Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frisst – Band 185e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski. Ханс Фаллада

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frisst – Band 185e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski - Ханс Фаллада страница 24

Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frisst – Band 185e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski - Ханс Фаллада gelbe Buchreihe

Скачать книгу

9

      „Wohin wollen Sie entlassen werden, Kufalt?“ fragt der Inspektor.

      „Nach Hamburg.“

      „Haben Sie Arbeit?“

       „Nein.“

      „Zu wem ziehen Sie dort?“

      „Weiß ich noch nicht.“

      „Schreiben Sie also ‚Auf Wanderschaft’“, sagt der Inspektor zum Sekretär.

      „Ich gehe doch nicht auf Wanderschaft. Ich will mir ein Zimmer mieten.“

      „Das lassen Sie nur unsere Sache sein. Wir machen das so, wie wir das hier gewöhnt sind.“

      „Aber es ist nicht richtig. Ich gehe nicht auf Wanderschaft. Ich bin doch kein Handwerksbursche.“

      „Wahrscheinlich sollen wir schreiben ‚Auf Reisen’. Hören Sie, Ellmers, Herr Kufalt begibt sich auf Reisen. Wahrscheinlich wartet sein Auto morgen früh um sieben vor der Tür.“

      Kufalt schielt argwöhnisch über die Schranke: „Ich kriege doch keine Abmeldung vom Gefängnis?“

      „I wo, wie werden Sie! Vom Hotel Vier Jahreszeiten kriegen Sie eine!“

      „Eine Abmeldung vom Kittchen nehme ich nicht an. In der Strafvollzugsordnung steht, aus der Abmeldung darf nicht ersichtlich sein, dass der Entlassene aus einer Strafanstalt kommt.“

      „Das machen wir, wie es hier Vorschrift ist.“

      „Ich lese es doch, da steht doch: ‚Aus dem Zentralgefängnis’. Die nehme ich nicht an. Die soll ich wohl gleich meiner Wirtin in die Hand geben? Ich verlange 'ne andere Abmeldung.“

      „Diese hier kriegen Sie und keine andere. Sie haben hier lange genug 'ne Lippe riskiert, Kufalt.“

      „Aber in der Strafvollzugsordnung steht...“

      „Das haben wir gehört. Halten Sie jetzt den Mund oder ich lasse Sie abführen.“

      „Herr Wachtmeister, ich verlange Vorführung beim Direktor!“

      „Das Maul sollen Sie halten! – Übrigens ist der Direktor verreist.“

      „Das ist nicht wahr! Ich bin ja erst vor einer Stunde bei ihm gewesen.“

      „Und vor einer halben ist er abgereist. Wenn Sie jetzt nicht ruhig sind...“

      „Batzke, Bruhn, Lehnau – lasst ihr euch das gefallen?! Ihr wisst, es steht im blauen Heft in der Zelle...“

      Kufalt wird immer wilder.

      Der Inspektor kommt um die Schranke herum: „Kufalt, ich warne Sie! Ich warne Sie! Was Sie da eben gemacht haben, Kufalt, war Aufwiegelei! Morgen früh, wenn Ihre Strafe rum ist, lasse ich Sie in Untersuchungshaft führen wegen Meuterei.“

      „Sie –? Sie?! Untersuchungshaft kann ein Richter verhängen, aber doch nicht Sie! Das müssen Sie einem frisch Eingelieferten erzählen, Herr Inspektor, mir doch nicht!“

      „Ellmers, sehen Sie sich das an! Das sind die Leute, die entlassen werden wollen!“

       „Kriege ich eine Bescheinigung nach der Strafvollzugsordnung?“

      „Sie kriegen die Bescheinigung, die hier Vorschrift ist.“

      „Steht da drauf, dass ich aus dem Gefängnis komme?“

      „Natürlich. Wo kommen Sie denn sonst her?“

      „Dann verlange ich Vorführung beim Stellvertreter von Herrn Direktor.“

      „Wachtmeister, führen Sie Kufalt bei Herrn Polizeiinspektor vor. – Also jetzt Sie, Batzke. Sie legen ja wohl keinen besonderen Wert auf eine Abmeldung aus dem nächsten Hotel?“

      „Wenn mein Geld stimmt, Herr Inspektor, können Sie meinetwegen schreiben, ich bin Muttermörder.“

      „Hören Sie, Kufalt!“ sagt der Inspektor triumphierend.

