ALLTAG & EKSTASE. Rebekka Kricheldorf

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ALLTAG & EKSTASE - Rebekka Kricheldorf

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Gitta wirft den Joint vom Berg. Braves Mädchen. Pause Sie sagen, es wäre Betrug. Betrug an der Weite, die du künstlich erhabener machst. Dein Schicksal ist ab jetzt, die Dinge sehen zu müssen, wie sie sind. Ihre nackte, unverzerrte Wahrheit.

      GITTA Die Wahrheit wurde schon immer schwer überschätzt.

      JONAS ruft ins Off Hallo? Gehts hier mal weiter oder was?

      Pause

      Gitta hakt sich vom Seil los, stapft zu Jonas rüber und umarmt ihn.

      GITTA Nimm mich.

      JONAS Bist du lebensmüde?

      GITTA Nimm mich. Ich brauch das jetzt.

      JONAS Gitta, du hakst dich jetzt sofort wieder ein. Gitta bleibt reglos stehen und hält Jonas umklammert. Schweigen Ich hab noch nie nüchtern Sex gehabt. Das macht mir Angst. Gitta löst die Umklammerung, stapft zurück und hängt sich wieder ein.

      GITTA Ich hab früher immer gern bekifft gevögelt. Aber am schönsten wars, wenn man vom Koks runterkam. Wunderbare Nachmittage, für immer verboten. Pause So eine Scheiße! Du kannst mich hier nicht so hängen lassen, so mit mir selbst, meinem grausam klaren Kopf und diesem bösen, bösen Berg. Und ich, ich muss mich hier an der Natur berauschen, kann ich aber nicht, denn die hat absolut nichts Berauschendes, diese scheißblöde Natur! Und der Kick der Anstrengung, Selbstüberwindung, physischen Grenzerfahrung, der hat auch nichts Berauschendes, Adrenalin, Dopamin, Endorphin, wo bleibt ihr, und was noch alles, was noch alles versuchen, soll ich mich an guter Literatur berauschen? An Musik? Im Sessel sitzen, Roibuschtee trinken und zur Erhebung Gustav Mahler hören?

      JONAS Ich würd ja, wenn ich könnte, aber ich kann nicht. Die Angst lähmt mich.

      GITTA Ja ja. Bei der Entjungferung besoffen, bei der Amoure auf Klassenfahrt bekifft und die große Liebe nur auf Ecstasy gevögelt. Was bist du für ein Mann.

      JONAS Ich würd ja, wenn ich könnte, aber ich kann nicht. Weil mich der fremde, nackte Körper im kalten Licht der totalen geistigen und emotionalen Klarheit in eine existenzielle Panik versetzt.

      GITTA Du, mein Sohn, bist verdammt, fürderhin zu wandeln auf Erden ohne jedwedes chemische Hilfsmittel. Dein Fluch sei die Wahrheit, deine Geißel die Klarheit. Im Taumel der trunkenen Leiber wirst du der einzig Nüchterne sein. Setz dich nicht hin und heule und klage. Such einen Berg, auf den du rennen kannst, aber stürz dich nicht von seiner Spitze ins Tal aus eitel Verzweiflung, denn das Leben will nur eins und zwar gelebt sein, bis zum wahrscheinlich nicht mal bitteren, sondern eher banalen Ende, dessen Zeitpunkt ich bestimme und nur ich.

      JONAS Das Programm des vernünftigen Lebens ist nicht durchzuziehen. Er hakt sich los und geht an die Gipfelkante.

      JONAS Ich glaube nicht an Gott. Ich glaube nicht an die Liebe. Ich glaube nicht an die Weltrevolution. Ich glaube an mein zerebrales Belohnungszentrum.

      GITTA Jonas!

      JONAS Keine Angst. Ich gucke nur.

      GITTA Was siehst du?

      JONAS Menschen. Aufgereiht wie Perlen an der Schnur. Menschen, so weit das Auge reicht.

      GITTA Menschen wie wir.

      JONAS Glaubst du, das sind alles Ex-Junkies? Die weltweite Elite der Süchtigen auf der Suche nach dem Ersatz-Kick?

      GITTA Jedem von denen da unten wurde sicher das ein oder andere weggenommen. Die ein oder andere Flucht gestrichen. Vom Partner. Vom Arzt. Vom Karma. Sonst wären die nicht hier.

      JONAS Wer sie sich leisten kann, die Erlösungs-Industrie.

      GITTA Wo haben die alle nur die Kohle her?

       Pause

      GITTA Was wir hier machen, ist ganz schön peinlich.

      JONAS Ich habe kein Problem mit der Erkenntnis, haargenau wie alle anderen zu sein.

      GITTA Für jemanden wie mich, der sich sein ganzes Leben lang für auserwählt und besonders hielt, ist es ein harter Schlag.

      JONAS Liebe Gitta, schau dich um, du bist nicht auserwählt.

      GITTA Mist.

      JONAS Du formierst mit uns anderen Outlaws eine Herde Andersartiger, eine Masse Sonderlinge, einen Pulk Freaks.

      GITTA Mist. Sollte ich leidenschaftlichster aller Touristen-Verächter nun etwa zahlendes Mitglied der übelsten aller Touristenhorden geworden sein, der - brr! - Horde der Individual-Touristen?

      JONAS Willkommen im Club. Auch du hast die Erlebnis-Maschine mit Geld gefüttert, das du Zuhause irgendeinem liebesblinden Trottel aus der Tasche ziehen musstest.

      GITTA Nee nee nee. Ich hab meine Lebensversicherung verkauft. So ein Leben wie meins, das ists nämlich nicht wert, versichert zu sein. Pause Und du, he?

      JONAS Ich? Ich hab den Erbschmuck meiner Ex versetzt.

      GITTA Na dann - entspannte Rückkehr. Sie wird dich hassen.

      JONAS Katja kann nicht hassen. Sie kann nur liebevoll-hysterisch Vorwürfe verbalisieren.

       Pause

      GITTA Häng dich wieder ein. Es geht weiter. Jonas hängt sich wieder ein. Sie gehen langsam weiter. Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, ich will sterben.

      JONAS Gitta, ich sage jetzt den Satz. Und ich versuche, ihn völlig ironiefrei zu sagen. O.K.?

      GITTA O.K.

      JONAS Es gibt so viele schöne Dinge, für die es sich zu leben lohnt.

       Beide grinsen breit. Dann lachen sie.

      GITTA Oh ja. Wir werden jetzt zu Gourmets und geraten über eine ganz besonders exquisite Gänseleber-Pastete in ekstatische Verzückung.

      JONAS Wir werden shoppingsüchtig, zu idealen Hardcore-Konsumenten.

      GITTA Wir werden systembejahende New-Media-Monster.

      JONAS Wir konsumieren, was das Zeug hält.

       Pause

      GITTA Soll ich mich etwa an den kleinen

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