Die Geheimwissenschaft im Umriss. Rudolf Steiner

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Die Geheimwissenschaft im Umriss - Rudolf Steiner

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Wirklichkeit darbietet. Sie sehen eine Schwäche darin, wenn sich der Mensch von der Wirklichkeit abwendet und sein Heil in einer verborgenen Welt sucht, die für sie ja einer phantastischen, erträumten gleichkommt. Will man bei solchem geisteswissenschaftlichen Suchen nicht in krankhafte Träumerei und Schwäche verfallen, so muß man das teilweise Berechtigte solcher Einwände anerkennen. Denn sie beruhen auf einem gesunden Urteile, welches nur dadurch nicht zu einer ganzen, sondern zu einer halben Wahrheit führt, daß es nicht in die Tiefen der Dinge dringt, sondern an deren Oberfläche stehenbleibt.

      Wäre ein übersinnliches Erkenntnisstreben dazu angetan, das Leben zu schwächen und den Menschen zur Abkehr zu bringen von der wahren Wirklichkeit, dann wären sicher solche Einwände stark genug, dieser Geistesrichtung den Boden unter den Füßen wegzuziehen.

      Aber auch diesen Meinungen gegenüber würden geheimwissenschaftliche Bestrebungen nicht den rechten Weg gehen, wenn sie sich im gewöhnlichen Sinne des Wortes »verteidigen« wollten. Auch da können sie nur durch ihren für jeden Unbefangenen erkennbaren Wert sprechen, wenn sie fühlbar machen, wie sie Lebenskraft und Lebensstärke dem erhöhen, der sich im rechten Sinne in sie einlebt. Diese Bestrebungen können nicht zum weltfremden Menschen, nicht zum Träumer machen; sie erkraften den Menschen aus denjenigen Lebensquellen, aus denen er, seinem geistig-seelischen Teil nach, stammt.

      Andere Hindernisse des Verständnisses noch legen sich manchem Menschen in den Weg, wenn er an geheimwissenschaftliche Bestrebungen herantritt. Es ist nämlich grundsätzlich zwar richtig, daß der Leser in der geheimwissenschaftlichen Darstellung eine Schilderung findet von Seelenerlebnissen, durch deren Verfolgung er sich zu den übersinnlichen Weltinhalten hinbewegen kann. Allein in der Praxis muß sich dieses doch als eine Art Ideal ausleben. Der Leser muß zunächst eine größere Summe von übersinnlichen Erfahrungen, die er noch nicht selbst erlebt, mitteilungsgemäß aufnehmen. Das kann nicht anders sein und wird auch mit diesem Buche so sein. Es wird geschildert werden, was der Verfasser zu wissen vermeint über das Wesen des Menschen, über dessen Verhalten in Geburt und Tod und im leibfreien Zustand in der geistigen Welt; es wird ferner dargestellt werden die Entwicklung der Erde und der Menschheit. So könnte es scheinen, als ob doch die Voraussetzung gemacht würde, daß eine Anzahl vermeintlicher Erkenntnisse wie Dogmen vorgetragen würden, für die Glauben auf Autorität hin verlangt würde. Es ist dies aber doch nicht der Fall. Was nämlich von übersinnlichen Weltinhalten gewußt werden kann, das lebt in dem Darsteller als lebendiger Seeleninhalt; und lebt man sich in diesen Seeleninhalt ein, so entzündet dieses Einleben in der eigenen Seele die Impulse, welche nach den entsprechenden übersinnlichen Tatsachen hinführen. Man lebt im Lesen von geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen auf andere Art, als in demjenigen der Mitteilungen sinnenfälliger Tatsachen. Liest man Mitteilungen aus der sinnenfälligen Welt, so liest man eben über sie. Liest man aber Mitteilungen über übersinnliche Tatsachen im rechten Sinne, so lebt man sich ein in den Strom geistigen Daseins. Im Aufnehmen der Ergebnisse nimmt man zugleich den eigenen Innenweg dazu auf. Es ist richtig, daß dies hier Gemeinte von dem Leser zunächst oft gar nicht bemerkt wird. Man stellt sich den Eintritt in die geistige Welt viel zu ähnlich einem sinnenfälligen Erlebnis vor, und so findet man, daß, was man beim Lesen von dieser Welt erlebt, viel zu gedankenmäßig ist. Aber in dem wahren gedankenmäßigen Aufnehmen steht man in dieser Welt schon drinnen und hat sich nur noch klar darüber zu werden, daß man schon unvermerkt erlebt hat, was man vermeinte, bloß als Gedankenmitteilung erhalten zu haben.

