Die vergessenen Kinder. Herbert Weyand

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die vergessenen Kinder - Herbert Weyand страница 17

Автор:
Серия:
Издательство:
Die vergessenen Kinder - Herbert Weyand

Скачать книгу

raste häufiger vor Eifersucht und Wut. Ein Wesenszug trat zutage, der mich abstieß. Sie wurde zur Furie und gebrauchte Worte, die ich noch nie aus dem Mund einer Frau gehört hatte. Sie betrachtete mich, als ihr persönliches Eigentum, was mir Unbehagen verursachte. Kurz vor einer Schlafperiode stellte ich sie zur Rede.

      „Tilde, ich muss mit dir sprechen.“ Sie saß mir gegenüber am Tisch.

      „Ja, Klaus“, sagte sie gefügig, jedoch wachsam. Der Ausdruck in ihren Augen gefiel mir nicht.

      „Du musst den Kindern gegenüber duldsamer sein.“ Ich begann vorsichtig.

      „Hat das kleine Frettchen sich wieder beschwert?“ Frettchen war ihre Bezeichnung für Christel.

      „Du weißt genau, dass sie nie ein schlechtes Wort über dich verwendet. Ich habe Augen im Kopf, auch wenn ich nicht immer etwas sage.“

      „Die Kleine ist verschlagen und wickelt dich um den Finger. Du bist ihr gegenüber zu nachsichtig. Auch der Junge tanzt dir auf der Nase herum. Alle Kinder übernehmen Aufgaben. Die beiden treiben sich mit dir im Keller herum. Das ist nicht gerecht.“ Geschickt verpasste sie mir ein schlechtes Gewissen, weil ich mich schließlich auch im Keller herumtrieb. Sie sah nicht, dass wir Möglichkeiten suchten, aus dem unfreiwilligen Aufenthalt zu entkommen.

      „Keines unserer Kinder ist verschlagen. Ich möchte dich um ein anderes Verhalten bitten. Künftig wirst du die Kinder nicht mehr drangsalieren.“ Ich hatte meinen Standpunkt klar gemacht.

      Tilde erhob sich und suchte Platz auf dem Stuhl neben mir.

      „Klaus ich fühle mich einsam und möchte dich immer um mich haben. Weshalb nimmst du die beiden Kinder mit und nicht mich?“ Während sie sprach, rückte sie näher und fasste mit ihrer Hand ungeniert in meine Hose. Im ersten Augenblick versteifte ich mich. Niemand kann aus seiner Haut heraus. Und ich gab nach, wie immer. Dafür hasste ich mich.

      Irgendwann fanden die beiden Kinder und ich eine Schleuse, die sich nicht öffnen ließ. Eigentlich verwunderlich, denn die technischen Einrichtungen funktionierten. Der Raum, in den wir wollten, lag auch anders. Es dauerte lange, bis, natürlich, Christel feststellte, dass er nachträglich, also, als der Keller schon fertig war, errichtet wurde.

      Der gesamte Schutzkeller war riesig, jedoch nach einem vorgegebenen Muster, oder wie man das nennt, gebaut. Wie ein Damebrett, nur entsprechend größer. Nie habe ich von Vergleichbarem gehört. Wir waren schon wer weiß, wie lange im Untergrund und täglich fanden wir Neues. Stefan führt ein Stück Kreide mit und kennzeichnete die Wände in den Fluren und Räumen, die wir schon untersucht hatten.

      Wie überall liefen auch hier Ratten herum, ohne Ende. In unserem Wohnbereich haben wir es geschafft, der Plage Herr zu werden. Nachdem nichts mehr half, fingen wir regelmäßig einige Tiere und fesselten mit dünner Schnur ihre Vorder- und Hinterbeine. Nach ungefähr einem Tag quiekten sie ihre Not heraus und die anderen Tiere mieden unseren Bereich. Auf den Höfen früher wurden die Ratten auf ein Brett genagelt, um die Verwandtschaft fernzuhalten. An Holz mangelte es uns.

      Christel wurde unser technisches Genie. Sie verstand fast auf Anhieb jede technische Herausforderung, die der Keller uns stellte. An dieser Schleuse jedoch dauerte es einige Zeit. Sie entdeckte ein kleines gerändeltes Rad, das ich übersehen hatte und drehte mit spitzen Fingern daran. Zischend sog Luft in Löcher, die dadurch freigesetzt wurden. Im dahinter liegenden Zimmer herrschte Unterdruck. Wir ließen den Raum, während er Luft hineinsaugte in Ruhe, und widmeten uns anderen Dingen.

      Nach der nächsten Schlafperiode schwang die Schleuse leicht auf. In dem dunklen Loch gab es keine Elektrizität. Der Eingang lag in ungefähr ein Meter Höhe. Stefan zündete schon die Karbidlampe an, die wir trotz der Elektrizität ständig dabei hatten, und beleuchtete die zwei Mal zwei Meter große, leere Kammer.

