ALL IN ONE. Christian Witter

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zur Party. Ich war wie geplättet. Wo zum … ist sie abgeblieben? Eine Suche war sinnlos. Wir hatten keine vollen Namen.

       Es kam der Tag:

      Ein paar Wochen später wollte ich mit meinem Kumpel ein paar neue Szene-Läden an der Hamburger Alster ausprobieren. Vielleicht treffe ich sie ja irgendwo. Wie der Zufall es wollte, kamen uns die beiden Mädels an einem U-Bahnhof entgegen. Wir waren aber so was von cool und ließen uns nichts anmerken. Wir grüßten sie nur im Vorbeigehen. Mein Herz pochte bis zum Hals. Unsere Wege trennten sich wieder. Später am Abend entschieden wir uns sie zu suchen ... Fehlanzeige!!! Keine Traumfrau in Sicht.

      Drei Monate vergehen ...

      Ich muss dazu schreiben. Drei Monate sind für einen heranwachsenden jungen Mann eine halbe Ewigkeit. Fast ohne große Hoffnung meine Traumfrau je wieder zu finden, waren wir wieder in unserer Stammdisco unterwegs. Und dann war es passiert. Auf der hinteren Tanzfläche tanzten die beiden Frauen. Und meine Traumfrau stach aus der Menge hervor. Ich war vorsichtig geworden, denn ich hatte bisher noch keinen vollständigen Satz mit ihr gesprochen. Ich wollte mir sicher sein. Das Aussehen ist das Eine. Alles muss stimmen. Wirklich alles!!!

       Der Test:

      Ich wartete mit meinem Kumpel darauf, dass sie sich setzten. Ich wies meinen Freund an, meine Traumfrau in ein kleines Gespräch zu verwickeln. Vorher sollte er aber noch ein anderes Mädel testen und mit ihr sprechen. Dieses Mädchen schaute mich schon den ganzen Abend an. Ich wollte nur sicher gehen nichts falsch zu machen. Warum ich allerdings meinen Freund zum Testen schickte, kann ich heute nicht mehr sagen. Ich hätte es selber machen können. Vielleicht damit mich meine Traumfrau nicht dabei sieht, wie ich mit einer Anderen spreche? Vielleicht aber auch, weil ich wohl zu viel Respekt und Angst davor hatte, meine Traumfrau nicht zu bekommen. Mein Freund kam ein paar Minuten später von den Gesprächen mit den Mädels wieder. Er bestätigte meine Vermutung, dass mein Blick mich nicht getrübt hatte. Meine Traumfrau sei der Sprache mächtig und sehr überlegt in ihren Aussagen gewesen. Er riet mir sie nun endlich anzusprechen.

       Die ersten gemeinsamen Worte:

      Ich muss zugeben, dass ich innerlich sehr unruhig und nervös war. Normalerweise war ich immer souverän und abgeklärt. Doch diesmal sollte alles anders sein. Eine kleine Hürde gab es allerdings. Sie selbst nahm mich meines Erachtens nicht so wahr wie ich sie. Wie konnte ich bei ihr landen? Sie schien so weit entfernt und so unnahbar. War ich nicht ihr Typ? Ich fasste meinen Mut zusammen, ging zu ihr rüber und fragte ganz frech: „Wo seid ihr eigentlich die letzten drei Monate gewesen?“ Sie erwiderte: „In anderen Discos.“ Wir kamen langsam ins Gespräch und ich gab der Enttäuschung zum Ausdruck, dass ich sie schmerzlich auf unserer damaligen Party vermisst hatte. Den genauen Grund ihrer Abwesenheit konnte sie mir nicht mehr nennen. War mir aber auch egal, denn nun stand sie vor mir.

       Wirres Gefasel:

      Nachdem die Zeit fortgeschritten war, fragte ich, ob wir nicht nach draußen gehen wollten, um Luft zu schnappen? Sie nickte und wir gingen auf eine kleine Fleetbrücke neben der Disco. Was dann kam, kann ich mir bis heute nicht erklären. Ich wollte ihr wohl imponieren, jedoch faselte ich wirres Zeug. Es kam der Dichter und Poet in mir hoch. Gegenüber der Fleetbrücke schaute man auf eine entfernte Ampel mit rotem Licht. Ich sagte zu ihr: „Hey schau mal, der rote Mond am Horizont.“ Oder noch besser „Deine Waden sind so klasse. Die Adern wie Flüsse auf einer Landkarte“. Sie schaute mich entsetzt an und dachte wohl: Ein Irrer!!! Doch meine Absicht war, ihr zu imponieren. Ich merkte, wie sehr ich sie verunsicherte. Ich war es ja selbst. In diesem Moment kam mein Freund mit ihrer Freundin Arm in Arm um die Ecke. Er ließ nichts anbrennen. Aber so schnell würde ich wohl nicht bei meiner Traumfrau landen. Ich musste kämpfen. Nur wie???