      * * *

       10

      Der Polizeiinspektor ist ein milder, weißhaariger, sanfter Mann, ein fetter Mann, ein leiser Mann, ein stiller Mann, kaum zu merken eigentlich, so leise und still, so sanft. Und doch vielleicht der unbeliebteste Mann im Bau. Die Gefangenen nennen ihn den Judas.

      Kufalt kann nicht vergessen, dass der Inspektor im ersten Haftmonat einen Zellenbesuch bei ihm machte, da war er teilnehmend und gut, am Schluss sagte er zu ihm: „Und wenn Sie einmal einen Wunsch haben, Kufalt, so sagen Sie ihn mir mündlich. Ich komme jeden Monat einmal auf Ihre Zelle.“

      Kufalt hatte Wünsche und wartete auf den Inspektor. Nun ist es so bestimmt, dass Gefangene nur einmal im Monat an einem bestimmten Tage zu einer bestimmten Stunde einen Wunsch äußern dürfen, ist die Stunde verstrichen, müssen Sie wieder einen Monat warten.

      Kufalt wartete drei Monate auf den versprochenen Besuch des Inspektors, um ihm seinen Wunsch mündlich vorzutragen. Der Polizeiinspektor kam nicht. In den fünf Jahren kam er nicht einmal wieder auf Kufalts Zelle. Er hatte das ‚nur so’ gesagt, einfach hingesagt, um sich im Augenblick angenehm zu machen, er hatte dann nie wieder an Kufalt gedacht. Aus Neugierde war er ein einziges Mal bei dem frisch Eingelieferten gewesen.

      Kufalt hat ihm das nicht verziehen. Er hat es nie über sich gebracht, an den Mann noch eine Bitte zu richten, und so sagt er denn jetzt auch nur: „Herr Inspektor, es gibt eine Bestimmung in der Vollzugsordnung, dass aus dem Abmeldeschein nicht hervorgehen darf, dass der Entlassene aus einer Strafanstalt kommt. Die wollen mir aber einen Schein aus dem Zentralgefängnis mit dem Stempel Zentralgefängnis geben.“

      Der Polizeiinspektor sieht den Gefangenen lange an. Dabei wiegt er den weißen, runden Kopf hin und her und schaut in eine Ecke, wo nichts ist wie ein Schrank mit Akten. „Wieder“, sagt er bedauernd. „Wieder.“ Er wiegt den Kopf hin und her. „Ein Jammer ist das.“

       Kufalt steht vor ihm und wartet, worauf das Theater hinaus soll. Denn dass der Polizeiinspektor über irgendetwas, was einen Gefangenen angeht, Bedauern empfinden könnte, übersteigt seine Glaubenskraft.

      Hinter Kufalt steht in dienstlicher Haltung der vorführende Wachtmeister. Eine Uhr an der Wand, geschmückt mit Eichenlaub, Schwertern und Adler, tickt sehr vernehmlich die Zeit fort. Der Polizeiinspektor lenkt seinen Blick auf den Gefangenen zurück. „Und was sollen wir tun?“

      „Mir eine vorschriftsmäßige Bescheinigung geben.“

      „Ja, natürlich!“ sagt der Inspektor freudig. „Ja, natürlich!“ Er verfällt erneut in Bedauern: „Nur...“ ganz leise und vertraulich: „...es gibt Hindernisse.“

      Er lehnt sich in seinen Schreitischsessel zurück und sagt: „Es gibt Bestimmungen zweierlei: durchführbare – undurchführbare. Ich will nichts gegen diese Bestimmung sagen, im Gegenteil, sie ist sozial, sie ist human, sie entspricht dem Geiste heutiger Volksvertretung, nur – durchführbar ist sie nicht.

Скачать книгу