Kristallblut. Patricia Strunk
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Der Kiresh verhielt nicht einmal den Schritt. „Steck die Waffe weg, Junge. Ich kämpfe nicht gegen ein Kind.“
Damit traf er genau Kenjins empfindlichen Nerv. Ishiras Bruder lief vor Wut rot an. „Ich bin kein Kind mehr!“ schrie er und fuchtelte mit der Waffe vor ihrem Begleiter herum. „Ihr habt meine Schwester lange genug drangsaliert! Verschwindet endlich und lasst uns in Frieden!“
„Hör auf, Ken!“ rief Ishira flehentlich. „Du kannst nicht gewinnen!“
Kenjin blieb stur. Der Körper des Kiresh spannte sich. Mit bloßen Händen stürzte er sich auf ihren Bruder. Sie schrie auf, als dessen Klinge zustieß, doch ihr Begleiter wich dem Kesh mit Leichtigkeit aus und duckte sich unter Kenjins ausgestreckten Arm weg. Bevor dieser wusste, wie ihm geschah, hatte Kiresh Yaren ihn von hinten gepackt und drückte ihm den linken Unterarm gegen die Kehle. Mit der anderen Hand umklammerte er Kenjins Schwertarm am Ellbogen und machte ihn somit bewegungsunfähig. Mit einem gezielten Fußtritt schlug er ihrem Bruder das Kesh aus der Hand. Dann drehte er ihm den Arm auf den Rücken. Kenjin schluchzte auf, mehr vor Wut als vor Schmerz.
Ishira machte sich darauf gefasst, dass der Kiresh sie schlagen, anschreien oder zumindest zur Rede stellen würde, doch er sah sie nur mit der für ihn so typischen ausdruckslosen Miene an. „Es war dumm von euch wegzulaufen“, sagte er. „Damit habt ihr Helons Wohlwollen verspielt.“ Seine Stimme klang unnatürlich flach, als wäre er bestrebt, jede Emotion darin zu unterdrücken.
Sie senkte den Kopf, unfähig seinem Blick länger standzuhalten. Sie hatten verloren. Die Götter wollten nicht zulassen, dass sie von dem Weg abwich, den sie ihr vorgezeichnet hatten. Aber am meisten schämte sie sich dafür, dass ein Teil von ihr darüber froh war.
„Elendes Sklavengezücht!“ zischte eine Stimme hinter ihnen.
Ishira fuhr herum. Etan humpelte auf sie zu, nackte Wut in den Augen. Mit der linken Hand hielt er sich ein zusammengefaltetes Tuch an den Kopf, auf dem sich ein großer roter Fleck gebildet hatte. Sein brennender Blick fixierte Kenjin. „Dafür wirst du bezahlen.“ Er ließ das Tuch fallen und bückte sich, um sein Kesh aufzuheben.
„Nein!“ Ishira vergaß ihre schmerzenden Rippen und sprang auf.
Mit einer halben Drehung stellte Kiresh Yaren sich zwischen Kenjin und Etan. „Was hast du vor? Willst du den Jungen umbringen?“
„Ich gratuliere zu deinem Scharfsinn, Yaren. Und jetzt tritt zur Seite!“
Ishiras Begleiter rührte sich nicht.
„Verdammt noch mal, Yaren!“ schrie Etan ihn an. „Was ist los mit dir? Die kleine Ratte hat dich doch genauso angegriffen! Willst du ihn damit etwa davonkommen lassen?“
„Davon ist keine Rede“, konterte Kiresh Yaren ruhig. „Aber es ist nicht an uns, über seine Strafe zu befinden, sondern am Shohon. Vergiss nicht, weshalb der Junge hier ist.“
Etans Augen verengten sich. „Ich frage mich eher, ob du nicht etwas vergessen hast.“
„Was willst du damit sagen? Warst du aus diesem Grund so versessen darauf, mich zu begleiten? Dachtest du, ich würde das Mädchen und ihren Bruder womöglich laufen lassen?“
„Sagen wir, ich wollte sichergehen, dass du die richtige Entscheidung triffst.“
Kiresh Yaren schnaubte. „Die richtige Entscheidung? Hast du allen Ernstes geglaubt, eine Sklavin könnte mich vergessen lassen, wem meine Loyalität gehört?“ Er nickte in Richtung der Pferde. „Lass uns zurückreiten.“
Ishira atmete auf, als der andere sein Kesh wegsteckte, obwohl die Worte ihres Begleiters sie trafen wie Peitschenhiebe.
„Wir beide werden reiten“, erklärte Etan. „Die da werden zu Fuß gehen, wie es sich für entflohene Sklaven geziemt.“
Kiresh Yaren stieß entnervt die Luft aus. „Jetzt verkompliziere die Dinge nicht unnötig, Etan. Ich will nicht noch mehr Zeit vergeuden.“
„Wer vergeudet hier Zeit? Wir bläuen deinen Sklaven nur den nötigen Respekt ein.“ Etans Lippen verzogen sich zu einem bösartigen kleinen Lächeln. „Wenn du es eilig hast, lass sie eben schneller laufen.“
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