Olgas Essen. Renate Wullstein

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Olgas Essen - Renate Wullstein страница 3

Автор:
Серия:
Издательство:
Olgas Essen - Renate Wullstein

Скачать книгу

      Nach einer angemessenen Frist, die mir der Anstand diktierte, kehrte ich in die Kneipe zurück, während ich flüchtig konstatierte, dass es mir wohl leichter fiele, zwei Männer anzusprechen als einen einzelnen. Die beiden waren groß und kräftig, und ich sprach den an, der mir auf den ersten Blick besser gefiel. Ich stellte mich neben ihn, stieß ihn leicht an und flüsterte fast: „Bist du ein Mann für eine Nacht?“

      Der Mann wich erschrocken zurück und sah mich verblüfft an: „Ich bin verheiratet“, sagte er.

      „Ich auch“, antwortete ich im Scherz und zog die Augenbrauen hoch.

      „Du bist ja blöd“, bemerkte sein Nebenmann.

      „Da hätte ich wohl lieber dich fragen sollen?“

      „Zu spät“, mischte der erste sich ein.

      „Zu spät?“

      Sein Nachbar bestätigte es. „Zu spät.“

      Wer hatte mir bloß erzählt, dass die meisten Männer darauf hofften, von einer Frau angesprochen zu werden? Ohne Umschweife und Tralala.. Ich blieb am Tresen, um mir neuen Wein zu bestellen.

      „Ist denn die Not so groß“, erkundigte sich mein Nachbar, der also verheiratet war.

      Ich grinste ihn an. „Wahrscheinlich nicht, sonst hätte ich die Sache klüger angepackt. Ich weiß gar nicht mehr wie das geht, ich muss wohl von vorn anfangen.“

      Ich nahm den Wein. „Tschüs. Und ein schönes Leben für euch beide.“

      „Danke“, sagten sie wie aus einem Munde.

      Als ich erneut auf dem Hof erschien, standen die drei noch an derselben Stelle.

      „Keine Chance“, sagte ich. „Aber es macht trotzdem Spaß.“

      Der Kunsthistoriker kicherte wieder. Ich wünschte, er würde sich in Luft auflösen. Da das nicht geschah, ignorierte ich ihn. Der Dicke mit der Lederweste störte mich nicht im Geringsten, leistete allerdings auch keinen Beitrag. “Ich würde lieber sitzen, ich stehe nicht gern“, sagte ich. Alle blickten sich um. Nur der lange Balken an der begrünten Mauer hatte noch freie Plätze. Jonny wies mit ausgestrecktem Arm dort hin, und wir setzten uns in Bewegung. Ich platzierte mich neben ihn, und der Kunsthistoriker beeilte sich, auf meine andere Seite zu kommen. Mit einer halben Körperdrehung wandte ich ihm den Rücken zu, so dass er, wenn der Wind günstig stand, kaum noch etwas verstehen konnte. Er störte, obwohl er weiter nichts tat als die Ohren zu spitzen und andauernd zu grinsen.

      „Wie würdest du zum Beispiel gern von einer Frau angesprochen werden?“ fragte ich Jonny zu meiner Linken. „Keine Ahnung, darüber habe ich noch nie nachgedacht, kommt immer ganz auf die Situation an....warte mal einen Augenblick“, unterbrach er sich, stand auf, drängelte sich an Tischen und Bänken vorbei und begrüßte eine große junge Frau mit einem Kuss auf die Wange. Ich beobachtete den Vorgang, rückte bei dieser Gelegenheit noch ein Stück vom Kunsthistoriker ab und warf einen flüchtigen Blick auf den kleinen Dicken. Er saß breitbeinig wie der größte Gemütsmensch aller Zeiten auf seinem Platz und sah sich das Treiben an. Was nun? Es hatte den Anschein, dass Jonny Lehmann so bald nicht zurückkehrte. Ich sah niemanden, der einen Ortswechsel lohnte, also sprach ich den Dicken an.

      „Du bist nicht oft hier, oder?“

      „Selten“, sagte er.

