Flucht aus der Würfelwelt. Karl Olsberg

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Flucht aus der Würfelwelt - Karl Olsberg

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eher amüsant als bedrohlich zu finden. Er zwinkert Amelie zu. „Wir sehen uns!“

      Seine Augen rollen nach oben und er sackt in sich zusammen. Mit vereinten Kräften zerren die Pfleger ihn zurück in den Patiententrakt.

      „Bitte entschuldige!“, sagt Dr. Johannsen, der ebenfalls auf den Flur getreten ist. „Das hätte nicht passieren dürfen. Unsere Sicherheitsmaßnahmen sind eigentlich sehr gut. Aber manchmal schaffen es die Patienten doch, uns auszutricksen.“

      „Wer … wer war das?“, fragt Amelie.

      „Karl? Der ist schon lange mein Patient. Er leidet unter paranoider Schizophrenie. Er hält sich für Gott.“

      „Für Gott?“

      „Nun ja, nicht ganz, jedenfalls nicht im religiösen Sinn. Er ist Schriftsteller. Er glaubt, dass er sich all das hier nur ausgedacht hat – die Klinik, dich, mich. Wie ich schon sagte, unser Gehirn konstruiert sich manchmal seltsame Bilder der Wirklichkeit.“

      Amelie nickt verwirrt. Sie lässt sich von Dr. Johannsen bis zum Ausgang begleiten. Gedankenverloren geht sie zur Bushaltestelle. Im Büro des Arztes war sie noch fest davon überzeugt, dass er sie anlügt. Doch auf einmal ist sie sich nicht mehr so sicher. Ein Schriftsteller, der glaubt, er habe sich die Welt ausgedacht, das ist wirklich verrückt. Aber für diesen Karl ist es wahrscheinlich eine ganz plausible Sichtweise.

      Was, wenn auch sie sich irrt? Was, wenn das, was sie für die Wirklichkeit hält, gar nicht die Realität ist – jedenfalls nicht in jeder Hinsicht? Auch ihre Mutter lebt offensichtlich in ihrer eigenen Welt, in der ihre Angst die Wahrnehmung verzerrt. Wie sonst wäre es zu erklären, dass sie Amelie belogen hat?

      Enttäuschung macht sich in ihr breit, als ihr klar wird, dass sie nichts tun kann, um Marko zu helfen. Sie kann nur hoffen, dass Dr. Johannsen trotz seiner merkwürdigen Art ein guter Arzt ist. Den ganzen Weg hierher hätte sie sich sparen können. Immerhin weiß sie jetzt, dass ihr Stiefvater immer noch hinter Schloss und Riegel sitzt. Am besten, sie fährt nach Hause ruft ihre Mutter an.

      Als sie schon im Bus sitzt, läuft noch einmal die Szene in der Klinik vor ihrem geistigen Auge ab. Sie erinnert sich an die Worte des Mannes im Bademantel: Sie haben ihn unter Drogen gesetzt! Sie halten ihn gegen seinen Willen hier gefangen! Du musst ihn hier rausholen, Amelie!

      Amelie erstarrt. Dieser Karl mag ja verrückt sein, aber woher kannte er ihren Namen?

      7.

      Um die nächstgelegene Festung zu finden, werfe ich eines der Schattenaugen. Es zischt ab wie eine Silvesterrakete, wobei es eine violett glitzernde Spur hinterlässt. Auf dem Gipfel seiner Flugbahn verharrt es einen Moment in der Luft, bevor es mit einem kaum hörbaren Plopp verschwindet. Mist!

      Eigentlich hatte ich gehofft, dass ich dieses Auge mehrfach verwenden kann – normalerweise zerplatzen sie nicht gleich beim ersten Mal. Aber jetzt weiß ich wenigstens, in welche Richtung ich gehen muss. Das Wetter ist schön, die Landschaft sanft und hügelig, und ich würde ein Liedchen pfeifen, wenn ich wüsste, wie ich meine aufgemalten Lippen schürzen kann. Ich durchwandere eine Wüste und klettere über ein steiles Gebirge. Auf der anderen Seite liegt ein Wald, in dem Riesenpilze aufragen. Auch diesen durchquere ich ohne besondere Ereignisse, wobei mir der Kompass hilft, die Richtung beizubehalten.

      Als der Abend anbricht, errichte ich eine primitive Hütte und warte die Nacht ab, während draußen Zombies und Skelette herumgeistern.

      Am nächsten Morgen werfe ich erneut ein Schattenauge. Diesmal habe ich mehr Glück: Das Auge zerplatzt nicht, sondern fällt zu Boden, so dass ich es aufsammeln und wiederverwenden kann.

      Gegen Mittag sehe ich von einem Hügel aus in der Ferne Häuser. Sie liegen nicht genau auf meinem Weg, aber ich beschließe, einen kleinen Abstecher zu machen. Wer weiß, vielleicht kann ich dort meine Smaragde gegen etwas Nützliches eintauschen.

