Handbuch Betreuungsrecht. Sybille M. Meier
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Der Betroffene hat also auch noch während des laufenden Betreuungsverfahrens die Möglichkeit, eine Betreuung ganz oder teilweise durch Erteilen einer Vollmacht an einen Vertrauten zu vermeiden. Voraussetzung ist allerdings das Vorliegen von Geschäftsfähigkeit (§ 104 BGB) zum Zeitpunkt der Errichtung der Vollmacht.
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Im Verfahren zur Aufhebung einer bestehenden Betreuung (§ 1908d BGB) ist demgegenüber weder die persönliche Anhörung des Betroffenen noch die Einholung eines Sachverständigengutachtens obligatorisch (§ 294 Abs. 1 FamFG). Ob solche Verfahrenshandlungen im Einzelfall geboten sind, richtet sich vielmehr nach den Grundsätzen der Amtsermittlung (§ 26 FamFG).[12]
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Für das Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht gilt: Ist der Amtsrichter trotz eines gegenläufigen Sachverständigengutachtens aufgrund des persönlichen Eindrucks des Betroffenen zu der Überzeugung gelangt, dass dieser einen freien Willen i.S.d. § 1896 Abs. 1a BGB bilden könne, und hat er deshalb die Einrichtung einer Betreuung abgelehnt, darf das Beschwerdegericht die Betreuung grundsätzlich nicht ohne Anhörung des Betroffenen anordnen.[13]
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Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Allerdings kann das Beschwerdegericht von der persönlichen Anhörung absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind.[14] Wurde der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen zum Anhörungstermin vor dem Amtsgericht weder geladen noch hiervon benachrichtigt, leidet die Anhörung an einem Verfahrensfehler, der eine erneute Anhörung – ggf. durch das Beschwerdegericht – erforderlich macht.[15]
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Sieht das Beschwerdegericht von einer persönlichen Anhörung ab, muss es die Gründe dafür in der Beschwerdeentscheidung nachvollziehbar darlegen. Von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren sind in der Regel neue Erkenntnisse zu erwarten, wenn der Betroffene an seinem in der amtsgerichtlichen Anhörung erklärten Einverständnis mit einer Betreuung im Beschwerdeverfahren nicht mehr festhält oder wenn er im Beschwerdeverfahren erstmals den Wunsch äußert, ihm einen bestimmten Betreuer zu bestellen.[16]
Anmerkungen
BayObLG BtPrax 2002, 129.
BGH FGPrax 2013, 213 = NJW 2013, 3372.
BT-Drs. 11/4528, 172.
BGH Beschl. v. 26.11.2014, XII ZB 405/14, BtPrax 2015, 71.
BayObLG BtPrax 2003, 183.
BGH FamRZ 2012, 619 = FGPrax 2012, 131 = MDR 2012, 466 = NJW 2012, 1582.
BayObLG FamRZ 1986, 1043: Unverwertbarkeit eines Gutachtens nach § 1846 BGB, wenn ein Betroffener vorab keine Gelegenheit zur Stellungnahme erhielt; BayObLG BtPrax 1993, 208; OLG München BtPrax 2005, 231.
OLG München BtPrax 2006, 35.
BT-Drs., 11/4528, 90.
BGH MDR 2011, 1040 = RdLH 2011, 142.
Zimmermann Richter- und Rechtspflegerhaftung im BtR, BtPrax 2008, 185.
BGH NJW 2011, 1289
BGH MDR 2011, 1039 = FamRZ 2011, 1577 = BtPrax 2011, 208.
BGH NJW-RR 2012, 833 = FGPrax 2012, 163.
BGH FamRZ 2012, 104 = BtPrax 2012, 25 = FGPrax 2012, 17.
BGH FGPrax 2011, 120 = NJW-RR 2011, 723 = BtPrax 2011, 124.
B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines Betreuers › IX. Die Anhörung des Betroffenen › 1. Widerspruch des Betroffenen
1. Widerspruch des Betroffenen
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Das Gericht ist gehalten, die Anhörung in der vertrauten Umgebung des Betroffenen durchzuführen, es sei denn, dass dieser dem widerspricht, § 278 Abs. 1 S. 3 FamFG. Die diesbezügliche Möglichkeit des Betroffenen dient der Wahrung seiner Intimsphäre.[1] Der Betroffene ist nicht verpflichtet, seinen Widerspruch zu begründen. Es ist nicht erforderlich, dass der Betroffene explizit das Wort „Widerspruch“ benutzt.
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Beispiel
Marlene T. wird zur Verfahrenspflegerin für Agnes G. eingesetzt. Zwecks Erörterung der Angelegenheit begibt sich Frau T. nach vorheriger schriftlicher Ankündigung zur Wohnungstür von Agnes G. und bittet um Einlass. Die Betroffene fängt daraufhin hinter der Tür stehend zu schreien an. Kreischend bedeutet sie der Verfahrenspflegerin, sie werde keinem die Wohnungstür öffnen.