Die Pyrenäenträumer - Band 2. Wolfgang Bendick

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Die Pyrenäenträumer - Band 2 - Wolfgang Bendick Zu Wasser und zu Lande

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Meist sind Kinder die ersten, die ein Stückchen probieren wollen. Dann wollen die Eltern auch. Und wenn sie nichts nehmen, gehen lassen, nicht drängen! Sollen sie erst bei den Anderen probieren! Meist kommen sie wieder! Seit Beginn schon hatten wir eine Ansichtskarte machen lassen. Das erschien anfangs als eine Menge Geld! Andere verteilen Visitenkarten. Mittags, beim Einpacken findet man die Visitenkarten irgendwo im Rinnstein wieder. Nicht aber eine schöne Ansichtskarte! Diese wird verschickt und landet bei der Oma oder Bekannten auf dem Kaminsims. Oder nach ein paar Tagen kommt die Familie am Hof vorbei, die Karte in der Hand, glücklich, uns gefunden zu haben, denn für die Heimfahrt hatten sie noch nichts Passendes zum Mitnehmen gefunden…

      Wichtig ist, nicht hinterm Stand zu sitzen, zu rauchen oder in der Nase zu bohren. Ein Zwischending ist eine Art Klappsessel in der Höhe eines Barhockers. Der Kunde muss den Eindruck haben, dass man für ihn da ist! Sitzt man da, will er einen nicht belästigen. Andererseits darf er nicht den Eindruck bekommen, dass der Verkäufer ihn belästigt! Ich hatte versucht, alles auf eine Gleichung zu reduzieren. Aber so einfach ist das nicht. Doch hatte ich gesehen, dass von einem Winkel ab 45 Grad man den Kunden aufmerksam machen muss. Bis 90 Grad. Dann ist es zu spät. Oder noch nicht ganz, wenn Kinder dabei sind! Diese lauern oft regelrecht auf eine Kostprobe! Beim Näherkommen hebe ich die Glocke vom Käse und schneide gut sichtbar eine kleine Scheibe ab, die ich ihnen anbiete, wenn sie sich fast vorm Stand befinden. Aber auf eine Weise, dass sie sich nicht vom Messer bedroht fühlen oder irgendwie gezwungen sehen. Selten dass sie ablehnen! Man muss das Gespräch suchen, eine witzige Bemerkung parat haben, Auskunft über Wanderziele geben! Man muss den Kunden so empfangen, wie man gerne selber empfangen werden will, wenn man wo in Urlaub ist!

      Wichtig ist, sich Zeit zu nehmen. Wichtig ist auch, keinen Kunden warten zu lassen! Während einer probiert, und sich nicht entscheiden kann, kann man den anderen Wartenden schon mal was zum Probieren geben oder den Kindern eine Postkarte. Oder notieren, was der Andere will, und ihm sagen, dass man die Ware fertig macht, und er sie in einer halben Stunde abholen kann, wenn es seine Tour über den Markt beendet hat, vor allem, wenn es ein Stammkunde ist.

       Auch muss der Stand sicher stehen. Oft haben die Straßen eine Rundung oder Plätze ein Gefälle. Es ist gut, immer ein paar Brettabschnitte zum Unterkeilen zu haben. Der Sonnenschirm soll nicht weiter als die der anderen Stände überstehen, da sonst vielleicht ein Lieferwagen daran streifen kann! Hunde im Auge behalten, denn wenn der erste gepisst hat, folgen alle anderen! Auch haben Hunde schon mit einem Happs einen Käse geschnappt und sind damit abgehauen! Und dann finde mal den Eigentümer! Niemanden hinter den Stand lassen, da schon manche Kasse auf diese Weise verschwunden ist! Die Kasse nicht abschließen, damit sie aufgeht, falls ein Langfinger sie mitgehen lassen will. Ab und zu unauffällig das Großgeld rausnehmen und in die Hosentasche stecken! Am besten, den Stand vorne und seitlich zumachen, damit der sich darunter befindliche Vorrat nicht sichtbar und geschützt ist. Das einfachste dazu ist ein Vorhang oder eine Plane, auf die man ein schönes Bild gemalt hat. Den Vorrat in Kühlboxen aufbewahren. Diese nicht auf die Erde stellen, sondern auf Bretter. Denn irgendwann landen sie im Keller, spätestens, wenn man sie wieder auffüllt, und nichts ist gefährlicher im Keller als Schmutz von anderswo und Erdrückstände!

       Bei Wind ist es besser, den Sonnenschirm zu schließen oder gut festzuhalten! Nichts ist vorteilhafter für einen Markt, als gelöste Stimmung. Warum nicht die Nachbarn zu einem Frühstück einladen? Jeder bringt dann automatisch was mit, man öffnet eine Flasche, quatscht miteinander, besser kann ein Markttag gar nicht beginnen!

