Feindliche Sektoren. Hartmut Höhne

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Feindliche Sektoren - Hartmut Höhne

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in ein schlechtes Licht setzen. Er lochte die beiden Blätter und heftete sie in den Leitzordner. Die aktuellsten Dokumente befanden sich immer obenauf, das hatte sich bewährt.

      Jetzt knurrte ihn sein Magen an, der Frühstückshunger meldete sich. Kein Wunder, hatte Arno doch seit gestern Mittag nichts mehr gegessen.

      Also machte er sich auf den Weg zum Bäcker, oder sollte man eher von einer Brötchenaufbackstation sprechen? Wahrscheinlich würde ein richtiger Bäcker nie einen Fuß in diese immer gleichen Filialläden setzen, in der nur noch vorgefertigte Rohlinge aufgeheizt werden. Auch egal, dachte er, Hauptsache billig.

      Am Straßenrand stapelten sich Zeitungspacken, also musste Dienstag sein. Nur dienstags wurde das Altpapier abgeholt.

      Und typisch! Da waren wieder jede Menge Stapel zu sehen, die durch ausgediente Nylonstrumpfhosen zusammengehalten wurden. Es sah unmöglich aus, ein echter Abtörner.

      An sich ein überaus erotisches Accessoire an schlanken Frauenbeinen, wirkte sie in ihrer neuen Funktion als Paketschnur einfach nur albern und scheußlich. Scheußlich unsexy. Wahrscheinlich war das die Rache alter Frauen für ihren eigenen lust- und ereignislosen Alltag. Den Anderen sollte gefälligst auch die Lust vergehen! Wer weiß, vielleicht huschten zahnlose Alte gerade hinter vergilbten Gardinen hin und her, vielleicht warteten sie gespannt auf die Papiereinsammler und deren Reaktion. Die würden sich natürlich nichts anmerken lassen, schließlich kannten sie schon alles.

      Frischer Brötchenduft waberte jetzt durch die Friedensallee und Arnos Heißhunger steigerte sich minütlich.

      Endlich das überdimensionierte Schild über der schmalen Eingangstür: Fietes Backteam.

      Die Verkäuferin hatte er hier noch nie gesehen, musste wohl Meister Fietes Neuerwerbung sein.

      „Moggääään“, krähte sie, als er eintrat.

      Mein Gott, was ist denn das, durchfuhr es ihn. Stimme wie ein Klingelton und tatsächlich griffen einige Kunden reflexartig nach ihrem Handy.

      Als Arno an der Reihe war, fragte sie:

      „Bitte, der Herr?“

      „Zwei Brötchen bitte.“

      „Normale?“

      „Ja, ganz normale.“

      „Wie viel insgesamt?“

      „Na zwei.“

      „Also zwei. Schrippen oder Rundstücke?“

      „Wo ist der Unterschied?“

      „Schrippen sind, äh, Schrippen und Rundstücke sehen rund aus.“

      „Aha. Nehme ich Rundstücke.“

      „Mehr helle oder dunkle, knusprige?“

      Arno fixierte die Verkäuferin ein paar Sekunden lang, wobei seine Augen sich sukzessive in Sehschlitze verwandelten. Das Namensschild auf ihrer voluminösen Brust wies sie als Frau Zippel aus.

      „Ein helles und ein dunkles, knuspriges, liebe Frau Zippel“, flötete Arno angestrengt.

      „Gemehlt oder ungemehlt?“

      „Ich will 2 scheißnormale Brötchen haben, himmelarschnochmal, keine Anlageberatung!“, bollerte es aus ihm heraus.

      „Gott jaaaa, man fragt ja nur mal ...“, entgegnete Frau Zippel mit eingeschnappter Klingelstimme. Dann verstaute sie das Gebäck endlich in eine Papiertüte und verlangte achtundfünfzig Cent. Die bekam sie. Eine Greisin blaffte:

      „So ein Rüpel.“

      Arno griff sich die Tüte und hastete aus dem Laden.

      „Ja, nee, so ein Rüpel aber auch“, hörte er sie noch keifen.

