Nur Blut mein Freund. Desirée Marten
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Desirée Marten
Nur Blut mein Freund
Prickelnde Kurzgeschichte mit Stich
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Inhaltsverzeichnis
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Die Mädchenfrau - unschuldig und rein
Leseprobe "Die Mädchenfrau - unschuldig und rein"
Kapitel 1
Glücklich trippelte ich von der Straßenbahnhaltestelle in Richtung meiner Einzimmerwohnung, die ganze zwanzig Quadratmeter maß, und mit zusammengewürfelten Möbeln ausgestattet war. Wenn ich nicht schon siebenundzwanzig wäre, würde ich in die Luft springen und ganz laut schreien. Ich hatte es geschafft, die Stelle in der Agentur zu bekommen, auf die ich schon so lange scharf war. Endlich würde sich mein Leben ändern, ich könnte mir ein kleines Auto leisten, vielleicht einen Opel oder Fiesta. Ich musste nicht mehr im Second-Hand-Shop Klamotten kaufen und mir meine Haare selbst schneiden. Gut, dass sie mir lockig über die Schultern fielen, so sah man nicht, wenn sie krumm geschnitten waren. Vielleicht könnte ich irgendwann auch aus dieser Gegend ziehen, in der es für junge Frauen nicht ungefährlich war. Eine coole Zweizimmerwohnung mit Balkon schwebte mir vor. Mein Traum wäre auch eine Katze, besser gesagt, ein Kater, ein weißer oder roter, zum Schmusen. Seit mich Jan vor einem halben Jahr wegen so einer blonden, vollbusigen Tussi verlassen hatte, fühlte ich mich einsam und brauchte dringend ein kuscheliges Opfer, wenn ich schon niemanden zum Vernaschen hatte …
***
Lukas trug seinen schwarzen Hartschalenkoffer, in der linken Hand, da er über dem rechten Arm seine Jacke trug. Die ungewöhnlich laue Herbstnacht trieb einem eher den Schweiß auf die Stirn, als ein Frösteln über den Körper. Endlich galt er als geheilt und war am Mittag aus der Klinik entlassen worden. Die letzten sechs Wochen verbrachte er, vollgedröhnt mit Tabletten, im Dämmerzustand. Er lebte in einer anderen Welt, in der es keinen Schmerz gab und kein Leid und nicht diese unglaubliche Sehnsucht, die ihn fast in den Wahnsinn trieb. Schwester Petra, eine kleine, quirlige, schlanke Person, hatte sich rührend um ihn gekümmert, aber sie drang gefühlsmäßig nicht durch die Nebelwand hindurch, die ihn umschwebte.
Wahnsinn, was man in einer psychosomatischen Klinik alles mitbekam. Da gab es alle Variationen von seelisch kranken Menschen. Wahrscheinlich war er dort noch der Normalste gewesen. Er, der schon als Jugendlicher auf seine Gesundheit geachtet hatte und regelmäßig joggte, dass er mal in der Klapse landen würde, hätte er sich nie träumen lassen. Er atmete tief ein, stellte den Koffer ab und fuhr sich durch sein braunes, frisch geschnittenes Haar. Es fühlte sich vom Haargel hart und verklebt an. Nachdenklich und ohne Eile blickte er zum Himmel. Eine schöne, klare Nacht, keine Wolken verdeckten die hell strahlenden Sterne. Er wusste noch nicht, wie es jetzt weiter gehen würde, ob er schon die Kraft besaß, wieder Vollzeit arbeiten zu gehen.
***
Ich stand unschlüssig vor der Gabelung in den Kiesweg, der meinen Nachhauseweg um einiges abkürzen würde, aber seine spärliche Beleuchtung flößte mir nicht viel Vertrauen ein. Ich sah an mir hinunter. Meine Pfennigabsätze würden im Kies versinken und mit dem engen Rock konnte man kaum einen normalen Schritt gehen, trotzdem oder gerade deshalb, wollte ich die Herausforderung annehmen, und entschied mich für ihn. Wie sollten mich so ein paar Kieselsteinchen behindern, wenn ich auf dem steilen Weg meiner Karriere schwerelos wandelte?
