Körperangst. Joana Goede

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Körperangst - Joana Goede

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      Joana Goede

      Körperangst

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       EKG

       Psychotherapie I

       Koloskopie I

       Koloskopie II

       Psychotherapie II

       Blasenspiegelung

       Psychotherapie III und Schock

       Impressum neobooks

      EKG

      „Sie sollten mal zunehmen“, sagte der Arzt. Ein dickbäuchiger, älterer Herr. Bodenständig, mit roter Nase und einer breiten Brille darauf. Er hing etwas kraftlos in seinem Drehstuhl hinter einem sehr langen Schreibtisch und betrachtete Minna durch seine Brille hindurch leicht misstrauisch. Vor ihm auf dem Tisch lag Minnas Patientenakte. Minna war lange nicht mehr beim Arzt gewesen, mehrere Jahre nicht.

      „Das ist nicht so leicht“, erwiderte Minna und blickte auf ihre Hände, die sie im Schoß gefaltet hielt. Ihre Finger waren dünn, klar. Ein wenig zitterte sie, weil sie im Wartezimmer so gefroren hatte. Das Fenster war offen gewesen, obwohl es draußen recht kalt war. Diese Kälte hatte sie mit hinüber in den Behandlungsraum genommen. Dort spürte sie eine große Unsicherheit. Sobald Minna einem Arzt gegenübersaß, fühlte sie sich direkt unter Generalverdacht. Sie hasste solche Situationen.

      „Haben Sie Probleme mit dem Essen?“, wollte der Arzt wissen und griff nach einem Kugelschreiber, der vor ihm auf dem Tisch lag. Allerdings schrieb er nicht damit, er drehte ihn nur ungeduldig zwischen den Fingern hin und her.

      Die meisten Ärzte hatten nicht genug Zeit, um sich mit solchen Fällen wie Minna auseinanderzusetzen. Jemand, dem es körperlich und psychisch seit Jahrzehnten schlecht ging und bei dem man die Ursache nicht kannte, wer sollte sich darum kümmern? Minna wurde meistens an Fachärzte abgeschoben, die auch über nicht genügend Zeit für Minna verfügten. Und das brachte selbstverständlich nichts. Da konnte sie es auch einfach lassen und sich den Stress mit den Arztbesuchen sparen.

      Ihre Schwester Lisbeth jedoch, die niemals aufgab, wurde nicht müde, wenn es darum ging, Minna zu helfen. Sie hatte diesen Arzt angeschleppt, der sich angeblich Zeit für seine Patienten nahm. Minna glaubte das auch, denn sie hatte über zwei Stunden im Wartezimmer auf ihn warten müssen. Zumindest über Promiklatsch und Motorräder war sie durch die ausliegenden Zeitschriften bestens informiert.

      Jetzt war sie endlich dran. Einen gehetzten Eindruck machte dieser Arzt jedenfalls nicht.

      Minna zögerte einen Moment, bevor sie antwortete: „Sicher. Ich vertrage nichts. Mir wird von allem übel.“

      Der Arzt tippte mit dem Stift auf die Patientenakte und meinte: „Das ist bedenklich. Aber da Nahrungsmittelallergien und andere Unverträglichkeiten ausgeschlossen wurden, würde ich vielleicht noch eine Darmspiegelung machen. Sie hatten erst eine und die ist fast zehn Jahre her. Magenspiegelungen dagegen hatten Sie viele.“

      „Ja“, brummte Minna. Sie wusste nicht genau, auf was genau sie damit antwortete. Erinnerungen an die Magenspiegelungen mit dem Schlauch im Hals, der einem das Atmen beinahe unmöglich machte und permanente Erstickungspanik auslöste, durchfluteten ihr Gehirn. Der Arzt fuhr unbeirrt fort: „Eine Gewebeprobe wurde da damals bei Ihnen auch nicht entnommen. Das könnte man jetzt nachholen.“