      Man wird über die echte Natur dieses Erlebten dann volle Klarheit erhalten, wenn man praktisch durchführt, was im zweiten (letzten) Teile dieses Buches als »Weg« zu den übersinnlichen Erkenntnissen geschildert wird. Man könnte leicht glauben, das Umgekehrte sei richtig: dieser Weg müsse zuerst geschildert werden. Das ist aber nicht der Fall. Wer, ohne auf bestimmte Tatsachen der übersinnlichen Welt den Seelenblick zu richten, nur »Übungen« macht, um in die übersinnliche Welt einzutreten, für den bleibt diese Weit ein unbestimmtes, sich verwirrendes Chaos. Man lernt sich einleben in diese Welt gewissermaßen naiv, indem man sich über bestimmte Tatsachen derselben unterrichtet, und dann gibt man sich Rechenschaft, wie man – die Naivität verlassend – vollbewusst selbst zu den Erlebnissen gelangt, von denen man Mitteilung erlangt hat. Man wird sich, wenn man in geheimwissenschaftliche Darstellungen eindringt, überzeugen, daß ein sicherer Weg zu übersinnlicher Erkenntnis doch nur dieser sein kann. Man wird auch erkennen, daß alle Meinung, es könnten die übersinnlichen Erkenntnisse zuerst als Dogmen gewissermaßen durch suggestive Macht wirken, unbegründet ist. Denn der Inhalt dieser Erkenntnisse wird in einem solchen Seelenleben erworben, das ihm jede bloß suggestive Gewalt benimmt und ihm nur die Möglichkeit gibt, auf demselben Wege zum andern zu sprechen, auf dem alle Wahrheiten zu ihm sprechen, die sich an sein besonnenes Urteil richten. Daß der andere zunächst nicht bemerkt, wie er in der geistigen Welt lebt, dazu liegt nicht der Grund in einem unbesonnenen suggestiven Aufnehmen, sondern in der Feinheit und dem Ungewohnten des im Lesen Erlebten.

      So wird man durch das erste Aufnehmen der Mitteilungen, wie sie im ersten Teile dieses Buches gegeben sind, zunächst Mit-Erkenner der übersinnlichen Welt; durch die praktische Ausführung der im zweiten Teile angegebenen Seelenverrichtungen wird man selbständiger Erkenner in dieser Welt.

      Dem Geiste und dem wahren Sinne nach wird auch kein echter Wissenschafter einen Widerspruch finden können zwischen seiner auf den Tatsachen der Sinnenwelt erbauten Wissenschaft und der Art, wie die übersinnliche Welt erforscht wird. Jener Wissenschafter bedient sich gewisser Werkzeuge und Methoden. Die Werkzeuge stellt er sich durch Verarbeitung dessen her, was ihm die »Natur« gibt. Die übersinnliche Erkenntnisart bedient sich auch eines Werkzeugs. Nur ist dieses Werkzeug der Mensch selbst. Und auch dieses Werkzeug muß für die höhere Forschung erst zugerichtet werden. Es müssen in ihm die zunächst ohne des Menschen Zutun ihm von der »Natur« gegebenen Fähigkeiten und Kräfte in höhere umgewandelt werden. Dadurch kann sich der Mensch selbst zum Instrument machen für die Erforschung der übersinnlichen Welten.

      II. Wesen der Menschheit

      Bei der Betrachtung des Menschen vom Gesichtspunkte einer übersinnlichen Erkenntnisart tritt sogleich in Kraft, was von dieser Erkenntnisart im allgemeinen gilt. Diese Betrachtung beruht auf der Anerkennung des »offenbaren Geheimnisses« in der eigenen menschlichen Wesenheit. Den Sinnen und dem auf sie gestützten Verstande ist nur ein Teil von dem zugänglich, was in übersinnlicher Erkenntnis als menschliche Wesenheit erfaßt wird, nämlich der physische Leib. Um den Begriff von diesem physischen Leib zu beleuchten, muß zunächst die Aufmerksamkeit auf die Erscheinung gelenkt werden, die wie das große Rätsel über alle Beobachtung des Lebens ausgebreitet liegt: auf den Tod und, im Zusammenhang damit, auf die sogenannte leblose Natur, auf das Reich des Mineralischen, das stets den Tod in sich trägt. Es ist damit auf Tatsachen hingewiesen, deren volle Aufklärung nur durch übersinnliche Erkenntnis möglich ist und denen ein wichtiger Teil dieser Schrift gewidmet werden muß. Hier aber sollen vorerst nur einige Vorstellungen zur Orientierung angeregt werden.

      Innerhalb der offenbaren Welt ist der physische Menschenleib dasjenige, worinnen der Mensch der mineralischen Welt gleich ist. Dagegen kann nicht als physischer Leib das gelten, was den Menschen vom Mineral unterscheidet. Für eine unbefangene Betrachtung ist vor allem die Tatsache wichtig, daß der Tod dasjenige von der menschlichen Wesenheit bloßlegt, was, wenn der Tod eingetreten ist, mit der mineralischen Welt gleicher Art ist. Man kann auf den Leichnam als auf das vom Menschen hinweisen, was nach dem Tode Vorgängen unterworfen ist, die sich im Reiche der mineralischen Welt finden. Man kann die Tatsache betonen, daß in diesem Glied der Menschenwesenheit, dem Leichnam, dieselben Stoffe und Kräfte wirksam sind wie im mineralischen Gebiet; aber nötig ist, nicht minder stark zu betonen, daß mit dem Tode für diesen physischen Leib der Zerfall eintritt. Berechtigt ist aber auch, zu sagen: gewiß, es sind im physischen Menschenleibe dieselben Stoffe und Kräfte wirksam wie im Mineral; aber ihre Wirksamkeit ist während des Lebens in einen höheren Dienst gestellt. Sie wirken erst der mineralischen Welt gleich, wenn der Tod eingetreten ist. Da treten sie auf, wie sie ihrer eigenen Wesenheit gemäß auftreten müssen, nämlich als Auflöser der physischen

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