Ich hätte vorhin nicht so viel Sekt mit Laura trinken sollen, denn mir schwindelte leicht. Aber so einen Erfolg musste man doch feiern und es war Freitag. Ein freies Wochenende lag vor mir.
Alles würde sich ändern, alles. Wenn man über Geld verfügte, war das Leben um einiges leichter und sorgenfreier. Vielleicht könnte ich sogar einen kleinen Beitrag an Mam senden, die mit ihrer geringen Rente kaum leben konnte. Ein warmes Gefühl durchströmte mich, sie würde sich sicher riesig freuen. Bestimmt würden ihr Tränen in die grauen Augen steigen und sie würde mich unglaublich stolz ansehen und mir ein zahnloses Lächeln schenken, während sie meine Wange streichelte. Sie lebte in so ärmlichen Verhältnissen, dass es mir fast das Herz zerriss, wenn ich sie besuchte. Mam bekam mich, als sie schon über vierzig war. Sie verwöhnte mich, so gut sie konnte. Niemand hätte noch geglaubt, dass sie ein Kind bekommen würde, nach so langer Kinderlosigkeit. Leider starb mein Vater, als ich zehn war an Lungenkrebs, bestimmt wegen seiner Tätigkeit als Gipser, und Mam klammerte sich mit Haut und Haaren an mich. Nur mit Mühe und Not gelang es mir, auszuziehen und selbstständig zu werden.
***
Lukas Blick wanderte zum Mond, der rund und blassgelb strahlte, und senkte ihn schließlich in den Kiesweg, der eingefasst von Brombeerbüschen, vor ihm lag. Eine bleierne Schwere überfiel ihn und legte sich wie ein eiserner Ring um sein Herz. Sein Hals schwoll an. Er biss sich auf die Lippen und schluckte hart. Seine Finger zitterten, als er nach dem Koffer griff. Tränen liefen ihm über die eingefallenen Wangen. Er nahm sie nicht wahr. Eine große Leere, belagerte seit Wochen lückenlos sein Inneres. Äußerlichkeiten wurden unwichtig und besaßen keinen Wert, genauso wie sein Leben.
Als er heute Mittag beim Friseur saß, meinte er wirklich, er wäre gesund und genoss die Massage der drallen Friseurin, kreisende, gleichbleibende Bewegungen, die ihn beruhigten. Er roch sogar ihr herbes Parfüm. Mit geschlossenen Augen hatte er an nichts gedacht, und das galt als gewaltiger Erfolg. Seine Gedanken überlagerten sonst ständig schmerzende Erinnerungen, bittere Vorwürfe und quälende Schuldgefühle.
***
Schwere Schritte knirschten hinter mir. Erschrocken warf ich einen Blick über meine Schulter. Da kam jemand! Eine heiße Adrenalinwelle durchschoss meinen Körper. In meinen Handflächen bildete sich kalter Schweiß. Ich trippelte schneller, aber die dünnen Absätze fanden keinen Halt und ich strauchelte vor mich hin. Ich blickte mich abermals um. Die Person trug etwas und ging gebeugt. Der Abstand zu ihr verringerte sich rasch. Meine Nackenhaare stellten sich auf und Übelkeit breitete sich in mir aus. Ich bereute es zutiefst, mich für diesen dunklen, abgelegenen Weg entschieden zu haben. Nun war es zu spät, ich musste fliehen. Rasch bückte ich mich und riss mir den rechten Schuh vom Fuß. Der linke Absatz versank im Kies, ich verlor das Gleichgewicht, mir gelang mit dem engen Rock kein Ausgleichsschritt, und ich stürzte. Ich ignorierte das Brennen meiner Knie und des rechten Handballens. Das Knirschen der näher kommenden