Märchen helfen heilen. Gudrun Anders

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Märchen helfen heilen - Gudrun Anders

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bearbeiten. „Schreib’ auf, was du gesehen hast!“ sagte die Stimme - wo kam sie bloß her? - hinter mir jetzt etwas eindringlicher.

      „Nein,“ antwortete ich laut, obwohl ich mich selbst für verrückt erklärte, weil ich mit jemandem redete, der gar nicht da war und untersuchte vorsichtshalber alle Schränke, um sicher zu gehen, dass niemand einen Scherz mit mir trieb.

      „Du schreibst jetzt!“ sagte diese Stimme dann mit so einer Kraft, dass ich es mit der Angst zu tun bekam. Ich wollte fliehen, aber das war nicht möglich. Eine unsichtbare Kraft legte sich auf meinen Arm und drehte meinen Sessel in Richtung Schreibmaschine um. Meine linke Hand wurde zur Schreibtischschublade geführt und ich sah, wie ich ein weißes Blatt Papier aus der Lade nahm und in die Schreibmaschine einspannte. Ungewollt tippte ich die Worte „Es war einmal...“ auf das Papier und wurde erst wieder „wach“, nachdem ich einige Seiten beschrieben hatte. Später las ich, was ich gerade geschrieben hatte:

      Es war einmal …

       an einem wunderschönen Frühlingsvormittag, als ein kleines Engelchen in mein Gebiet kam. Es sah niedlich und friedfertig aus. Es hatte ein feines Kleidchen aus reiner, weißer Seide an. Nackt waren seine Füße, aber an diesem Tag schien die Sonne und so störte das nicht weiter. Es hatte lockiges Haar, das sacht über seine Schulterchen floss und in der Sonne schimmerte, als sei es golden.

      

       Aber als ich näher hinsah, entdeckte ich einen traurigen Blick auf dem Gesicht des kleinen Engels. Also war ich aufgerufen, hier zu helfen. Ich konnte aber nur helfen, wenn der Kopf des Engelchens auf Empfang geschaltet war, sonst waren alle meine Bemühungen vergebens. Also probierte ich es.

      

       „Hallo, Engelchen, hörst du mich? Kannst du mich verstehen? Hallo, bitte hör’ mich doch! Hallo, Engel, bitte antworte mir. Ich möchte dir helfen!“ Aber so sehr ich mich auch bemühte, es hörte mich nicht. Es war so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass es mich nicht mehr wahr nahm und was um es herum passierte. Es war nicht mehr offen für die natürlichsten und selbstverständlichsten Dinge auf dieser schönen Erde. Und wenn selbst ich nicht durchkommen konnte, wer sollte es dann sonst schaffen?

      

       Verzweifelt grübelte ich, wie ich dem Engelchen helfen konnte, aber noch war mir keine Lösung eingefallen. Nur eines wusste ich: In diesem Territorium gab es Sümpfe und Moore des Übels und des Grauens, aus denen es kein Entrinnen mehr gab, wenn man sich erst mal darin verstrickt hatte, aus eigener Kraft sich nicht hinaus winden konnte und - und das ist das Wichtigste von allem - wenn man mich nicht zu sich ließ. Aber dieses Engelchen sah so unschuldig aus - es musste doch einfach einen Weg geben, es von diesen furchtbaren Sümpfen fern zu halten. Aber so sehr ich auch nachdachte, mir fiel nichts ein. So begleitete ich es seinen ganzen tristen und trüben Weg entlang und wich nicht von seiner Seite. Trotzdem bemerkte es mich nicht.

      

       „Sowas Dummes, „ hörte ich das Engelchen murmeln, „niemand hat mich lieb. Alle sind gegen mich. Alle wollen nur Böses von mir. Keiner gibt mir Liebe. Ich habe es doch wirklich versucht. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Die Welt ist so grausam.“ Und ich versuchte es zu warnen, versuchte, ihm zu erklären, dass die Welt erst dann grausam wird, wenn es die Welt dafür hält, aber ich hatte keine Chance. Zu sehr war es in Selbstmitleid und Hass gegen sich selbst verfangen, als dass es mich hätte hören können. Aber ich gab meine Bemühungen nicht auf. Ich glaubte an mich und meine Fähigkeiten und ich glaubte, dass das Engelchen es schaffen würde, sich aus diesen Sümpfen, wenn es sich darin verfangen sollte, wieder zu befreien. Langsam trottete es seines Weges, sah nicht nach rechts und nicht nach links. Sah immer nur auf den Boden und sah ihn trotzdem nicht, sonst hätte es bemerkt, dass der Boden langsam aber stetig immer feuchter wurde und es sich dem Sumpf der Verzweiflung näherte.

