Liebestöter. Werner Siegert
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Werner Siegert
Liebestöter
12 Schnurzgeschichten
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Inhaltsverzeichnis
Dieser Kuss auf die Stirn ....
Das gelbe Herz in der Gideon-Bibel
Der Kommissar und die Schnaken
Noch e i n mal ! Ein allerletztes Mal!
Vorwort
Was verstehen denn Sie unter Liebestötern, dass Sie sich dieses eBook zu Gemüte führen wollen? Als klassischer Liebestöter (masc.) verstand man über viele Jahrzehnte lange männliche Unterhosen in Fein- oder Doppelripp mit Eingriff – wohin wohl. Auch sollen wollene Socken von Warmduschern im Bett getragen, das Vorspiel nicht gerade antörnen. Aber auch Frauen können sexuelles Begehren jäh zum Erliegen bringen durch bunte, stramm anliegende Schlüpfer mit längerem Bein, also mit dem Zwickel gemäß Preußischer Badeverordnung von 1932. Es verwundert, dass bedrohliche Fischbein-Korsetts und spitztütige BHs in Google nicht erwähnt werden. Dass Wikipedia darum bittet, dieses Stichwort zu bearbeiten, zeigt, dass sich der Forschung hier noch eine ungemähte Wiese bietet. Ungezählt sind die Zerwürfnisse frisch Verliebter über die Einrichtung ihres Nestes, über die richtige Zubereitung von Weißwürsten, über die Herrschaft der Schwiegermütter, über riskante Fahrkünste, über den einzige richtigen Urlaub an der Waterkant oder in den Bergen. Spinnen über dem Bett führen zum jähen Abbruch des Anstiegs zum Höhepunkt. Klassisch auch Gretchens Frage „Wie hältst du’s mit der Religion?“ Oder der CSU?
Die nachfolgende Lektüre entstand jedoch nicht unter dem Ehrgeiz, diese immensen Lücken füllen zu wollen. Es handelt sich vielmehr um die Schilderung bedauerlicher Vorfälle, die der drängenden Libido ein jähes Ende bereiteten. Da Schadenfreude die schönste Freude sein soll, wiewohl dies ethisch total zu verabscheuen ist, möchte der Autor Sie über die betrüblichen Geschehnisse züchtig in Kenntnis setzen. Wohlgefällig wäre, Mitleid zu empfinden oder gar daraus für das eigene Lieben zu lernen. Ihm selbst ist das völlig Schnurz.
Phyllis
Am Anfang war es eine Schnapsidee - allerdings ohne Schnaps. Beide standen wir vor wichtigen Examina. Beide hätten wir dringend lernen müssen. Ungelesene Fachbücher stapelten sich auf den Klapptischen in den Wohnzellen unseres Studentenheims. Also trödelten wir lieber über einen Flohmarkt; über den größten Flohmarkt der Republik.
Da gab es wenigstens was zu lachen. Mehr noch über die Schnäppchenjäger als über den Ramsch auf den Tapeziertischen. Hochmütig lästerten wir über die Stadtleut’ und den Krempel, den sie nach Hause schleppten. Wir malten uns aus, wie es wohl bei denen in der guten Stube aussieht. Wo das Strickbild mit Watzmann, windschiefer Kate und tosendem Wasserfall vermutlich einen Ehrenplatz erhalten wird. Was wohl einer durch Omas gusseisernen Fleischwolf drehen würde. Und wie eine kunststoffgeborene Venus von Milo ab morgen den Kleingarten ziert, sofern das Kleingarten-Regelwerk solche ebenso sittlichen wie geschmacklichen Verfehlungen überhaupt erlaubt.
Da fiel unser Blick auf einen putzigen Tiger. Aus Porzellan. Cirka einen halben Meter hoch. Mit einem geradezu herausforderndem Blick. Er hatte es offenbar auf uns abgesehen. Lächerliche fünf Euro sollte das Raubtier kosten? Fünf? Nicht 50? Fünf Euro für einen imposanten Porzellan-Tiger?
Wir schlenderten weiter und diskutierten heftig über Kitsch und Kunst, über Billigproduzenten in China, ausgerechnet jenem Land, in dem das Porzellan erfunden wurde. Oder wo war das? Fünf Euro? Massenproduktion? Wir stellten uns die Fabrik vor, in der eine Million Jungtiger vom Band laufen, von Maschinen bemalt, Produktion 4.0, in menschenleeren Hallen. Denn wer könnte es tagein, tagaus ertragen, von lauter Tigern umgeben zu sein? In einem gigantischen 3-D-Thermomix würden aus diversen Silos alle Zutaten für Jungtiger hineinfallen, in rotierende Formen gepresst, durch Trockenschleusen gejagt, mit Farben besprüht, Jungtiger für Jungtiger glasiert, in Kartons verklappt, mit Luftpolster abgesichert. An der Laderampe werden gemäß eingegebener Bestellzahlen die Tigerlein in Container geschoben, mit selbststeuernder Bahn zu einem Hafen transportiert, von einem Kran (allerdings noch von einem leibhaftigen Chinesen gesteuert) in einen Schiffsbauch versenkt. Eine Million Kleintiger nehmen Kurs auf Europa, Einkaufspreis vermutlich 2 € incl. Fracht. Ist das die Zukunft der Weltwirtschaft?
Das kann doch nicht sein! Der Tiger ließ uns einfach nicht los.
Wir kehrten um. Die Spannung stieg. Ist der Tiger noch da? Noch! Aber wie lange noch? Hat uns jemand inzwischen den Tiger vor der Nase weggeschnappt? Für fünf Euro? Vielleicht hat er eine Macke? Mit Porzellankitt repariert? Nein – er war noch zu haben. Für fünf Euro. Der Verkäufer stand uns Rede und Antwort. „Nein! Absolut intakt! Aus Privathand! Bitte nicht anfassen! Wenn er kaputt geht, müssen Sie die Scherben kaufen! Und mitnehmen!“
Wie gesagt: Es war eine Schnapsidee, dieses Viech mit nach Hause zu schleppen, unter Veras Arm. Mir war es zu peinlich. Immerhin machten wir uns vor, den Porzellanhohlkörper nunmehr auch aus volks- und betriebswirtschaftlichem Interesse erworben zu haben. Damit besänftigten wir unsern Hochmut, den wir über jedem anderen Käufer ausgeschüttet hätten, der aber „so was von Kitsch“ erworben hätte. Guck’ mal den Mann mit dem blöden Tiger! Jetzt war er das Studienobjekt Produktion 4.0 für VWL und BWL! So was nennt man Cognitive Dissonanz: Man umhüllt blöde Missgriffe mit dem Mäntelchen der Vernunft. Aus einer Schnapsidee wird ein geradezu wirtschaftsethisch notwendiger Kaufakt.
Unsere Cognitive