Der Fluch von Capatineni. Jay Baldwyn
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Читать онлайн книгу Der Fluch von Capatineni - Jay Baldwyn страница 4
»Mach dir keine Sorgen, Mama. Was kann mir schon passieren? Schließlich bin ich doch schon tot, wie tata meint.«
»Du darfst das deinem Papa nicht übel nehmen. Er ist von der Situation überfordert und sorgt sich um seine Familie. Und du musst zugeben, dass deine Wiederkehr mehr als seltsam ist.«
»Man kann sich sein Schicksal eben nicht aussuchen, Mama. Ihr so wenig wie ich. Und jetzt gönn dir etwas Ruhe! Damit du Kraft für morgen sammelst.«
Drei Tage später war es dann so weit. Zwei Diener und eine Dienerin begleitet von Wachen gingen von Haus zu Haus und verlangten, die halbwüchsigen, jungfräulichen Töchter zu sehen. Es ging dann weniger darum, ob die Eltern bereit waren, ihre Kinder freiwillig herauszugeben, sondern ob die Mädchen geeignet schienen und vom Aussehen her nicht die Augen der Gräfin beleidigten. Dementsprechend gab es viele heiße Tränen und herzzerreißende Abschiedsszenen.
Dakaria wurde aufgrund ihres ansprechenden Äußeren sofort herangewunken. Mioara umarmte ihre Tochter ein letztes Mal und sprach ihr Mut zu. Lacrima und Sinka weinten bitterlich, und selbst Traian kämpfte mit den Tränen, als wüsste er, dass er die große Schwester niemals wiedersehen würde. Petre klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter.
»Du machst das schon! Und falls es dir zu bunt wird, gib Bescheid! Dann werde ich alles daran setzen, dich da rauszuholen.«
»Danke, aber überschätz deine Mittel nicht.«
Auf dem Dorfplatz hatten sich schon mehrere Mädchen versammelt, die streng bewacht wurden. Sie wurden auf einen Karren verfrachtet, der noch die Dörfer Poienari und Cheiani anfuhr. Bald saßen die Mädchen dicht gedrängt, sodass keine Maus mehr zwischen ihnen Platz gefunden hätte. Viele drückten ihr Bündel mit einfacher Kleidung und etwas Proviant von Mama an sich.
Dakaria kannte die eine oder andere aus Capatineni vom Sehen. Nur mit Mitica, ebenfalls einer Schäferstochter, war sie näher bekannt, denn sie spürte, dass beide etwas miteinander verband. Das überaus hübsche Mädchen stach unter allen anderen hervor. So war es kein Wunder, dass Mitica später auf dem Burginnenhof von Harild, der ältesten und treuesten Dienerin der Gräfin, ausgesucht wurde. Zwei weitere wurden ebenfalls auserkoren, Dakaria war nicht darunter. Harild hatte sie mehrmals prüfend gemustert, dann aber das Gesicht verzogen, als habe sie etwas Schlechtes gerochen, und sich abgewandt.
Die anderen wurden für die Küche, die Wäscherei oder zum Putzen eingeteilt. Am Abend trafen sich alle in der Küche zum Essen wieder und stellten danach fest, dass die meisten gemeinsam dieselbe Unterkunft erhalten hatten. Ein karger, kalter Raum mit einfachen Betten, in dem es furchtbar zog. Die Matratzen bestanden aus einfachen Strohsäcken wie auch das Kopfkissen. Als Zudecke dienten grobwollene Decken, die schrecklich kratzten.
Die wenigen Kerzen waren längst gelöscht worden, als einige Mädchen noch Gesprächsbedarf verspürten.
»Dagegen schlafe ich ja zu Hause beinahe luxuriös«, sagte Valea, eine rotgesichtige Vierzehnjährige mit verfilzten, blonden Haaren.
»Hast du gedacht, du schläfst am Fußende der Gräfin oder beim Grafen auf dem Schoß?«, fragte Aurelia, die ihre ebenholzfarbenen Haare in dicken Zöpfen trug.