      „Ja“, sagte Minna wieder. Dabei fühlte sie sich willenlos und ausgeliefert. Sie war daran gewöhnt, dass ihr Körper nicht funktionierte und dass bei diesen Untersuchungen nichts herauskam. Ihr Symptomkatalog war elendig lang und verwies auf so gut wie jede Erkrankung. Deswegen löste der Vorschlag einer Darmspiegelung bei Minna hauptsächlich Angst aus. Nicht die Angst, dass etwas dabei gefunden wurde, das hätte sie sogar begrüßt. Nur die Angst vor der Untersuchungssituation selbst – und dass eben wieder nichts gefunden wurde.

      Diese ganze Tortur umsonst.

      Das hatte sie schon zu oft gemacht.

      Sich zu quälen für nichts.

      Sie spürte deutlich, wie ihr die Tränen in die Augen steigen wollten, ihr Kopf wurde ganz heiß. Sie wandte hastig das Gesicht ab und suchte in ihrer Jackentasche ein Taschentuch heraus. Damit putzte sie sich lange die Nase und bemühte sich dabei, möglichst unauffällig auch die Augen abzutupfen. Der Gedanke an eine Darmspiegelung machte sie schon jetzt vollkommen fertig. Doch sie traute sich nicht, etwas dagegen zu sagen.

      „Gehen Sie noch zu einer Psychotherapie?“, fragte der Arzt nun auch noch und Minna, völlig überfordert mit der ganzen Situation, schüttelte nur den Kopf, konnte keinen Ton mehr sagen. Sie riss sich zusammen, presste sie Lippen aufeinander und versuchte sich zu beruhigen. Kaum wagte sie es mehr, aufzusehen, denn ihre Reaktionen waren ihr vor dem Arzt peinlich. Sie wollte nicht, dass er sie für gestört hielt.

      „Ich gebe Ihnen jetzt hier eine Überweisung zur Darmspiegelung und eine Überweisung zur Psychotherapie. Lassen Sie sich von der Sprechstundenhilfe vorn ein paar Kollegen empfehlen. Es gibt hier im Haus einige sehr gute Therapeuten. Ich würde Ihnen empfehlen, einen von ihnen aufzusuchen.“

      Minna hörte, wie der Arzt wieder mit dem Kugelschreiber auf die Akte tippte und sich in seinem Drehstuhl weit zurücklehnte. Außerdem merkte sie, dass er wartete. Es lag eine Spannung in der Luft. Diese Art von Spannung, wenn eine Frage im Raum steht, die sich niemand zu beantworten traut.

      „Ok“, brachte Minna nach einer gefühlten Ewigkeit hervor, kniff sich einmal, hoffentlich unbemerkt, kräftig in die Handfläche, damit der Schmerzreiz sie wieder kurzzeitig zur Vernunft brachte. Dann sah sie endlich auf und blickte direkt in das mitleidige Gesicht des Arztes. Rasch senkte sie ihren Kopf wieder und glaubte zu erröten. Sicher hatte er den weinerlichen Schimmer in ihren Augen gesehen.

      Der Arzt beugte sich nun wieder vor, sogar recht weit auf den Schreibtisch, und sagte mit ruhiger, freundlicher Stimme: „Es geht Ihnen nicht gut. Diese jahrelange Krankheit macht Ihnen sehr zu schaffen. Ich möchte das gern mit Ihnen zusammen angehen, dann werden wir es auch schaffen. Es wird Ihnen wieder besser gehen.“

      Fast hätte Minna gelacht. Sie hatte die Hoffnung darauf, dass es ihr einmal „besser“ ging, aufgegeben, lange schon aufgegeben. In der Regel wurde es eher schlechter. Deshalb hatte Lisbeth sie auch zum Arzt geschickt. Und deshalb hatte ihr Freund Niklas mit Lisbeth gemeinsame Sache gemacht und Minna zu einem erneuten

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