      

       Hier saß die Krake Unglaub und freute sich schon auf ein neues Festessen. Ich konnte sie schon singen hören: „Komm her, mein Engelchen. Bei mir bist du ganz richtig. Diese Welt ist böse und schlecht. In meinem Sumpf wirst du dich in Dreck und Modder wühlen können. Dann wirst auch du den Geruch der Welt annehmen. Das Atmen wird dir schwer fallen und dann wirst du froh sein, von dieser Welt zu gehen.“

      

       Ja, das war ihr Klagelied. Tag für Tag und Nacht für Nacht. Und sie fand immer wieder ihre Opfer! Ich bin bis heute nicht dahinter gekommen, warum es so viele gab, die es hierher zog und ich für mich werde diese Lösung wohl nie erfahren. Und wenn ich ehrlich bin, so erpicht darauf, das zu erfahren, bin ich eigentlich auch nicht. Ich machte mir nur Gedanken um mein kleines Engelchen, das immer noch weinend und klagend neben mir marschierte und mich noch immer nicht hören konnte. Merkte es denn nicht, dass es nun schon mit den Knöcheln im Sumpf steckte? Merkte es denn nicht, dass das Gehen immer und immer schwerer wurde?

       Der Matsch setzte sich an seinen Füßchen fest und spritzte sein schönes weißes Hemdchen voll, so dass auch bald schon das bislang noch reine Hemdchen ganz dreckig und traurig aussah. Immer weiter ging es in den Sumpf hinein, immer schwerer kam es voran, immer höher wurde der Sumpf und immer näher kam es der alten Krake Unglaub. Die ersten kleinen, bösen Geister schwirrten um das Engelchen herum, flüsterten schlechte Dinge über die Welt und das Leben in das Ohr des Engelchens und dafür war es eigenartigerweise offen. Jedes Wort sog es auf wie ein Schwamm. Kein Wunder! Wurde es doch durch die Geister in seiner Meinung bestärkt. Bis zu den Hüften steckte es im Schlamm, nur noch ein paar Meter und es war im Gebiet von Unglaub!

      

       Und das Engelchen ging immer weiter, kämpfte sich voran. Mir wurde langsam das Atmen zur Qual. Wie konnte man hier überhaupt noch atmen? Aber ich vertraute darauf, dass wir es irgendwie schaffen würden. Noch waren wir nicht verloren! Es musste einen Weg geben. Da kam Unglaub. Mir blieb die Spucke weg. Mit lüsternem Blick kam es auf das Engelchen zu, beleckte sich die Lippen, freute sich auf das Festmahl. Die Augen von Unglaub quollen fast über vor Erwartung. Langsam streckte es seine glitschigen Arme aus. Überall Matsch - und Unglaub suhlte sich darin, als sei es ein wohltuendes Erfrischungsbad. Mir wurde ganz schlecht. Langsam musste ich mir aber wirklich etwas einfallen lassen, sonst war das Engelchen verloren.

      

       Jetzt hatte Unglaub es erreicht, fasste es am Arm, zog es zu sich herüber. Ich zerrte mit aller Kraft am anderen Arm, aber Unglaub war stärker. Jetzt lag das Engelchen willenlos in seinen Armen. Das war ein Bild! Ein Engelchen mit schönem Gesichtchen in den Armen einer Riesenkrake, die grün und glitschig war. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Hell und Dunkel - so war auch der Anblick dieses Bildes. Es zerriss mir fast das Herz.

      

       In einer Anwandlung von Güte hob Unglaub das Engelchen auf seine Arme, wog es hin und her. Das Engelchen schien zu schlafen, es lag dort in den Armen wie tot, zu keiner Regung mehr fähig. Leblos, hoffnungslos, einsam und allein, völlig hilflos. Da kam mir die Erleuchtung. Ein Vogel musste her. Und ganz stark wünschte ich mir, dass ein kleiner Vogel uns helfen möge. Wenn ich schon nicht sichtbar werden konnte, dann vielleicht ein kleines Vögelchen mit Flügeln, das heraus fliegen konnte aus diesem Sumpf. Ein Vögelchen, das so klein war und doch immer ein fröhliches Liedchen trällerte. Ein Vögelchen, das Meister war über sein Leben, dem kein Berg zu hoch und kein Wasser zu

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