Bürgermeister Wittenborg. Arnulf Meyer-Piening

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Bürgermeister Wittenborg - Arnulf Meyer-Piening

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Sind wir jetzt reich?“

      „Nein, wir mussten sie dem Feind überlassen, weil wir ihm nach Helsingborg folgten, wohin er geflohen war.“

      „Warum habt ihr den Feigling nicht dort sitzen lassen und seid mit der Beute heimgekehrt?“

      „Das konnten wir nicht, denn wir hatten den eindeutigen Auftrag, den König lebend oder tot gefangen zu nehmen und ihn mitsamt seiner Flotte nach Lübeck zu bringen, damit ein für alle Mal Ruhe auf der Ostsee einkehrt, und wir unseren Geschäften nachgehen können.“

      „Das hättet ihr doch ein anderes Mal tun können.“

      „Nein, denn wir hatten einen Vertrag mit den Schweden und den Norwegern geschlossen, demzufolge wir die dänische Flotte vernichten mussten, sonst hätten wir auf die Kriegsbeute verzichten müssen. Das konnten wir uns nicht leisten, denn wir alle brauchten das Geld, um unsere Kosten für die Schiffsausrüstung zu decken.“

      „Auch du hattest einen Kredit bei meinem Onkel Grope aufgenommen, wie du mir gesagt hast. Den musst du ihm in jedem Fall zurückzahlen.“

      „Das ist Ehrensache, aber ich weiß im Augenblick nicht wie.“

      „Du hast doch erhebliche Außenstände bei anderen Kaufleuten. Mit dem Geld zahlst du deinen Kredit zurück.“

      „Sofern sie pünktlich zahlen.“

      „Das werden sie bestimmt tun, denn es handelt sich bei allen um ehrenhafte Kaufleute.“

      „Nicht alle sind, was sie scheinen.“

      „Du hast mir nicht erzählt, warum ihr den König nicht gefangen habt.“

      „Ach die Frage trifft mich hart“, sagte er mit tiefem Seufzen, „denn das ist die Ursache des Unglücks.“

      „Wenn ich dich mit meinen Fragen zu sehr quäle, dann lass uns von etwas anderem sprechen.“

      „Lass nur, es wird schon gehen, die Frage ist ja berechtigt. Also es war so: Wir hatten mit der Belagerung der Burg begonnen, hatten die Wurfmaschinen in Stellung gebracht, bereits eine kleine Bresche in die Mauer geschossen und wollten gerade in den Burghof eindringen, als mich die Nachricht erreichte, der Feind hätte unsere Schiffe angegriffen und gekapert. Daher musste ich den Angriff abbrechen und mich dem neuen Brennpunkt zuwenden. Dort bot sich mir ein schrecklicher Anblick: Viele Schiffe standen in Flammen oder waren versenkt. Ich musste hilflos zusehen, konnte nichts tun und musste den Kampf abbrechen.“

      „Wieso konnte das geschehen? Hat dich niemand vor dem Angriff gewarnt?“

      „Nein, ich hatte Roon Warendorp zu Beobachtung der feindlichen Stellungen geschickt. Als er zurückkam, hat er mir gesagt, dass er keine Auffälligkeiten bemerkt hätte. Die Truppen befänden sich hinter den dicken Festungsmauern, um unseren Angriff abzuwehren.“

      „Ach, ausgerechnet der Roon! Musstest du geraden den auswählen?“

      „Warum nicht: Er ist mein Freund. Was hast du gegen ihn einzuwenden?“

      „Vor Jahren war er hinter mir her. Als ich kaum achtzehn war, wollte er mich haben und hat um meine Hand angehalten. Aber ich wollte ihn nicht.“

      „Das ist mir neu. Von ihm als deinem Freier habe ich nie etwas gehört. Ich habe mich nie um seine diversen Liebschaften gekümmert. Es waren auch zu viele. Warum hast du ihn abgewiesen?“

      „Er war zu sehr von sich eingenommen und schien mir nicht aufrichtig zu sein. Er war ein Blender, nur hinter meiner Mitgift her. Außerdem hatte ich mich in der Zwischenzeit in dich verliebt. Seitdem wollte ich keinen außer dich.“

      „Da habe ich ja Glück gehabt.“

      „Wenigstens bisher.“

      „Lass uns das Unglück vergessen und hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.“

      „Woher soll die Hoffnung kommen?“, fragte sie und blickte mit leeren Augen zum Fenster hinauf, durch das ein kleiner Lichtstrahl fiel. War das einzeichen?