      „Warte, Klaus.“ Christel hielt mich auf, als ich mich abwendete. „Hilf mir durch die Schleuse.“ Das Loch maß nicht mehr, als vielleicht siebzig Zentimeter und lag ungefähr in ein Meter Höhe.

      „Ich habe es gesehen“, rief Christel, die ich jedoch nicht mehr sah, als ich durch den Eingang schaute.

      „Wo bist du?“, rief ich.

      „Hier“, sie stand an der hinteren Wand. Der Schein der Lampe, die ich durch Loch hielt, beleuchtete sie. „Achte auf mich“, sagte sie und trat einen Schritt zur Seite. Sie verschwand, ging in die Wand hinein. „Und jetzt“, ertönte ihre Stimme. Sie erschien wieder mit einem Seitwärtsschritt. „Eine optische Täuschung. Hier geht es weiter.“

      Stefan war mir behilflich und ich stieg durch die kleine Schleuse. Schnell machte ich die zwei Schritte und stand bei Christel, die triumphierend auf den Gang zeigte, der hinter der Wand erschien. Er war bedeutend schmaler, als die Verbindungswege im Allgemeinen hier unten waren. In etwa fünf Metern versperrte eine Eisentüre den Weg. Mit der Erfahrung an der Schleuse erkannte Christel den Mechanismus sehr schnell. Sie drehte an der verborgenen Rändelmutter und zog zusätzlich daran. Damit überwand sie den Widerstand einer Feder und der Druckausgleich fand zischend, fast augenblicklich, statt. Die Tür schwang auf. Der Gang lief weiter, jedoch mit dem Unterschied, dass er einen erstaunlichen Anblick bot. An den Wänden hingen Gemälde und Teppiche sowie Regale mit diversen Gold- und Silbergegenständen. Auf dem Boden standen in endloser Länge, rechts und links die Wand entlang, Metallkisten, die mit einem Siegel des Reichsadlers verschlossen waren.

      „Was haben wir denn hier?“, fragte ich mehr mich selbst, als die Kinder, die die Frage auch ignorierten. Mittlerweile kannten sie mich gut genug, um zu wissen, wann sie gefragt waren.

      Ich öffnete die erste Kiste und musste mich setzen. Sie war bis zum Rand mit fünfundzwanzig Dollar Goldstücken gefüllt. Eagles, wenn ich mich richtig erinnerte. Diese Kiste … ein Vermögen. Fiebrig machte ich mich an die anderen Kisten. Weitere waren mit blauem Samt ausgeschlagen und zwischen jeder Lage stapelten sich Goldbarren, säuberlich nach Größe geordnet. Die beiden Kinder gerieten in den gleichen Rausch. Nach unbestimmter Zeit wussten wir, dass hier Devisen, meist mit Goldprägung, lagerten. Dazu Papierwährung aus den USA und Großbritannien. Ich schritt die Länge, auf der die Kisten lagerten, ab. Ungefähr dreißig Meter und das zu beiden Seiten. In diesem Bereich des Kellers lagerte ein unvorstellbares Vermögen.

      Dahinter, sorgfältig gestapelt, Pakete. Unter der Fettverpackung lagen in Decken gehüllte bemalte Leinwände. Die Bilder sagten mir nichts. Ich ging jedoch davon aus, dass sie genauso wie die Teppiche an den Wänden, wertvoll waren. Und das war noch nicht alles, was in dem Raum lagerte. Der Graf von Monte Christo ging mir durch den Kopf. Eines der wenigen Bücher, das ich gelesen hatte. Jetzt musste ich uns nur noch rausbuddeln.

      Wir packten wahllos Goldstücke und Papiergeld in die Tornister, die wir ständig mitführten. Niemand wusste, was geschehen konnte. Die Blechflaschen mit dem Wasser, bis auf eine und die Essgeschirre hatten wir ausgeräumt.

      „Nicht zu viel einpacken“, mahnte Stefan, der besonnene Junge. „Es wird zu schwer. Wir können immer wieder hierher.“

      Sorgfältig verschlossen wir den Bereich wieder und präsentierten einige Zeit später, den anderen unsere Schätze.

      Nach mehreren Schlafperioden erkundeten wir unsere Schatzkammer ein weiteres Mal und öffneten die Tür, die sich am Ende der Kisten anschloss und sich merkwürdiger Weise ohne Druckausgleich öffnen ließ. Den traurigen Grund erkannten wir unmittelbar. Fünf SS-Soldaten lagen vor der gegenüberliegenden Tür. Ein einfacher Tisch mit sechs Stühlen war das Mobiliar des Raumes. Die armen Menschen waren im Druckabfall umgekommen, das zeigte das getrocknete Blut an Nasen und Ohren. Die Leichname waren aufgrund des Luftabschlusses nicht

Скачать книгу