      Die Hitze machte Arno arg zu schaffen. Schon am frühen Vormittag ging es los mit der unappetitlichen Schwitzerei, kaum, dass er aus der Duschkabine trat. Das würde sich dann bis tief in die Nacht fortsetzen, es wollte einfach nicht richtig abkühlen.

      Für seine Malerei war das helle, sonnige Tageslicht zwar gut, aber das war auch der einzige Vorteil. Im Moment wünschte er sich in ein Eisbärland, mit Eisschollen und Packeis und mit klirrender Kälte. Überhaupt fand Arno, dass er als Hamburger ein natürliches, quasi angeborenes Recht auf schlechtes Wetter hatte. Früher war es besser gewesen, da konnte man sich auf normales Schietwetter verlassen, eine natürliche Konstante im Leben. Jetzt war es doch so, dass jedes Jahr neue Hitzerekorde gemessen wurden, man konnte sich ja kaum noch dagegen schützen. Bald wird die Stadt versanden, sich in eine Wüste verwandeln, argwöhnte er. Aus Sankt Pauli würde Sand Pauli werden und es sähe dann aus wie in Mexiko, na, man dankt.

      Die Fenster der Remise gingen nach Westen raus. Eigentlich noch zu früh zum arbeiten, da es doch gerade erst kurz nach zwölf war. Erst etwas später würde das Sonnenlicht das Atelier optimal ausleuchten, was den Schwarz-Weiß-Kontrast seines Gemäldes dann auch so richtig zur Geltung bringen würde.

      Ach, was soll´s, überlegte Arno, was soll ich mich nach der Sonne richten, ich fange jetzt an.

      Auf der hölzernen Staffelei stand sein unvollendetes Werk, 80 mal 60 Zentimeter geballte Kunst. Zweigeteilt, linke Seite Dreiecke, nur Dreiecke, nur die Außenlinien, der Innenbereich weiß, ineinander verschränkt. Rechte Seite komplett leer, alles weiß, Titanweiß, weißer gings nicht.

      Arno baute sich vor der Staffelei auf, wiegte den Kopf hin und her, dachte nach, führte den rechten Zeigefinger zum Mund, ging ein paar Schritte nach links, ging in die Hocke, betrachtete sich das Ganze aus der Froschperspektive, erhob sich, machte ein paar Schritte nach rechts, krauste die Stirn, stemmte die Hände in die Seiten, verzog den Mund, machte einen Schritt nach vorne, dann zurück, kratzte auf seinem Kopf herum und generierte schließlich einen Laut, der sich anhörte wie hmmm, hmmm. War es das? Ja, eigentlich schon.

      Die vielen Dreiecke beruhigten ihn. Es waren klare, geometrische Figuren mit drei Ecken. So was konnte nicht schlecht sein, drückten sie doch eine morphologische Klarheit, ach was, Klarheit, Reinheit aus, die jeder Kritik mühelos standhalten würde. Für seinen Stil hatte er den Begriff Triangulismus entwickelt. Das Dreieck stand für ihn als Symbol des Absoluten, des Göttlichen, der Trinität von

      Vollkommenheit, Makellosigkeit, Unfehlbarkeit,

      oder auch für

      Einfachheit, Sachlichkeit, Klarheit.

      Widersprüchlichkeit, Indifferenz, Zweifel und all so was hatten in der Kunst nichts zu suchen.

      Zweifel = Nichtfischundnichtfleisch = gar nix.

      Da legte sich jäh ein fetter Schatten über die Leinwand, dann hörte Arno auch schon ein nervöses Trommeln auf der Fensterscheibe.

      Pinzke. Wer sonst? Nur Pinzke hatte diese idiotische Angewohnheit, erst durchs Fenster zu glotzen, um dann darauf herumzuklöppeln. `Wozu hab ich eigentlich eine Klingel, verdammt´, fluchte Arno in sich hinein.

      Der Vermieter zeigte sein debilstes Grinsen und gestikulierte dabei herum wie ein Rumpelstilzchen. Es nützte nichts, Arno musste die Tür öffnen,

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