FitShop. Dominik Rüchardt

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für die Jugend und die, die gesehen werden wollten, hinten, in der verschachtelten Freianlage des Zollhauses, für die, die lieber unter sich waren.

      Und die Jugend verdiente sich Geld, indem sie den Kiosk schmiss – zumindest den Teil des Geschäftes, der allgemein bekannt war.

      Und sie spannen herum mit allen möglichen eigenen Ideen, die gut zu der aus der Zeit geworfenen Rolle des Zollhauses passten. Stück für Stück eroberten sie das alte Gemäuer, ersannen den möglichen früheren Zweck der unterschiedlichen Elemente der Anlage: Speicher, Wachräume, Ställe, Kapelle, Gerichtsraum, Kerker - auch das alte Badehaus hatten sie kürzlich entrümpelt. Nebenbei arbeiteten sie immer weiter an ihrer Idee, Mittelalterspiele auszurichten. Damit war Leben in der Bude und der Betrieb lief – und hatte er Zeit für die wichtigen Dinge.

      Doch die kümmerten ihn gerade wenig. Entspannt und leichtfüßig sprang er barfuß über die Stufen der hintern Terrasse, um diese Zeit war dort nichts los, ging durch die angenehm kühle alte große Speicherhalle, die sie nun für Veranstaltungen nutzten, und durch eine Nebentüre zur oberen Terrasse wo er, etwas abseits gelegen, seine private Ecke hatte. Das alte Zollmeisterbüro. Von hier konnte er den gesamten vorderen Bereich überblicken: Kiosk, Terrasse und den Eingang zu den Kneipenräumen.

      Für ihn war es eine Freude, den jungen Menschen zuzusehen, wie sie den Laden führten. Mit einem Gemisch aus unendlicher Lässigkeit, Neugierde und permanenter Balz wechselten sie andauernd zwischen sich kümmern und sich präsentieren. Ihnen fühlte er sich verantwortlich. Sie wurden seiner Ansicht nach viel zu sehr missbraucht in einer Welt, die sich in eine riesige technische Spielhalle der Selbstoptimierung verwandelt hatte. Er beneidete sie nicht. Seine eigene Jugend hatte er noch auf Demos in Schwandorf, Ohu und Niederalteich verbracht. Im Kampf gegen Atomkraft und Staatsgewalt, mit Rufchören gegen Wasserwerfer. Diese Erfahrung echten Lebens entging der jungen Generation. Deren Abenteuer waren virtuell und rundum abgesichert.

      Doch hier, bei ihm, durften sie echtes Leben leben. Das war sein moralischer Ausgleich für das, was er im dunklen Teil seiner Geschäfte trieb.

      Auch sein eigner Sohn Tom gehörte dazu. Doch derzeit war er weit weg, in einem anderen Leben. Er studierte hunderte Kilometer entfernt und das war auch gut so. Tom bildete für ihn die Brücke zu den jungen Leuten, aber er sollte nicht unbedingt in seine Fußstapfen treten. Zumindest nicht so bald.

      Er hatte es sich gerade gemütlich gemacht, als er Pavel um die Ecke biegen sah.

      Braungebrannt, mit geöltem Haar, Goldkettchen und Hawaiihemd, wie er so daherschlenkerte sah er aus wie aus einem schlechten Film, aber das war sein Stil.

      Pavel klatschte Julia und Flynn am Kiosk ab, achtete aber dann nicht weiter auf sie sondern sah gleich zu Gerhards Platz hoch. Das war auffällig. Einer wie Julia würde er eigentlich mehr Zeit widmen. Stattdessen bog er direkt ab, sprang die paar Stufen hoch und stand an seiner eisernen Gartentüre, die den Privatbereich abtrennte. Mit flinkem Griff drückte er den verborgenen Knopf zum Öffnen und bog in einer eleganten Drehung um die Ecke zu ihm an den Tisch.

      Noch bevor Gerhard den Mund aufbekam klatschte Pavel auf einen Stuhl und meinte in seinem typisch uninteressierten Tonfall: „Es gibt Neuigkeiten.“

      „Ja, und?“

      „Anton Vogel ist tot.“

      „Anton Vogel? Der Autobastler?“

      „Genau, der. Nur ist er nicht nur tot, sondern er wurde aus der Donau gezogen. In einem weißen Alfa Spider mit tschechischem Kennzeichen.“

      „Oh.“

      „Genau, oh.“

      Nicht nur, dass das für Gerhard 700€ Einnahmenverlust im Monat bedeutete, das konnte er verkraften, ja er wollte sich eh lieber aus dem Geschäft mit Kleinkriminellen zurückziehen. Schlimmer war der Alfa.

