Das Gorilla-Prinzip. Hans-Jürgen Breuer

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Das Gorilla-Prinzip - Hans-Jürgen Breuer

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abgestufter Form im Nachahmungsverhalten kopiert werden.

       Ein besonders ausgeprägtes Element dieser Statussymbole sind die Titel, die im Management vergeben werden. Wir finden in Deutschland die bekannte Hühnerleiter vom Handlungsbevollmächtigten Version A und B über den Prokuristen, Abteilungsdirektor, stellvertretenden Direktor, Direktor, Direktor mit Generalvollmacht, Generalbevollmächtigten, Vorstand oder Geschäftsführer, Sprecher, Vorsitzenden bis zum früher sehr beliebten Generaldirektor. Die unnütze Perversion dieser Titelmanie zeigt sich zum Beispiel in Konstruktionen, den früheren Inhabern bestimmter Rangstufen diesen ihre Titel in veränderter Form immer noch anzuerkennen, indem man einen Zusatz formuliert: Staatssekretär a.D. oder Altbundeskanzler. Diese Hierarchie-Titel bilden in vielfältiger Weise das systemische Ranking ab.

       Der Sicherheitsabstand im Zusammenhang mit dem Imponiergehabe ist bei uns Menschen besonders eindrucksvoll zu beobachten: Wer kennt nicht die unzähligen Storys von Kollegen „Dem habe ich es aber gezeigt!“, aus sicherer Entfernung formuliert, während sie tatsächlich im Gespräch mit ihrem Widersacher mit hoher Wahrscheinlichkeit die Unterwürfigkeit in Person waren. – Leider ist es so, dass uns Menschen eine gut ausgeprägte konstruktive Konfliktfähigkeit nicht angeboren ist, sondern erst durch viele Übungen erworben werden muss. Fast kann man gleichsetzen: Wer nicht aus der Ferne prahlt, wie stark er in einer bestimmten Situation aufgetreten ist, der dürfte eher ein hohes Maß an Konfliktfähigkeit und Überzeugungskraft besitzen et vice versa.

       Auch bei den Gorillas ist schon ein Phänomen zu erkennen, dass wir heute mit dem englischen Begriff des Mobbings bezeichnen. Das Mobbing richtet sich immer gegen ein Mitglied eines Systems, das aus welchen Gründen auch immer nicht so richtig in das System passt. In einer Kultur der Intelligenz ist es der zu wenig Intelligente, der schließlich weichen muss, in einer Kultur von Leistung und Erfolg der am wenigsten Erfolgreiche. In Unternehmen mit einer ausgewogenen, natürlichen Kultur sind es Menschen, die eher nicht ausgewogen und eher ungewöhnlich sind. 10

      Die Schimpansen sind genetisch ein wenig weiter entwickelt als die Gorillas und zeigen einerseits ähnliche Verhaltensweisen, andererseits Muster, die ein wenig differenzierter und „intelligenter“ sind. Zum Imponiergehabe folgende Beispiele: Es war häufig zu beobachten, „daß die Schimpansenmännchen der Herde plötzlich anfingen zu rennen, wobei sie sich aufrichteten, herabgefallene Äste hinter sich herschleiften, stampften oder mit den Händen auf den Boden schlugen. Dieses Imponier-Verhalten war stets von lauten“ 11 Schreien begleitet.

      Der Kampf in der Schimpansen-Hierarchie geschieht in Form dieses beschriebenen Imponier-Gehabes:

      Wenige Minuten später tauchte Goliath auf und begann, sobald er den Rand der Camplichtung erreicht hatte, eines seiner wilden Imponier-Schauspiele in Szene zu setzen. Er mußte Mike gesehen haben; denn er ging, einen großen Zweig hinter sich herziehend, geradenwegs auf ihn zu. Dann sprang er auf einen Baum, der dicht bei Mikes Baum stand, und er verhielt sich still. Einen Augenblick lang starrte Mike zu ihm hinüber, bevor auch er mit dem Imponieren begann, die Äste seines Baumes schüttelte, sich herabschwang, ein paar Steine schleuderte und schließlich in Goliaths Baum kletterte und nun dort an den Ästen rüttelte. Sobald er innehielt, trat Goliath in Aktion, schwang sich im Baum umher und schüttelte die Äste. ... Dieses Schauspiel dauerte fast eine halbe Stunde: Erst drohte der eine, dann der andere, und von Mal zu Mal wurde ihr Gehabe wilder und spektakulärer. Und dennoch: Sieht man davon ab, daß sie einander gelegentlich mit den Enden der Zweige trafen, an denen sie rüttelten, griff während der ganzen Zeit doch keiner der beiden Schimpansen den anderen wirklich an. Plötzlich, nach einer besonders langen Pause, schien Goliaths Widerstand gebrochen. Er lief auf Mike zu, duckte sich neben ihn mit lauten, nervösen pant-grunts nieder und begann ihn mit fieberhafter Intensität zu lausen.“ 12 „Es war das letzte Duell zwischen den beiden Männchen. Von nun an hatte man den Eindruck, daß Goliath die Überlegenheit Mikes akzeptierte, und zwischen den beiden entwickelte sich eine merkwürdig intensive Art der Beziehung. Sie begrüßten einander überschwänglich, umarmten sich, beklopften sich gegenseitig und küßten einander auf den Hals, bevor sie sich niederließen und sich gegenseitig lausten.“ 13

