In den Häusern der Irren. Karl Zbigniew Grund

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In den Häusern der Irren - Karl Zbigniew Grund

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Sie kann mir nicht sagen, wann ungefähr ein Platz sicher frei wird. Aber ich werde auf jeden Fall der nächste sein, der aufgenommen wird. Ich muss mich noch weiter gedulden.

      Außerdem wird mir vom Oberarzt angeboten, in eine andere Klinik verlegt zu werden, wo ich direkt meine 64er- Zwangstherapie beginnen könnte. Es wird überall auch nur mit Wasser gekocht, sagt er noch, um mir die Sache schmackhaft zu machen. Ich muss schon darüber nachdenken, aber dann lehne ich ab. Auch, weil ich über diese andere Klinik überhaupt keine Vorinformation habe und dann auch noch die große Entfernung. Das kann ich meiner Frau nicht zumuten. Ist ja jetzt schon weit genug. Selbst wenn sich alles noch hinziehen sollte, irgendwann muss auf 38/1 ein Platz frei werden. Das Bewahrungshaus, wo ich jetzt gelandet bin, ist das übelste Haus in der ganzen Klinik, aber hier werde ich auch nicht bleiben. Bei all den Psychopathen, Schizophrenen und Verhaltensgestörten. Der Hausarbeiter, der hier den Job macht, wirkt auf mich fast normal. Nur hat er voll pervers Leute umgebracht und aufgeschlitzt, um zu gucken, wie das alles innen so aussieht. Hat seine Opfer auch wieder zugenäht, wenn auch mit Draht, weil er nichts anderes finden konnte. Rein äußerlich sieht man ihm nichts Abartiges an.

      Ich spiele oft Tischtennis mit dem Pflegepersonal. Einer von ihnen spielt sogar recht gut. Eine echte Herausforderung. Momentan haben wir einen Gleichstand erreicht. Keiner ist deutlich besser. Die Tagesform entscheidet. Es gibt hier einen gut eingerichteten Sportraum, der aber so gut wie nie benutzt wird. Dann spiele ich einige Male Fußball mit den Patienten im Hof. Ein Erlebnis der besonderen Art. Mit Fußball hat es nichts zu tun. Einige hauen sich zwischendurch einfach auf die Köpfe, wenn sie den Ball verlieren oder abgenommen kriegen. Von der Klopperei bleibe ich verschont, weil ich rechtzeitig den Ball weiter spiele, aber es macht eigentlich keinen Spaß. Fühle mich hier einfach fehl am Platz. Die Außenmauer ist hier ziemlich klein, kein Vergleich mit Knast. Und es gibt keine Wachtürme, wo die Beamten sofort schießen. Es würde ausreichen, einen groß gewachsenen Patienten an der Mauer zu postieren, dann wäre die Höhe erreicht und ich weg. Allerdings müsste ich da noch einen dazu überreden, aber das dürfte nicht so schwer sein. Ich müsste mir einen passenden Kerl aussuchen, der eine solche Aktion mitmachen würde, vielleicht für Tabak und Kaffee oder für Geld. Er müsste verstehen, dass er da nicht viel zu verlieren hätte. Irgendeine Sanktion würde er sicherlich kriegen, aber keine richtige Strafe. Obwohl, so genau weiß ich es gar nicht. Wenn sie wollen, können sie natürlich fast alles machen. Wegsperren, weg spritzen und was weiß ich nicht alles. Es beruhigt mich aber doch ein wenig, dass ich notfalls hier abhauen könnte, wenn meine Belastungsgrenze erreicht sein sollte. Wenn nichts mehr geht. Dann würde ich alles versuchen.

      Hoffentlich verändere ich mich sonst nicht zu sehr. Wenn ich mir so das Pflegepersonal angucke, dann bekomme ich eine böse Vorahnung. Wer hier länger arbeitet oder sich aus anderen Gründen aufhält, wird es wohl nicht unbeschadet überstehen. Wie in den Gefängnissen, so findet auch hier eine gegenseitige Beeinflussung statt. Nicht wenige vom Pflegepersonal sind auch ganz schön korrupt und zocken die Klinik ab. So kommen ja regelmäßig neue Decken, Bekleidung und gute Lebensmittel für die Patienten hier an. Da wird schon einiges einfach untereinander aufgeteilt und weggeschleppt. Ich kann das gelegentlich vom Fenster aus beobachten, wie die Sachen herum getragen und dann im Kofferraum eines Autos verschwinden.

      Die Gespräche mit meiner Therapeutin sind für mich eine willkommene Abwechslung. Sie versucht mich zu vertrösten und ich soll jetzt auch Tagesberichte schreiben. Das würde mir helfen, meint sie. Bei einem der wöchentlichen Gespräche bekomme ich plötzlich einen unkontrollierten und fast hysterischen Lachanfall. Weiß gar nicht mehr warum und weshalb. Ein solcher Anfall ist nicht leicht zu stoppen. Und sie guckt auch noch so ernst und verdattert. Mit ist die Vorstellung echt peinlich. Ich kann mich überhaupt nicht wieder fangen. So etwas ist mir schon lange nicht passiert. Und vor allem völlig ohne Vorwarnung. Die Angelegenheit macht mich echt nachdenklich. Und die gute Therapeutin schaut schon fast besorgt. Normalerweise bin ich ziemlich kontrolliert. Einer, der sich gut beherrschen kann. Seltsam, vielleicht bin ich schon ein wenig verrückt. Vielleicht macht mich das Irrenhaus langsam irre. Wahnsinn. Es hängt in der Luft und klebt an den Wänden. Vielleicht mischen sie auch irgendwas ins Essen.