      Doch seltsam, als ich das Dorf erreiche, scheint es leer zu sein. Dabei hätte ich schwören können, aus der Ferne die Bewohner herumwuseln zu sehen. Merkwürdig. Anscheinend gibt es doch leichte Unterschiede zwischen dieser Welt in meinem Kopf und der echten Spielwelt. Der Gedanke bereitet mir Unbehagen, ohne dass ich genau sagen könnte, warum.

      Das Dorf ist relativ groß und verfügt sogar über eine Kirche. Vielleicht sind die Dorfbewohner gerade zum Gottesdienst versammelt? Doch die Kirche ist leer.

      Als ich wieder auf die Straße trete, glaube ich, hinter einem Fenster eine Bewegung wahrzunehmen. Im Inneren des Hauses treffe ich auf einen Dorfbewohner mit charakteristischer Knollnase. Seine braune Robe weist ihn als Bauern aus. Als er mich sieht, scheinen sich seine schielenden Augen für einen Moment zu weiten, und er macht ein erschrecktes Geräusch, das wie „Au!“ klingt. Bevor ich auch nur „Hallo“ sagen kann, flüchtet er aus dem Haus. Ich folge ihm hinaus auf den Kiesweg, der mitten durch das Dorf verläuft. Er flitzt auf seinen Stummelbeinchen davon, als sei ein Zombie hinter ihm her.

      „Halt, warte doch mal!“, rufe ich, doch der Dorfbewohner rennt weiter in Richtung eines Waldes. Im Schatten großer Eichen nehme ich Bewegungen wahr. Sind da etwa noch mehr Knollnasen versteckt? Doch als ich den Waldrand erreiche, ist nichts mehr von ihnen zu sehen. Auch der Dorfbewohner, der vor mir geflüchtet ist, scheint spurlos verschwunden. Was haben die bloß gegen mich? Normalerweise sind Dorfbewohner friedlich und freuen sich, wenn man mit ihnen Handel treibt.

      Schließlich gebe ich die Verfolgung auf. Ohne lange über das seltsame Verhalten der Dorfbewohner nachzudenken, setze ich meinen Weg fort. Als sich die Sonne dem Horizont zuneigt, zeigt das Schattenauge eine andere Richtung an. Ich muss der Festung bereits recht nahe sein. Nachdem ich etwa hundert Schritte gegangen bin, erreiche ich eine weite Ebene. Noch einmal werfe ich ein Schattenauge, das jedoch nicht wie bisher in die Luft schießt, sondern fast senkrecht im Boden verschwindet. Bingo!

      Ich fange an zu graben. Es dauert nicht lange, bis ich auf ein Höhlensystem stoße, in dem mich eine ungewöhnlich große Anzahl von Skeletten, Zombies und Kriechern erwartet. Nachdem ich ihnen den Garaus gemacht habe, entdecke ich verräterische moosbewachsene Blöcke in der Höhlenwand. Mit der Spitzhacke schlage ich eine Öffnung hinein und gelange in eine alte Bibliothek. Augenblicklich werde ich von einem ganzen Schwarm Silberfischchen attackiert. Ein einziges dieser kleinen, insektenartigen Biester wäre harmlos, aber ein halbes Dutzend von ihnen könnten einem weniger gut ausgerüsteten Abenteurer durchaus gefährlich werden.

      Nachdem ich das Ungeziefer beseitigt habe, durchsuche ich die Bibliothek und finde in einer Büchertruhe ein Zauberbuch. Als ich es in meinem geistigen Inventar aktiviere, glüht mein Bogen kurz auf und zeigt danach einen magischen Schimmer. Ich bin nicht sicher, welchen Effekt das Zauberbuch auf die Waffe gewirkt hat, aber er wird im Kampf gegen den Drachen sicher nützlich sein.

      Eine Wohngemeinschaft aus Höhlenspinnen, Zombies, Kriechern und Skeletten scheint sich durch meine Erkundung der Festung gestört zu fühlen. Doch wer gut genug gerüstet ist, um gegen einen Drachen zu kämpfen, für den sind solche Normalomonster eher lästig als gefährlich.

      Endlich erreiche ich im Untergeschoss der Festung den Raum, den ich gesucht habe. Er ist länglich und hat in der Mitte ein Podest, zu dem eine Steintreppe hinaufführt. Auf der Treppe steht ein brennender Käfig, in dem ein kleines Silberfischchen herumwirbelt – ein Monsterspawner. Folg-lich wimmelt es in diesem Raum von den Plagegeistern.

      Es dauert nicht lange, bis ich die Tiere beseitigt und den Spawner durch Platzieren von ein paar Fackeln deaktiviert habe. Nun kann ich mich dem Endportal widmen, das sich oben auf dem Podest befindet. Es besteht aus einem Lavabecken, das von zwölf speziellen Steinblöcken

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