      „Wie war noch mal dein Name?“

      „Christian.“

      „Christian“, murmelte ich. „Na ja, dafür kannst du ja auch nichts.“

      Das Resümee des Abends war niederschmetternd. Ich seufzte. Ohne meinen platonischen Freund kam ich einfach nicht mehr zurecht. Ich wollte aber trotzdem hier bleiben. Ich blies innerlich die Aktion ab. So ging es eben nicht. Langeweile beschlich mich. Ich saß nur so da und blickte in die Luft. Eine Stunde verging, vielleicht auch zwei, ohne dass es etwas Nennenswertes zu beobachten, zu reden oder zu denken gab. Ich wurde müde. Der Kunsthistoriker war tatsächlich verschwunden.

      „Willst du noch etwas trinken?“ fragte plötzlich Christian. Ich nickte, nahm einen Geldschein aus der Tasche und hob das leere Glas in die Höhe. „Einen Weißwein.“

      Christian erhob sich. Und auf einmal stutzte ich. Wieso saß er denn nun schon den ganzen Abend neben mir?

      „Sag mal, bist du vielleicht ein Mann für eine Nacht?“ fragte ich.

      Christian nickte.

      Erstveröffentlichung 1996, Elefantenpress, in der Anthologie „Lust und Frust der Verführung“

      1996, Lizenz, Heyne Taschenbuch, in der Anthologie „Schmetterlinge im Bauch“

      Die Freundin

      An seinem siebenunddreißigsten Geburtstag ging mein Mann zu einer anderen Frau. Es hätte mich unberührt lassen können, denn seit ich ihn kannte, hatte er Frauen neben mir, und ich hatte ihm diesbezüglich völlige Freiheit zugesichert. Darin, meinte ich, läge meine besondere Stärke. Im Gegenzug versicherte er mir, dass es sich lediglich um Sex handele, sonst nichts. Was immer ein Mann darunter verstand, unter nur Sex, ich verdrängte es. Ich legte Wert darauf, dass wir getrennt wohnten. Lewin wohnte bei seiner Mutter in Karlshorst mit Zentralheizung, Badewanne und Telefon, ich in einer Hinterhofbude im Prenzlauer Berg, mit Ofenheizung, ohne Telefon. Er hätte es allerdings gern gesehen, wenn ich mit Sack und Pack zu ihm und seiner Mutter gezogen wäre, wohin gelegentlich auch die anderen Frauen auf Besuch kamen, die er mir allzu gern vorstellte.

      Einige Male war ich unvermutet auf eine Lehrerin getroffen, von der Lewin mir begeistert erzählt hatte. Sie trug meinen Vornamen, das ärgerte mich besonders. Wenn sie da war, erkannte ich es bereits im Flur, wo sie ihren Schminkkoffer abzustellen pflegte. Ich hasste den Schminkkoffer. Zum Geburtstag hatte Lewin seine Mutter gebeten, eine Buttercremetorte zu machen, und zu einem Kaffeekränzchen lud er wie jedes Jahr seinen Freund Paul, mich, seinen Bruder und dessen Frau ein.

      Wir saßen um den Tisch herum, und der einzige der fehlte, war Lewin das Geburtstagskind. Niemand wagte, die Torte anzuschneiden. Meine Schwiegermutter goss Kaffee ein, und wir unterhielten uns. Unruhe kam auf, denn jeder der Anwesenden wusste, dass Unzuverlässigkeit zu Lewins Wesen gehörte wie die löchrigen Schuhe an seinen Füßen. Er kam grundsätzlich eine Stunde später als vereinbart. Nun war aber auch diese Stunde längst vorbei. Er würde es doch wohl kaum wagen, uns sitzen zu lassen?

      Dann klingelte das Telefon. Aha. Aber er war es nicht, sondern meine Freundin Johanna. Da ich oft in Karlshorst war, und Johanna gern telefonierte, probierte sie einfach jeden Tag ihr Glück. Sie hatte wie ich kein eigenes Telefon und benutzte die Zelle in der Nähe ihrer Wohnung. Ich sagte ihr, dass Lewin Geburtstag habe und wir mit einer Torte hier säßen und auf ihn warteten.

      Johanna lachte. „Typisch“, sagte sie.

      „Weißt du was“, setzte sie hinzu. „Ich sehe Lewin die Straße entlang kommen. Glaube ich jedenfalls.“

      „Nein.“ Ich lauschte einen Moment, sah die anderen an und wartete.

      „Ja“, sagte Johanna. „Er geht durch meine Haustür. Er hat mich nicht gesehen.“

      „Das

Скачать книгу