»Sicher nicht, du dumme Kuh. Aber dazwischen gibt es wohl noch etwas anderes.«
»Kinder, zankt euch nicht«, meinte die blasse und sehr dünne Sharai, »es kommen harte Zeiten auf uns zu. Die überstehen wir nur, wenn wir zusammenhalten.«
»Ein Glück, dass ich noch Wurst und Käse dabei habe«, sagte die etwas rundliche Ionela kauend, »von der Wassersuppe heute Abend konnte man ja kaum satt werden.«
»Kinder, hier ist es ja arschkalt«, gab Anyana ihren Kommentar ab, »wenn ich nicht meine dicken Wollsocken dabei hätte, würde ich mir glatt Frostbeulen holen.«
»Scht, ich glaube, da kommt einer.«
Später, als alle schliefen, erhob sich Dakaria, warf ihr Tuch aus dicker Wolle über, zog sich ebensolche Socken an und schlich lautlos durch die Gänge ihrer neuen Heimat. Dabei achtete sie peinlich darauf, von keiner der Wachen entdeckt zu werden. Schließlich hatte sie sich total verlaufen und landete in der Nähe der Gemächer der Fürstin. Als sie einen Schatten sah, der vom Licht der Fackeln auf die Wände geworfen wurde, erschrak sie zunächst, atmete aber erleichtert auf, als sie Mitica erkannte.
»Du bist es! Kannst du auch keinen Schlaf finden?«
»Nein, ich schlafe schon länger nicht mehr.«
»Dann bist du wie ich. Das habe ich gleich gespürt.«
»Was meinst du damit?«
»Na, du bist auch ein Wiedergänger. Wann hat man dich begraben?«
»Vor zwei Monaten. Sechs Wochen später bin ich zu meiner Familie zurückgekehrt.«
»Und wie hat man dich aufgenommen?«
»Mit großer Liebe und Herzlichkeit. Nur tata war ich wohl etwas unheimlich.«
»Wie bei mir. Er wollte mich zuerst gar nicht reinlassen. Dann wollte er mich wieder wegschicken. Er hat Angst, dass ich ihn und die Familie verhexe.«
»Das hat man mir nicht unterstellt«, sagte Mitica, »obwohl sie allen Grund dazu gehabt hätten, aber ich bin freiwillig gegangen. Irgendwie passe ich nicht mehr zu ihnen.«
»Glaubst du, dass es hier noch mehr von uns gibt?«
»Bestimmt. Bei zwei oder drei habe ich es in den Augen gesehen.«
»Dann müssen die in einem anderen Raum schlafen. In meinem war nur ich wach. Apropos schlafen. Ich hoffe, ihr wohnt besser als wir. Immerhin gehört ihr jetzt zum Umkreis der Gräfin.«
»Darauf hätte ich gerne verzichtet. Uns hat man einen Nebenraum zugewiesen, damit wir jederzeit für die Gräfin erreichbar sind. Da gibt es weiche, aber ziemlich muffige Betten. Zuerst mussten wir baden, und dann hat man unsere Kleider ins Feuer geworfen und uns neue gegeben. Was heißt neue? Ich möchte nicht wissen, wer die schon alles vor uns getragen hat. Und vom Schnitt her mehr als einfach. Wahrscheinlich sollen wir der Gräfin und ihrem Gefolge nicht den Rang ablaufen.«
»Und, wie ist sie so?«
»Viel schöner als ich dachte. Aber wenn du mich fragst: Aus ihren Augen leuchtet der Wahnsinn. Und diese Harild würde für sie töten. Wie mancher Diener wohl auch. Die Zofen tun mir leid. Sie dürfen sich keinen Fehler erlauben, sonst hagelt es Schläge und schlimmste Grausamkeiten. Die Gräfin beißt sogar zu und reißt ganze Hautfetzen von ihren Opfern.«
»Das sind ja keine guten Aussichten für dich.«
»Bis jetzt darf ich ihr noch nicht zunahe kommen. Wenn es so weit ist, werde ich sie mit Magie in Schach halten.«
»Dann bist du also auch eine Hexe?«
»Ja, und zwar so schwarz wie die Nacht.«
»Ich würde mich eher als eine weiße bezeichnen. Wie ist es dir gelungen, dass diese Harild dich ausgesucht hat?«
»Das fragst du noch? Bei meiner Schönheit? Nein, Quatsch. Ich habe da so meine Methoden.«