Ach komm!. Mark G. Hauser
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ach komm! - Mark G. Hauser страница
Mark G. Hauser
Ach komm!
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Donnerstag
Donnerstag
Ewald hatte es satt. So konnte es nicht weiter gehen. Das war dann doch einfach zu viel. Und der Zustand hielt auch schon viel zu lange an. Er wusste schon gar nicht mehr, seit wann er nun auf dem Stuhl in seiner Küche saß und auf die Pistole, die er vor sich auf dem Tisch liegen hatte, starrte. Er würde sie benutzen. Bald. Die Zeit dafür war reif. Oder doch lieber nicht? Wieder kamen diese Zweifel, die ihn schon so lange von seinem Vorhaben abgehalten hatten. Der Gedanke an die Risiken, die so ein Vorhaben mit sich brachte, hatte ihn immer wieder davon abgebracht, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Aber er musste es tun. Er musste. Es gab keine Alternativen mehr, keinen Ausweg. Zu lange hatte er nach anderen Möglichkeiten gesucht, um seiner misslichen Lage zu entkommen, doch jeder seiner bisherigen Pläne war grandios gescheitert. Im Gegenteil, je länger er versuchte, seine Situation zu verbessern, desto schlimmer wurde sie. Er musste zu radikaleren Mitteln greifen, alles andere hatte er schließlich schon probiert. Aber gab es denn wirklich keine andere Lösung? Konnte es wirklich nur diesen einen Weg geben? Und wenn ja, würde er diesen Weg auch wirklich gehen? Ewald hob seinen Blick und sah auf die alte Uhr, die oberhalb der Küchentür hing und langweilig vor sich hin tickte. Halb elf. Draußen war es bereits stockdunkel. Es brannten zwar einige wenige Straßenlaternen, aber die, die direkt vor seiner Wohnung brennen sollte, war schon seit Wochen kaputt. Seine kleine Küche wurde von einer einzigen Glühbirne erleuchtet. Nun ja, vielleicht nicht gerade erleuchtet, aber zumindest war es nicht dunkel. Den Lampenschirm hatte er vor einigen Wochen für ein paar Euro verkauft, die Birne hing also einfach so von der Decke. Aber wen kümmerte das? Er versuchte sich daran zu erinnern, wann er das letzte Mal Besuch hatte, konnte aber keinen exakten Zeitpunkt bestimmen. Und ihm selbst war es egal, ob der Lampenschirm nun bei ihm oder bei irgendjemand anders an der Decke hing, solange die Glühbirne ihren Zweck erfüllte. Und das tat sie. Für die kleine Küche reichte es allemal. Sein Blick wanderte in Begleitung eines Seufzers durch eben jene, über die kleine Anrichte, auf dem der kleine, tragbare Fernseher stand, auf dem irgendeine sinnlose Sendung flimmerte, neben dem Herd, der nur noch zur Hälfte funktionierte, oberhalb der Backröhre, die zwar an sich bis auf die Beleuchtung in Ordnung war, die er aber noch nie benutzt hatte, seit er vor gut einem halben Jahr hier eingezogen war, bis hin zur Spüle, bei der er immer erst eine Minute den Hahn aufdrehen musste, wenn er denn zumindest halbwegs sauberes Wasser haben wollte. Sein Blick ging zurück zu der Pistole, die immer noch auf dem kleinen Holztisch vor ihm lag. Er musste es tun. Wie ging doch der Spruch? Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen? So oder so ähnlich. Wobei, so ungewöhnlich war seine Situation ja gar nicht. Man hörte doch von immer mehr Leuten, die an den Punkt gekommen waren, an dem sie einfach nicht mehr weiter wussten. An dem sie keine anderen Möglichkeiten mehr sahen. Genauso wie er. Der Unterschied zu den anderen bestand jedoch darin, dass Ewald einen Plan hatte. Jetzt musste er ihn nur noch umsetzen. Aber war er dazu in der Lage? Konnte er das wirklich tun? Verzweifelt genug war er ja. Doch, er würde es durchziehen. Er durfte bei seiner Planung nur nichts vergessen, dann würde es auch klappen. Schließlich waren auch schon andere damit durchgekommen, warum sollte ausgerechnet er scheitern? Dumme Frage, natürlich, weil er schon so oft gescheitert war. Im Beruf. In seiner Ehe. An seine Schulzeit wollte er gar nicht denken. Aber dieses Mal würde er erfolgreich sein, dieses Mal würde er es ihnen allen zeigen. Seiner Exfrau, seinem ehemaligen Chef und sogar dem Typen vom Arbeitsamt. Allen würde er es zeigen, dass er, Ewald Seifert, kein Versager war. Aber zunächst würde er den neuen Lottoschein ausfüllen. Wie immer hatte er auch diese Woche daneben getippt. Aber er gab die Hoffnung nicht auf, schließlich hatte auch dieses Mal niemand den Jackpot geknackt und somit blieb ihm eine weitere Chance, Millionär zu werden. Um wie viele Millionen ging es nochmal? Sechzehn? Er wusste es nicht mehr. War ja auch egal. Alles war besser, als das, was er im Moment hatte, was im Grunde genommen gar nichts war. Er nahm einen Kugelschreiber aus der Schublade, die unterhalb der Tischplatte angebracht war, und begann seine Kreuze zu setzen. Neun, dreizehn, vierzehn, einundzwanzig, dreiundzwanzig und dreiunddreißig. Seit Ewigkeiten spielte er diese Zahlen. Er wusste nicht einmal mehr, warum er sich für diese entschieden hatte. Was er wusste war aber, dass er außer zehn Mark und achtzig Pfennig vor knapp zwanzig Jahren noch nie etwas gewonnen hatte. Aber umso wahrscheinlicher musste es doch sein, dass er irgendwann einmal der Gewinner wäre, wenn er seinem System treu blieb. Und dann wäre er Millionär und hätte es ihnen endlich allen gezeigt. Seiner Exfrau, seinem ehemaligem Chef und dem Typen vom Arbeitsamt. Ihnen allen hätte er dann gezeigt, dass er, Ewald Seifert, kein Versager war. Dass er eigentlich der Gewinner und sie die Versager waren. Alle zusammen. Er war ja eigentlich nicht schadenfroh und war es auch nie gewesen. Aber in diesem Fall würde er sich schon sehr freuen, wenn er den dicken Fisch an Land ziehen würde und die anderen alle leer ausgingen. Wenn er richtig abgesahnt hätte und einfach das Leben genießen würde, während die anderen noch jeden Tag in ihre Arbeit rennen und schuften müssten. Er nahm die Pistole vom Tisch, packte sie zurück in die Schachtel, auf der ein lachendes als Cowboy verkleidetes Kind abgedruckt war, und legte sie wieder in die Schublade unter dem Tisch. Danach nahm er die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ab. Er musste in sein Bett, damit er für den morgigen Tag ausgeruht war. Das würde sicher nicht ganz einfach werden, aber er würde erfolgreich sein. Endlich.
Freitag
Freitag
Pünktlich um sieben Uhr dreizehn klingelte Ewalds Wecker. Er hatte schon immer die Ansicht vertreten, dass nur Spießer ihren Wecker zu vollen Viertelstunden klingeln lassen würden. Heute hatte er die Weckzeit extra früh eingestellt, um auf jeden Fall genug Zeit für seine Vorbereitung zu haben, doch während er sich noch umdrehte, drückte er mit geschlossenen Augen auf die Schlummertaste. Schließlich hatte er ja noch Zeit und wenn er eine halbe Stunde länger schlafen würde, bliebe immer noch genug Zeit.