitenmeer

      Der neue Mensch entsteht

      Auf hoher Klipp

      In grünem Laub

      Hoch über’m Ozean

      Da schwebt dein Geist

      In Allahs Hand

      Arslan Fat, Kaptan

      *

      Am nächsten Tag näherte sich unsere Straße dem Meeresspiegel. Bald säumte herrlicher weißer Sandstrand die Küste, sanfte Dünen hatten sich zwischen Ufer und Straße angehäuft. Gegen Abend konnten wir dem Ruf des Meeres nicht widerstehen. Wir wollten im Meer baden und irgendwo in den Dünen übernachten. Weit weg von jeglicher Ansiedlung. Denn immer, wenn wir wo anhielten, waren wir bald von einer Horde Neugieriger umzingelt. Zuerst die Kinder. Diese waren eigentlich die Harmlosesten. Sie machten ihre Faxen, und wenn es zu viel war, konnte man sie wegscheuchen. Die Jugendlichen gingen einem schon mehr auf die Nerven. Sie drängten sich immer näher, fassten alles an und wollten Tauschgeschäfte machen. Man merkte, sie redeten über uns und machten Witze über uns. Sie zogen sich eigentlich nur zurück, wenn ein Erwachsener auftauchte. Sprach dieser Deutsch, dann ging erst mal ein nicht endendes Palaver los, was meist mit Teetrinken endete, oder besser gesagt, in Teetrinken überging. Und das kann sich in der Türkei endlos hinziehen. Ein Bach unterquerte die Straße und floss in Richtung Meer, daneben eine Fahrspur. Wir bogen ab und folgten ihr. Zuerst durch die Dünen, oberhalb der steilen Böschung des Baches.

      Wir hatten die Dünen hinter uns, der Weg verlief sich im Sand. Wir fuhren auf dem feinen, weißen Sand weiter. Er trug gut. Hier würde uns niemand finden, zu weit weg von einer Siedlung und durch die Dünen gut abgeschirmt! Zumindest würden wir erst mal die Zeit haben, in Ruhe zu baden. Irgendwann würde dann wohl jemand kommen. Denn in der Türkei ist immer jemand irgendwo. Plötzlich bemerkte ich, dass der Motor zu schaffen hatte. Der Sand trug das Fahrzeug nicht mehr gut, es sank leicht ein. Nur nicht anhalten, dachte ich mir, und fing an, eine weite Kurve zu beschreiben, um wieder auf festeren Grund zu kommen. Die Drehzahl sank ab, ich musste runterschalten. Dabei verlor die Kiste ihren Schwung und blieb stehen. Als ich wieder anfahren wollte, fingen die Hinterräder an, sich einzugraben. Kein Problem, es war an alles gedacht! Wir gruben mit dem Spaten etwas Sand weg und legten die Lehnen der Bänke und deren Deckel hinter die Hinterräder. Ebenfalls legten wir unsere Iso-Matten hinter die Vorderräder. Wir wollten versuchen rückwärts aus dem Schlamassel raus zu kommen. Als es fast geschafft war, würgte der Motor ab. Das ist normalerweise auch kein Problem. Ein Drehen am Zündschlüssel, und er geht wieder! Aber leider nicht in diesem Moment.

      Wir hatten schon eine Weile gemerkt, dass es manchmal nach heißer Isolierung gerochen hatte. Doch das konnte auch die Kupplung sein, oder die Bremsbeläge. Oder irgendein Feuer draußen, wo Leute Unrat verbrannten. Aber dass es der Laderegler war, der schmorte, darauf war ich zu spät gekommen, eben jetzt, hier am Strand, wo ich merkte, die Batterie war leer. Besser gesagt, die Batterien! Denn natürlich hatten wir eine Ersatzbatterie, aber die war mit der anderen parallel angeschlossen, damit wir mehr Anlasserstrom hatten, und damit sie immer aufgeladen war. Großer Fehler! Das, was wir hatten vermeiden wollen, und weswegen wir so weit auf den Strand gefahren waren, wäre jetzt angebracht gewesen: Menschenmenge! Doch wo herholen, hier draußen am Strand, hinter den Dünen versteckt? Und Türken sind nicht so wasserversessen wie wir Deutsche! Also gingen wir in unseren Spuren zurück und trafen bald auf die ersten Neugierigen, die diese schon ausfindig gemacht hatten. Doch mit bloßer Muskelkraft war hier nicht viel zu machen, weil ich ja den Motor nicht anbekam. Da hatte einer der Männer eine Idee und alle schienen Feuer und Flamme zu sein. Ein paar Kinder wurden losgeschickt. Wir waren gespannt. Und bald sahen wir, was die Idee gewesen war: Ein riesiger hellblauer Ford-Traktor bahnte sich den Weg durch den weißen Sand zu uns hin, umtanzt von einer Schar johlender Kinder. Der Fahrer sprach sogar drei Brocken Deutsch. Er drehte sein Monster um und ich hängte unseren Bully mit der hinteren Stoßstange am Haken des Traktors an. Vorne wäre besser gewesen, aber wir standen halt so und es war einfacher. Jeder setzte sich an sein Lenkrad, und er zog langsam an. Unserem Bus blieb nichts anderes übrig, als mit langsam drehenden Rädern zu folgen. Dann gelangten wir vom Strand auf den dem Bach folgenden Weg. Spätestens hier hätten wir den Bus in Fahrtrichtung umdrehen müssen, und vorwärts weiterschleppen. Die inzwischen angewachsene Menge der Schaulustigen umringte den Traktor,

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