       Die Reise:

      Es war spät geworden. Die beiden Frauen wollten die letzte Bahn bekommen. Nur wohnten beide sehr weit auseinander. Sie würden sich am Bahnhof trennen. Ich mit meinen 18 Jahren konnte doch eine 17- jährige nicht alleine nach Hause fahren lassen. Nur: Ich hatte zu der Zeit kein Auto und keinen Führerschein. Ich kannte außerdem nur Hamburgs Westen und die Innenstadt. Ich fragte großkotzig: „Wo wohnst du eigentlich?“ Sie antwortete: „Ich wohne in Meiendorf“... Ich stutzte: „Meiendorf? Wo liegt das denn?“ Sie: „Bei Volksdorf“. Jetzt war mir alles klar. Sie wohnte am Arsch der Welt, denn Volksdorf kannte ich auch nicht. Als wir geklärt hatten, in welcher Ecke sie in etwa wohnt, bot ich meine Begleitung an, damit sie keine Angst haben müsse. Ihr war es nicht gerade recht, jedoch willigte sie ein. Ihre Freundin machte Druck und ich gab Oliver meinen Abholschein für meine dicke Winterjacke. Doch Oliver kam nicht wieder und die Zeit spielte gegen uns.

      Ich entschied bei etwa minus einem Grad Temperatur mit meiner leichten Sommerjacke (die man früher oft in Discos aus Coolness anließ) loszuziehen. Meine Schuhe waren Sommerslipper. Am Bahnhof angekommen, verabschiedeten wir ihre Freundin und zogen zu einer Bahnlinie, die ich bis dahin nur als Fernzug kannte. Wir mussten jedoch einige Zeit am Bahnhof warten und mir lief wie so oft im Winter meine Nase. Ich war damals sehr eitel und bat sie einen Moment zu warten. Ich würde gleich wiederkommen. Ich schätze, sie war, wie im Prinzip den ganzen Abend, sehr verwirrt von mir. Ich traute mich nicht vor ihr zu schnäuzten. Ich hechtete eine Treppe hinauf, schnäuzte in ein Papiertaschentuch und war wieder bei ihr. Sie nahm das Verhalten mit einem komischen Blick hin. Als wir in der Bahn saßen, fiel mir ein, dass ich ein Bild von mir hatte.

      Ein schönes kleines Passfoto, auf dem ich schön gestylt aussah. Ich sagte ihr, dass ich es ihr gerne schenken würde, damit sie mich nicht so leicht vergisst und immer wieder erkennt. Sie nahm es dankend an. Ich merkte, auch sie war schüchtern. Ich starrte sie wohl andauernd an und sie meinte: „Hey, Du starrst mich immerzu an.“ Was soll ich machen? dachte ich. Du bist es ... meine Traumfrau. Damit es nicht zu sehr auffiel, schaute ich schräg aus dem Fenster … wohl wissend, dass sich Ihr Gesicht darin spiegelte und ich sie weiter beobachten konnte. Doch auch das fiel ihr sehr schnell auf und wir lachten die ganze Fahrt lang. An dem Endbahnhof angekommen sagte sie mir, dass sie jetzt für den Rest des Weges ein Taxi nehmen muss. Ich könnte ja den Nachtbus zurück in die Innenstadt nehmen. Das Taxi stand bereit und der Nachtbus wartete schon.

      Ich sagte zu mir „jetzt oder nie“. Ich nahm sie in den Arm und küsste sie sehr leidenschaftlich. Ich küsste sie so lang, bis der Nachtbus abfuhr. Der Taxifahrer hatte zum Glück Geduld. Ich sagte ihr, dass ich jetzt mit ins Taxi steige, damit sie sicher ans Ziel kommt. Der Bus war schließlich weg. Sie willigte ein und wir küssten uns immer weiter. Ich hatte natürlich den Hintergedanken bei ihr zu übernachten. Im Treppenhaus eines Mietshauses angekommen, knutschten wir noch eine gute Stunde. Auf einmal sagte sie, dass es schön sei, aber sie jetzt in die Wohnung müsse. Ihr Vater wäre bestimmt noch wach und mache sich Sorgen. Ich dachte ... Oh je, jetzt nach Hause??? Ich ließ mir wie ein Gentleman nichts anmerken und fragte sie nach dem Weg. Wo der nächste Bus hält? Sie beschrieb mir eine Kreuzung. Beim Abschied fragte ich nach einem Wiedersehen. Sie bejahte meine Frage und ich machte mich mit Schmetterlingen im Bauch auf dem Heimweg.

      Heimweg ... Aber wie?

      Oder die Odyssee, lebendig zu bleiben.

      Um es vorwegzunehmen. Die von ihr beschriebene Kreuzung habe ich in dieser Nacht nicht gefunden. In der Nacht ist im Winter in Hamburgs Randgebieten wenig Verkehr und daher kann man sich als nicht Ortskundiger schon einmal verirren. Ich war bis zu diesem Zeitpunkt nur Bahnfahrer und kannte Hamburgs Straßen kaum. Ich ging einfach immer weiter und kam in einem Gewerbegebiet zum Stehen. Ich war wie anfangs beschrieben im Sommeroutfit bei Minus-Temperaturen. Wie sollte es jetzt weitergehen? Es gab noch keine Handys. Ich hatte kein Kleingeld für eine Telefonzelle, um ein Taxi zu rufen. Scheine nahm keine Zelle an. Ich stand da nun an einer verlassenen Ampel mitten in der Nacht und kaum ein Auto kam an mir vorbei.

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