      „Dann lass uns Augen und Ohren aufhalten.“

      Verdacht

      Mit einem Eiersandwich in der Hand saß Greta auf dem Balkon der Wache und studierte die Unterlagen. Die Kollegen hatten erstaunlich schnell gearbeitet und zufrieden kaute sie einen Bissen nach dem anderen, ständig in Sorge, Mayonnaise auf den Bericht zu tropfen. Aber sie hatte Hunger und war gierig.

      Zuhause wurde der Linsensalat warm. Linda würde sicher einen großen Bogen darum machen und Thomas überreden, mit ihr eine Pizza zu bestellen. Ihre Familie war keinen Deut besser als der Rest der Welt, wie sie immer wieder einsehen musste. Voller Träume über eine bessere Welt, aber dann doch faul und bequem.

      Aber ihre Familie war ihr Anker in der normalen Welt, ohne den sie hilflos davontreiben würde in der großen Freiheit des Ozeans der Versuchungen. Insgeheim wäre sie am liebsten Verbrecherin geworden, das war ihr wollüstiger Traum. Der Verbrecher, der aus eigener Kraft und Intelligenz sein Umfeld beherrscht, völlig ohne die stützende Kraft der Gesellschaft. Das hatte etwas Magisches für sie. Der sich nicht um all die Regeln schert, die das Leben versauern, sondern tut, was er für richtig hält, klug, mit Bedacht, aber ohne Skrupel.

      Sie hatte sich aber nie getraut. Hatte sich vielmehr vor sich selbst beschützt und sich einen Beamtenjob und einen Sicherheitstechniker als Ehemann zugelegt. Doch die Wollust blieb und ihre stille Freude, mit dem Verbrechen auf Augenhöhe zu leben. Die gleiche Wollust, mit der sie nun tropfend und sabbernd den Eiersandwich aß, während sie versuchte, sich in ein Verbrechen zu versenken.

      Am Tatort, so nannte sie es jetzt, war alles routiniert abgelaufen. Storm hatte sich nach ihrer Begegnung auf allen Vieren heldenhaft angestrengt, um seinen lüsternen Blick in ihr ungeschütztes Dekolletee vergessen zu machen und Drang hatte sich vorbildlich um das Auto gekümmert. Und obwohl Storm immer noch diensteifrig wie nie um sie herumstolzierte, beschloss Greta vorübergehend, ihm im Dienst in Zukunft die persönliche Herausforderung zu ersparen und sich korrekt zu kleiden.

      Etwas anderes bewegte sie nämlich sehr viel mehr: der Bericht. Er wies, bei aller Beflissenheit, Spuren auf, die sie zur Verzweiflung trieben. Alle beide, Storm wie Drang, waren praktisch unfähig in Rechtschrift. Der kurze Text war so voller Fehler, dass er kaum als Beweismaterial taugte.

      Sie wusste inzwischen: die beiden konnten eigentlich nichts dafür, doch Trost war das keiner. Storm wie Drang waren ganz gewöhnlich begabte Menschen, doch hatten sie beide im Zeitalter der automatischen Textkorrektur auf Computern und Mobilgeräten einfach nie schreiben gelernt.

      Das kam nun gnadenlos heraus. Die Polizei hatte zwar inzwischen auch nicht mehr die mechanischen Reiseschreibmaschinen, auf denen Greta jahrelang Verbrechen und Ordnungswidrigkeiten protokolliert hatte, sondern ein zentrales Computersystem, aber das hatte keine automatische Rechtschriftkorrektur, was bei alle anderen Geräten längst Standard war. Aus einem einfachen Grund: Das Risiko, dass das System sich selbst seinen Text ausdachte, war einfach viel zu groß und ein Spezialsystem für die Polizei wollte kein Hersteller zu einem vertretbaren Preis anbieten.

      Wenn sie sich zuhause über die grausame Schreibkunst ihrer jungen Beamten beklagte, rollte ihre Tochter Linda nur mit den Augen: „Mama, Du bist ja so was von gestern“ meinte sie dann und nicht einmal ihr Mann Thomas widersprach. Das ärgerte sie besonders. Stattdessen wedelte er mit Dokumenten seiner chinesischen Lieferanten und erklärte, die Chinesen hätten auch eine Bilderschrift.

      Das war zwar richtig, aber Gretas Ansicht nach dennoch ein falsches Argument. Sie war der Meinung, Schreiben sei eine Kulturtechnik, die sich die Menschheit mühsam

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