       *

      Bei Regen war das alles anders. Wer seine Käufe aufschieben konnte, tat es. Oder die Leute trafen sich in den Kneipen. Davon gab es genügend in Castillon. Am Platz vor der Schule, wo auch die neue Käserei ihre Aktivität aufgenommen hatte, befand sich das ‚Chai‘, ein Weinhandel, geführt von Georges, dem ‚Griechen‘. Dieser Name hing ihm noch an, obwohl er in Paris geboren war. Dort war er auch zur Schule gegangen. Zum Abitur hatten die Eltern ihm eine Fahrt nach Griechenland, das Land seiner Großeltern geschenkt. Als er dort angekommen war, brach gerade die Revolution aus und man integrierte ihn in die Armee, ihn, der kein Wort Griechisch sprach und einen französischen Pass hatte! Er landete sogar im Gefängnis, weil man ihm unterstellte, mit falschen Papieren dem Dienst fürs Vaterland entkommen zu wollen! Es dauerte eine Weile, bis er endlich wieder zurückkam. Seitdem hält er nichts mehr von Auslandsreisen… Später lernte er in den Ferien hier seine Frau kennen und übernahm deren familiären Weinhandel.

      Sein Laden war ein hoher Kellerraum, in dessen Hintergrund Plastik- und Holzfässer herumstanden, in denen sich Weiß-, Rot- und Rosé-Wein befand, den er mit einem Schlauch ansaugte und in die untergehaltenen Kanister oder Korbflaschen der Käufer laufen ließ. Auch machte er regelmäßig Fahrten durch die Weiler und Dörfer, um die Leute mit dem lebensnotwendigen Treibstoff zu versorgen. Er hatte einen alten Peugeot-Lieferwagen, der vorne mit Schiebetüren ausgestattet war, die aber oft rausfielen. Dann diente eine Kordel mit Karabinerhaken dazu, einen eventuellen Insassen, meist ein angetrunkener Marktkunde, nicht zu verlieren. Manchmal durften auch seine Enkel mitfahren. Für die schien das jedes Mal ein Abenteuer zu sein. Ansonsten kamen diese, wie die anderen Lausebengel des Dorfes so oft es ging an meinem Stand vorbei, um eine Scheibe Käse als Kostprobe zu ergattern.

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      War ein trüber Regentag oder es fiel Schnee, gingen die Bauern, die Tiere mitgebracht hatten, nicht weiter als bis zu ihm. Dort konnten sie ihren Durst wecken und später löschen und hatten zugleich ihre Tiere auf dem Platz im Auge. Auch ich kehrte dort ein. „Hast du Käse dabei?“, fragte der erste. Und plötzlich wollten alle ein Stück haben. Ich öffnete die Heckklappe und machte mich ans Abschneiden und Wiegen. Später dann hatte ich schon auf dem Markt auf gut Glück meine Pakete abgewogen. Mit einem Blatt Papier, gut bestückt mit Aperitif-Portionen, kam ich gegen Mittag da rein. Und jedes Mal stand ein Bier vor mir, ohne, dass ich zahlen brauchte. Das wurde so eine Tradition.

      Meist waren das dieselben Bauern, die sich hier trafen. Einige kannte ich schon von der Alm, als wir noch die Schafe auf dem Berg hatten. Da war Jean-Pierre, der außer seiner Korpulenz immer sein Scheckheft zur Schau stellte, das ihm hinten aus der Jeanstasche baumelte. Auch die Viehhändler verbrachten hier den Vormittag, ebenso wie mancher Marktverkäufer, der hier seinen Stand und seine Sorgen für einen Moment vergaß. Denn die Geschäfte gingen nicht mehr so wie früher. „Wenn du das erlebt hättest“, meinte Georges mit einer weitausholenden Geste, „Stände überall, die Häuser bestanden im Erdgeschoss aus Butiken, die Kühe standen unter den Platanen, wo die Tankstelle ist, bis hoch, wo jetzt das Foyer Rural, der Festsaal, steht! Und all die Leute, die Käse verkauften! Damals hättest du noch Konkurrenz gehabt, aber jetzt!“ „Da ist doch die neue Käserei auf dem Platz!“, warf ich ein. „Das ist doch kein Käse, was die machen! Die Milch kommt noch nicht mal von hier. Das ist ein Zeug, um an die Städter zu verkaufen, die keine Ahnung haben!“

      So ging es da zu. Rauch schwärzte nicht nur die Decke, sondern hüllte bei geschlossenen Türen den Keller in einen bläulichen Nebel. Draußen, neben der Tür hatte Georges ein Barbecue errichtet, worin er mit Abfällen gegen Mittag ein Feuer entzündete. Dann ein paar Schaufeln Holzkohle drauf und er grillte das Fleisch, was die Zecher gekauft hatten, vielleicht für zu Hause. Stolz stellte er eines Tages eine Flasche Franziskaner Weißbier vor mir auf den eichenen Tresen. Das nächste Mal brachte ich ihm das dazugehörige Glas mit, von denen ich eine Sammlung zu Hause hatte. Darin schmeckte das Weizen noch besser! Er erzählte mir, dass er das Bier in Spanien gefunden hatte. Und ich dachte, es käme aus München! Ich schaute mir daraufhin die Flasche genauer an. Darauf stand, dass es in Athen hergestellt war! Man sah, Europa war dabei, sich zu gestalten! Das Dumme mit den Weizengläsern ist, dass sie sich schlecht reinigen lassen. Als das Bier bald darauf beim Einschenken nicht mehr schäumte schaute ich mal genauer hin. Unten drin war ein Rand Schmodder von eingetrockneten Bier und Hefe, der sich durch normales Nachfüllen von frischem Bier nicht mehr entfernen ließ. Da wäre Waschen das Einfachste!

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