Theosophie. Rudolf Steiner

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Theosophie - Rudolf Steiner

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mir erst jetzt so dargestellt, wie es sein soll. Ich darf es aussprechen, daß dieses Buch etwas mitgemacht hat von dem, was meine Seele seit dessen erstem Erscheinen vor zehn Jahren, nach weiterer Erkenntnis der geistigen Welt ringend, durchlebt hat. Mag auch die Anlage, ja für alles Wesentliche selbst die Fassung dieser Auflage mit der ersten noch völlig übereinstimmen; an vielen Stellen des Buches wird man doch sehen können, daß es mir als ein Lebendiges gegenüber. Gestanden hat, dem ich gegeben habe von dem, was ich glaube mir in zehn Jahren der Geistesforschung errungen zu haben. Sollte das Buch eine Neuauflage des alten sein und nicht ein völlig neues werden, so konnte sich die um. Gestaltung naturgemäß nur in bescheidenen Grenzen halten. Ich war namentlich auch bestrebt, durch einzelne »Erweiterungen und Ergänzungen« dafür zu sorgen, daß diese oder jene Frage, welche sich der Leser an mancher Stelle aufwerfen kann, ihre Antwort in dem Buche selbst finde.

      In bewegter Zeit und mit bewegter Seele schreibe ich diese Sätze, welche der sechsten Auflage des Buches vorgedruckt werden sollen. Deren Druck war bis Seite 189 vollendet, als das schicksaltragende Ereignis über Europa hereinbrach, das jetzt die Menschheit erlebt. Mir scheint es unmöglich, da ich diese Vorrede schreibe, nicht hier anzudeuten, was auf die Seele in solcher Zeit einstürmt.

      Berlin, 7. September 1914

       Rudolf Steiner

      Vorrede zur dritten Auflage

      (1910)

      Was anlässlich der Veröffentlichung der zweiten Auflage dieses Buches gesagt worden ist, darf auch dieser dritten gegenüber ausgesprochen werden. Es sind auch diesmal »Ergänzungen und Erweiterungen« an einzelnen Stellen eingeschaltet worden, welche zu der genaueren Prägung des Dargestellten mir wichtig scheinen; zu wesentlichen Änderungen dessen, was schon in der ersten und zweiten Auflage enthalten war, schien mir nirgends eine Nötigung vorzuliegen. - und auch dasjenige, was über die Aufgabe der Schrift schon bei ihrem ersten Erscheinen gesagt worden und in der Vorrede zur zweiten Auflage hinzugefügt worden ist, bedarf gegenwärtig einer Änderung nicht. Deshalb soll hier die Vorrede der ersten Auflage und dann auch dasjenige wiedergegeben werden, was in der Vorrede zur zweiten Auflage hinzugefügt worden ist:

      In diesem Buche soll eine Schilderung einiger Teile der übersinnlichen Welt gegeben werden. Wer nur die sinnliche gelten lassen will, wird diese Schilderung für ein wesenloses Phantasiegebilde halten. Wer aber die Wege suchen will, die aus der Sinnenwelt hinausführen, der wird alsbald verstehen lernen, daß menschliches Leben nur Wert und Bedeutung durch den Einblick in eine andere Welt gewinnt. Der Mensch wird nicht - wie viele fürchten durch solchen Einblick dem »wirklichen« Leben entfremdet. Denn er lernt durch ihn erst sicher und fest in diesem Leben stehen. Er lernt die Ursachen des Lebens erkennen, während er ohne denselben wie ein Blinder sich durch die Wirkungen hindurchtastet. Durch die Erkenntnis des Übersinnlichen gewinnt das sinnliche »Wirkliche« erst Bedeutung. Deshalb wird man durch diese Erkenntnis tauglicher und nicht untauglicher für das Leben. Ein wahrhaft »praktischer« Mensch kann nur werden, wer das Leben versteht.

      Der Verfasser dieses Buches schildert nichts, wovon er nicht Zeugnis ablegen kann durch Erfahrung, durch eine solche Art von Erfahrung, die man in diesen Gebieten machen kann. Nur in diesem Sinne Selbsterlebtes soll dargestellt werden.

      Wie man Bücher in unserem Zeitalter zu lesen pflegt, kann dieses Nichtgelesen werden In einer gewissen Beziehung wird von dem Leser jede Seite, ja mancher Satz erarbeitet werden müssen. Das ist mit Bewusstsein angestrebt worden. Denn nur so kann das Buch dem Leser werden, was es ihm werden soll. Wer es bloß durchliest, der wird es gar nicht gelesen haben. Seine Wahrheiten müssen erlebt werden. Geisteswissenschaft hat nur in diesem Sinne einen Wert.

      Vom Standpunkt der landläufigen Wissenschaft kann das Buch nicht beurteilt werden, wenn nicht der Gesichtspunkt zu solcher Beurteilung aus dem Buche selbst gewonnen wird. Wenn der Kritiker diesen Gesichtspunkt einnehmen wird, dann wird er freilich sehen, daß durch diese Ausführungen wahrer Wissenschaftlichkeit in nichts widersprochen werden soll. Der Verfasser weiß, daß er durch kein Wort mit seiner wissenschaftlichen Gewissenhaftigkeit hat in Widerspruch kommen wollen.