      „Dein Onkel Grope wird zum Weihbischof von Stralsund und die nordischen Lande ernannt werden, dann verfügt er über großen Einfluss und holt mich aus dem Gefängnis heraus.“

      „Hoffen wir es. Er ist ein einflussreicher Mann.“

      „Er wird es bestimmt tun, sonst bekommt er seinen Kredit nicht zurück. Jedenfalls habe ich im Augenblick das Geld nicht flüssig.“

      „Es geht nicht nur um das Geld. Es geht es um die Familienehre.“

      „Das ist mir nur allzu deutlich bewusst. Seit etlichen Generationen leben wir in dieser Stadt, sind nie jemandem etwas schuldig geblieben, und das soll auch so bleiben. Unsere Kinder und Kindeskinder sollen nicht unter dem Makel eines unehrenhaften Schuldners zu leiden haben.“

      „Mein Onkel wird tun, was er kann. Jedenfalls werde ich ihn darum bitten.“

      „Ich brauche seine Hilfe.“ Kraftlos saß er auf dem Bettrand und suchte vergeblich nach Halt. Da raffte er sich auf und schritt auf sie zu. Er nahm sie in den Arm, umklammerte sie wie ein Ertrinkender, bis sie sich gewaltsam befreite:

      „Du musst keine Angst haben, sie werden dir nichts tun. Es sind doch alle deine ehrbaren Kollegen.“

      „Ich bin mir da nicht so sicher: Sie brauchen einen Sündenbock.“

      Dies böse Wort erschreckte sie zutiefst. Mit Tränen in den Augen wandte sie sich zum Gehen, rief den Wärter, der die schwere Tür für sie öffnete. Ein letztes Mal wandte sie sich ihm zu, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und verließ den Raum, wobei sie dem Wachposten freundlich zunickte, als sei nichts Besonderes geschehen. Eilend verließ sie das Gefängnis, froh wieder das Tageslicht zu sehen.

      Auf dem Weg zu ihrem Haus machte sie noch einen kurzen Abstecher zur Kirche, kniete vor dem Altar nieder und dankte Gott für die Rückkehr ihres Mannes. Sie bat ihn um seinen Schutz vor Krankheit. Vor allem aber bat sie für ihre Kinder, denen sie eine glückliche Zukunft wünschte. Ein paar alte Frauen saßen auf den Holzbänken und musterten sie eingehend, als wollten sie den Grund für den ungewöhnlichen Kirchenbesuch erforschen. Beim Hinausgehen verneigte sie sich tief vor dem Altar, bekreuzigte sich, zündete eine Kerze an und trat ins Freie. Irgendwie fühlte sie sich von einer schweren Last befreit und lenkte ihre Schritte nach Hause. Ihre ganze Hoffnung lag in den Händen ihres Onkels, der bald das höchste kirchliche Amt in der ganzen Region innehaben würde. Keiner würde es wagen, gegen seinen Willen zu handeln.

      In ihrem Haus angekommen, berichtete sie den Kindern, in welchem traurigen Zustand sie ihren Mann angetroffen hatte. Sie wollten es kaum glauben, kannten sie doch ihren Vater nur als aufrechten Mann voller Energie und Tatendrang. Dass er aber nun allein und von allen verlassen in einem Gefängnis sitzen musste, dass wollten sie nicht glauben. Nur mit Mühe konnte sie ihre Kinder von einem Gang zum Gefängnis abhalten. Sie würden nichts erreichen, vielmehr seine Lage vielleicht sogar noch verschlimmern.

      Bei diesem Gedanken begann sie zu weinen, die Tränen liefen ihr über das Gesicht. Die Kinder waren bestürzt, denn sie hatten ihre Mutter noch nie weinen gesehen. Immer war sie die starke Frau gewesen, die Trost spendete, wenn sie Kummer hatten. Aber dass sie nun selbst Hilfe brauchte, das erschien ihnen unbegreiflich zu sein. Eine Mutter braucht keine Hilfe, denn

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