      Eines Tages wird plötzlich eine Frau auf der Station als Schwester oder Pflegerin eingestellt. Bislang war das nicht zugelassen. Für Frauen könnte es hier auch leicht gefährlich werden. Deshalb ist es schon eine kleine Sensation, jetzt diese Frau zu sehen. Petra heißt sie, und sieht wirklich gut aus. Hoch gewachsen, sehr schlank, mit langem blonden Zopf. Allerdings ist sie auch voll arrogant. Kein freundliches Lächeln, gar nichts. Na ja, wie soll sie sich auch verhalten unter all den Verstörten. Auch ich komme ihr nicht näher. Versuche sie möglichst normal anzusprechen, damit sie merkt, dass ich nicht einer von denen bin, die hier normalerweise untergebracht werden. Aber scheinbar ohne Erfolg. Einmal laufe ich im Hof beim normalen Hofgang etliche Runden, um sie zumindest mit meiner Kondition zu beeindrucken. Sie sitzt da oben auf der Treppe und hat das Geschehen voll im Blick. Zwischenzeitlich unterhält sie sich mit einem Kollegen vom Pflegepersonal. Mich scheint sie völlig zu ignorieren. Egal, ich laufe einfach weiter, immer weiter und bin dann echt geschafft. Immerhin sagt sie dann Tage später, als ich völlig fertig die Treppe wieder hochgehe, irgendeine nette Bemerkung, ein Lob. Offensichtlich ist ihr mein Lauftraining und meine Ausdauer nicht entgangen. Nur kann sie wohl nicht wissen, dass sie der Anlass für meine außergewöhnliche Leistung ist. Wegen ihr laufe ich die ganzen Runden. Und in Gedanken bewegt sie mich ziemlich stark, lässt mich nicht mehr los. Dauernd muss ich an sie denken. Denke mir irgendwas zusammen. Phantasie, Wunschdenken. Irgendwas wo wir, ich und Petra, wo wir uns also alleine in einem Raum befinden, und wo ich ihren coolen Blick ebenso cool auffange. Sie fällt mir dann um den Hals und öffnet mir mit ihrer zarten und feingliedrigen Hand die Hose. Ich drücke sie gegen die Wand und zerreiße ihr mit einem Ruck den Slip, dringe wild und etwas heftig in sie ein, worauf sie mir ins Ohrläppchen beißt und mich ebenso wild und heftig umklammert. In dieser Vorstellung besorge ich es ihr also richtig gut. In meinen Tagträumen schaffe ich es, sie für mich zu gewinnen. Manchmal rette ich sie vor irgendwelchen Gefahren. Ich meine, sie ist ja auch die einzige Frau in dieser trüben Umgebung. Und sie hat was, sie wirkt interessant. Weitere Wochen vergehen.

      Meine Frau kommt mich regelmäßig besuchen, aber es gibt keine weitere Gelegenheit auf Sex. Und natürlich erzähle ich ihr auch nichts von Petra und meinen Phantasien.

      Eines Tages ist Petra nicht mehr da. Wie ich höre, wollte wohl ein anderer Irrer und Insasse Petra als Geisel nehmen, um dann hier weg zu kommen. So ein Arschloch. Jetzt ist es vorbei mit Frauen in diesem Haus. Die Anstaltsleitung wird das vorerst nicht mehr riskieren. Bin echt sauer auf diesen Bekloppten, weiß aber nicht genau, wer das ist. Sonst wäre eine Maßnahme denkbar. Dann würde ich Egon sagen, dass er schlecht über seine Mutter gesprochen hätte. Egon ist ein Riesenbaby, der trotz seiner unglaublichen Kräfte eher sanftmütig veranlagt ist, aber man darf nichts Schlechtes über seine Mutter sagen. Dann riskiert man, eingestampft zu werden. Aber da ist vorerst nichts zu machen. Außerdem hat der Typ für die nächste Zeit sicherlich Bunker verordnet bekommen. So schnell wird man ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen. Mein Traum ist damit jetzt auch zerstört. Jetzt bin ich ohne Petra mit diesen Irren zusammen. Meine Stimmung tendiert gegen Null. Was habe ich mir nur eingebrockt. Ich will hier weg. Bei jeder Visite, wo auch der Klinikleiter dabei ist, frage ich nach mit Nachdruck. So lange nerven, bis es passiert, ist jetzt meine Devise. Die Notlösung zieht sich allerdings ganz schön hin. Inzwischen sind einige Monate vergangen.

      ,

      Dann plötzlich werde ich tatsächlich verlegt. Nur ist es nicht die 38, sondern die 25. Immerhin ein anderes Haus. Der Hauspsychologe sagt mir zum Abschied, dass es für mich auf jeden Fall eine Verbesserung der Lebensqualität bedeuten wird. Dann gehe ich alleine mit einem Pfleger dahin. Er hilft mir, meine Sachen zu tragen. Wahnsinn. Keine Mauer mehr. Keine Wände. Ich könnte fliehen. Keine Handschellen. Auf dem Weg kriege ich ein euphorisches Gefühl. Natürlich fliehe ich nicht. Das wäre Schwachsinn. Auf jeden Fall ist eine Veränderung angesagt. Es geht weiter. Im neuen Haus gibt es keine Mauer. Es sieht auch etwas freundlicher aus. Die Fenster sind nicht vergittert, aber stabiles Glas. Jeden Tag dürfen die Patienten raus

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