      Mike hatte zuvor schon einige neue besondere Verhaltensweisen entwickelt, um seinem Imponiergehabe einen besonderen Ausdruck zu verleihen:

      „Wenn Mike mit Vorliebe Gegenstände benutzte, die von Menschen hergestellt waren, so war das vermutlich ein Zeichen seiner außergewöhnlichen Intelligenz. Zwar hatten viele ausgewachsene Männchen gelegentlich statt der üblichen Zweige oder Steine Paraffinkanister mit sich geschleppt, um ihrem Imponieren mehr Nachdruck zu verleihen, aber allein Mike war allem Anschein nach in der Lage gewesen, aus der zufälligen Erfahrung Nutzen zu ziehen, und nur er hatte gelernt, die Kanister bewußt ausfindig zu machen und zu seinem eigenen Vorteil einzusetzen. Es versteht sich, daß die Kanister um ein Vielfaches mehr Lärm verursachten als ein Zweig, wenn sie mit großer Geschwindigkeit auf dem Boden entlanggeschleift wurden. ... Kein Wunder, daß Männchen, die ihm bis dahin übergeordnet waren, eilig auswichen, wenn er daherkam.“ 14

      Also können wir bei den Schimpansen dasselbe Imponiergehabe mit neuen, weiter entwickelten und intelligenteren Spielvarianten feststellen. Kein Wunder also, dass der Mensch den Schimpansen im Imponiergehabe überragt, weil er noch intelligentere Lösungsstrategien entwerfen kann. 15

      Seit 250 Millionen Jahren gibt es Säugetiere. Primaten bestehen seit 65 Millionen Jahren. Menschen und Schimpansen trennten sich in ihrer Entwicklung vor sechs Millionen Jahren und in der Folgezeit gab es zahlreiche parallele Entwicklungslinien der Primaten, von denen nur eine einzige überlebte: der Homo Sapiens. Diese Linie ist je nach Forscherangabe etwa 25.000 bis 40.000 Jahre alt. In dieser Zeit hat sich das menschliche Gehirn nicht wesentlich verändert, wie zahlreiche Untersuchungen belegen. 16

      Würde man die gesamte Entwicklung von Leben auf der Erde auf einem Zeitstrahl von 24 Stunden abbilden, so ergäben sich folgende Werte:

       Säugetiere entstanden vor etwa einer Stunde.

       Primaten bestehen seit etwa 18 Minuten,

       die ersten Menschen seit knapp zwei Minuten

       und der heutige homo sapiens seit etwa einer halben Sekunde. Das heißt, die Großhirnrinde, wie sie bei uns Menschen ausgeprägt ist, hat auf dem Zeitstrahl der Entwicklung abgetragen nur eine Strecke von 0,05% zurückgelegt in Bezug auf das Gehirn von Primaten. Eine ähnliche Relation: Aus der Genomforschung ist bekannt, dass das Genom des Menschen und des Schimpansen zu über 98% übereinstimmen: Hier spiegelt sich also ebenfalls die Relation der Entwicklungszeit.

      So gesehen werden Verhaltensähnlichkeiten, die es im gesamten Tierreich gibt, leichter nachvollziehbarer und sind für den Menschen als „Krone der Schöpfung“ vielleicht auch leichter zu akzeptieren. Innerhalb der Gruppe der Primaten müssen sie dann aufgrund hoher genetischer Übereinstimmungen auch besonders hoch ausgeprägt sein. Gleichwohl findet man auch in anderen Tierpopulationen Ähnlichkeiten: ob es ein Rudel von Wölfen ist oder die nur scheinbar zusammenhanglose Ansammlung von Hühnern auf dem Hof, bei denen es aber auch ein eindeutige „Hackordnung“ und „Hühnerleiter“ gibt: Begriffe, die in den menschlichen Sprachgebrauch übergegangen sind.

      Statt dieses Buch nun das Hühner- oder Wolfsprinzip zu nennen, habe ich bewusst auf den Begriff des Gorillas abgestellt. In der Welt des Managements bietet der Gorilla die beste Parabel, um das Führungsverhalten zu beschreiben. Letztlich sucht jedes Unternehmen den „Silberrücken“: einen Anführer von höchstem Charisma, dem seine Führungskräfte nachlaufen und den man als oberste Gallionsfigur der Öffentlichkeit präsentieren kann. In der Management-Sprache ist dieser Silberrücken der Chief Executive Officer (CEO) oder im deutschen Sprachgebrauch der Vorstandsvorsitzende oder Sprecher

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