Transsilvanische Briefe. Petra Hartmann
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Petra Hartmann
Transsilvanische Briefe
Vampir-Kurzgeschichte
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Inhaltsverzeichnis
Erster Brief
Schloss Ebonije, den ...
Hallo Julian,
wie du aus dem Poststempel und den (zugegeben: etwas eigenwilligen) Briefmarken auf dem Kuvert ersehen wirst, hat es deine (zugegeben: genauso eigenwillige) Kommilitonin tatsächlich geschafft: Vor einigen Stunden habe ich die rumänische Grenze überschritten und bin inzwischen wohlbehalten auf Schloss Ebonije eingetroffen. Ich bin noch etwas erschöpft von der Reise, habe mir aber bereits für heute Nacht eine ganze Menge vorgenommen. Schließlich ist ein halbes Jahr keine so umwerfend lange Zeit, und ich will meinen Aufenthalt hier so gut wie möglich nutzen.
Die Geschichte kommt mir noch immer wie ein Traum vor. Wenn man bedenkt, dass ich aus über einhundert Bewerbern ausgewählt worden bin für das legendäre Ebonije-Stipendium, von dem wir daheim in der Fledermauswarte nicht einmal zu sprechen wagten, aus Angst, uns lächerlich zu machen, wenn man das bedenkt, es kann einem Menschen schon schwindelig werden. Aber ich sitze wahrhaftig hier in diesem altehrwürdigen Schloss, und vor meinem Fenster erstreckt sich jener Teil der Karpaten, in dem Berichten zufolge die Spätfliegende Ebenholzfledermaus beheimatet sein soll.
Ich weiß, du hast nie an ihre Existenz geglaubt, hast immer gesagt, den Leuten müsse da wohl ein gutgewachsener Abendsegler in den Weg geflattert sein, aber wenn erst mein großes Standardwerk über die Microchiroptera Europas erscheint, wirst du darin auch die ersten Fotos der Spätfliegenden Ebenholzfledermaus finden.
In einer halben Stunde bin ich zum Grafen geladen, auf ein kleines gemeinschaftliches Abendessen. Ich bin schon sehr gespannt auf die Begegnung, denn Graf Alexandru ist nun einmal einer der herausragendsten Fachleute auf unserem Gebiet. Du hast seine Aufsätze über Fledermäuse im rumänischen Volksglauben zwar immer als „Transsilvaniergeschwätz“ abgetan, aber ich denke doch, dass ich bei meiner Suche in ihm einen unschätzbaren Helfer finden werde.
Lukas, der hier im Schloss eine Art Hausmeister, Koch und Mädchen für alles ist, drängelt ein wenig. Er wohnt unten im Dorf und möchte möglichst vor Sonnenuntergang nach Hause kommen. Wenn der Brief heute noch auf die Post soll, muss ich wohl schließen.
Herzlichst
Cornelia
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