      Wer noch auf einem anderen Wege die hier dargestellten Wahrheiten suchen will, der findet einen solchen in meiner »Philosophie der Freiheit«. In verschiedener Art streben diese beiden Bücher nach dem gleichen Ziele. Zum Verständnis des einen ist das andere durchaus nicht notwendig, wenn auch für manchen gewiß förderlich.

      Wer in diesem Buche nach den »allerletzten« Wahrheiten sucht, wird es vielleicht unbefriedigt aus der Hand legen. Es sollten eben aus dem Gesamtgebiete der Geisteswissenschaft zunächst die Grundwahrheiten gegeben werden.

      Es liegt ja gewiß in der Natur des Menschen, gleich nach Anfang und Ende der Welt, nach dem Zwecke des Daseins und nach der Wesenheit Gottes zu fragen. Wer aber nicht Worte und Begriffe für den Verstand, sondern wirkliche Erkenntnisse für das Leben im Sinne hat, der weiß, daß er in einer Schrift, die vom Anfange der Geist-Erkenntnis handelt, nicht Dinge sagen darf, die den höheren Stufen der Weisheit angehören. Es wird ja durch das Verständnis dieses Anfanges erst klar, wie höhere Fragen gestellt werden sollen. In einer anderen, sich an diese anschließenden Schrift, nämlich in des Verfassers »Geheimwissenschaft«, findet man weitere Mitteilungen über das hier behandelte Gebiet.

      In der Vorrede zur zweiten Auflage wurde ergänzend hinzugefügt: Wer gegenwärtig eine Darstellung übersinnlicher Tatsachen gibt, der sollte sich über zweierlei klar sein. Das Erste ist, daß unsere Zeit die Pflege übersinnlicher Erkenntnisse braucht; das andere aber, daß heute im Geistesleben eine Fülle von Vorstellungen und Empfindungen vorhanden ist, die eine solche Darstellung für viele geradezu als wüste Phantasterei und Träumerei erscheinen lassen. Es braucht die Gegenwart übersinnliche Erkenntnisse, weil alles dasjenige, was auf die gebräuchliche Art der Mensch über Welt und Leben erfährt, eine Unzahl von Fragen in ihm anregt, die nur durch die übersinnlichen Wahrheiten beantwortet werden können. Denn darüber sollte man sich nicht täuschen: was man über die Grundlagen des Daseins innerhalb der heutigen Geistesströmung mitgeteilt erhalten kann, sind für die tiefer empfindende Seele nicht Antworten, sondern Fragen in Bezug auf die großen Rätsel von Welt und Leben. Eine Zeitlang mag sich mancher der Meinung hingeben, daß er in den »Ergebnissen streng wissenschaftlicher Tatsachen« und in den Folgerungen manches gegenwärtigen Denkers eine Lösung der Daseinsrätsel gegeben habe. Geht die Seele aber bis in jene Tiefen, in die sie gehen muß, wenn sie sich wirklich selbst versteht, so erscheint ihr das, was ihr anfänglich wie Lösung vorgekommen ist, erst als Anregung zu der wahren Frage. Und eine Antwort auf diese Frage soll nicht bloß einer menschlichen Neugierde entgegenkommen, sondern von ihr hängt ab die innere Ruhe und Geschlossenheit des Seelenlebens. Das Erringen einer solchen Antwort befriedigt nicht bloß den Wissensdrang, sondern sie macht den Menschen arbeitstüchtig und gewachsen den Aufgaben des Lebens, während ihn der Mangel einer Lösung der entsprechenden Fragen seelisch und zuletzt auch physisch lähmt. Erkenntnis des Übersinnlichen ist eben nicht bloß etwas für das theoretische Bedürfnis, sondern für eine wahre Lebenspraxis. Gerade wegen der Art des gegenwärtigen Geisteslebens ist daher Geist-Erkenntnis ein unentbehrliches Erkenntnisgebiet für unsere Zeit.

      Auf der anderen Seite liegt die Tatsache vor, daß viele heute dasjenige am stärksten zurückweisen, was sie am notwendigsten brauchen. Die zwingende Macht vieler Meinungen, welche man sich auf der Grundlage »sicherer wissenschaftlicher Erfahrungen« aufgebaut hat, ist für manche so groß, daß sie gar nicht anders können, als die Darstellung eines Buches, wie dieses eines ist, für bodenlosen Unsinn zu halten. Der Darsteller übersinnlicher Erkenntnisse kann solchen Dingen durchaus ohne alle Illusion gegenüberstehen. - Man wird ja allerdings leicht versucht sein, von einem solchen Darsteller zu verlangen, er solle »einwandfreie« Beweise für das geben, was er vorbringt. Man bedenkt dabei nur nicht, daß man damit sich einer Täuschung hingibt. Denn man verlangt - allerdings ohne daß man sich dessen bewußt ist -

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