Im Reiche des silbernen Löwen III. Karl May

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Im Reiche des silbernen Löwen III - Karl May

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aufrichtig sein will, muß ich sagen, daß von seiner Begleitung voraussichtlich gar manche Schwierigkeit für mich zu erwarten war, aber er besaß andererseits auch wieder sehr günstige Eigenschaften, durch welche diese – Fatalitäten will ich es nennen, mehr als ausgeglichen wurden. Er war ein sehr mutiger und außerordentlich kaltblütiger Mann und besaß Verbindungen, welche uns nur Vorteil bringen konnten. Dazu kam sein außerordentlicher Reichtum. Ich gehöre nicht, aber auch mit keinem einzigen Aederchen, zu jener Art von Menschen, welche gern jede Gelegenheit benützen, aus der Wohlhabenheit anderer Leute Vorteile zu ziehen, aber es ist doch auf alle Fälle angenehmer, einen Begleiter zu haben, dem jeder materielle Vorteil zur Verfügung steht, als einen, welcher den Pfennig dreimal umwenden muß, wenn er ihn auszugeben hat und ihn vielleicht auch dann noch wieder in die Tasche steckt. In dieser Beziehung hatten wir an Lindsay einen höchst schätzbaren Kameraden gehabt, dessen Noblesse für einen andern an meiner Stelle sehr wahrscheinlich eine gute Einnahmequelle gewesen wäre. Und schließlich war, um auch das nicht zu vergessen, seine Originalität für uns eine nie versiegende Quelle stiller Heiterkeit gewesen, und es durfte angenommen werden, daß wir nun wieder aus ihr schöpfen dürften.

      Wir sahen, daß er, obgleich der Wirt ihn schon zweimal zum Gehen aufgefordert hatte, in aller Behaglichkeit seinen Sitz behielt. Er schien über etwas nachzudenken, wahrscheinlich darüber, was er noch verlangen und aber auch verzehren könne, denn ihm, dem personifizierten Gentleman, war es fatal, in einem öffentlichen Lokale zu sitzen, ohne eine anständige Zeche machen zu können. Endlich war ihm ein Einfall gekommen:

      »Frank Kahwe!« verlangte er.

      Unter Frank Kahwe oder Frank Kahwesi, fränkischem Kaffee, versteht man Schokolade.

      »Habe ich nicht,« antwortete der Wirt.

      »Kakao!«

      »Ich weiß nicht, was das ist.«

      »Sherry!«

      »Das verstehe ich nicht.«

      Da öffnete Lindsay den Mund zu einem sperrangelweiten Gähnen. Er fühlte sich dadurch, daß er nicht bekam, was er verlangte, gelangweilt, und seine Nase blickte tief in das jetzt unter ihr gähnende, mit kräftigen Zähnen umsäumte Loch, ob nicht doch vielleicht daraus ein Wunsch erscheinen werde, der zu erfüllen sei. Und da kam er auch:

      »Scherbet!« erklang das erlösende Wort.

      Der Somali beeilte sich, das verlangte Zuckerwasser mit Fruchtsaft zu bringen, und bekam dafür ein so reichliches Bakschisch zugeworfen, daß sein Gesicht vor Freude glänzte und er sich durch eine dreimalige tiefe Verneigung bedankte.

      Lindsay hob das Getränk zum Munde und versuchte es; es schien ihm zu schmecken, denn er that dann noch einen tiefen Zug. Indem er das Gefäß wieder absetzte, fiel sein Blick hinein. Da wurden seine Augen noch einmal so groß; sein Gesicht nahm den Ausdruck des Entsetzens an, und seine Nase sträubte sich vor Schreck empor.

      »All devils!« rief er aus, den Scherbet weit von sich streckend. »Da ist ja ein – — ein – — – ein – — – wie heißt snail auf arabisch?«

      »Ich weiß wieder nicht, was du meinst,« antwortete der Wirt. »Ist etwas in dem Scherbet? Zeig her! Ich will sehen, was es ist.«

      Durch die Freigebigkeit Lindsays dienstwillig gemacht, sprang er auf, nahm ihm das Getränk aus der Hand und sah nun dasselbe, was der Englishman gesehen hatte. Ohne aber ebenso zu erschrecken, sagte er vielmehr im ruhigsten Tone:

      »Eine Bazzaka, eine ganz kleine Bazzaka[10], gar nicht viel länger als mein Mittelfinger nur! Allah hat sie ebenso geschaffen, wie er uns geschaffen hat; wer könnte sich da grauen! Es wäre schade, jammerschade um die Süßigkeit. Ich werde dir einen andern Scherbet bringen lassen.«

      Er nahm die Schnecke heraus, warf sie fort, trank die Limonade bis auf den letzten Tropfen aus und setzte sich dann wieder auf seinen Platz. Als dann der Somali Ersatz brachte, deutete ihm Lindsay durch eine sehr entschiedene Handbewegung an, daß er das Zeug gar nicht sehen, am allerwenigsten aber trinken möge, worauf der braune Jüngling es für weltgeschichtlich notwendig hielt, das verschmähte Getränk sich in das eigene Gemüt zu dirigieren. Als er dies vollbracht hatte, trat er mit seinem nackten Fuße die Schnecke breit und zog sich dann triumphierend zu seinem Kaffeefeuer zurück. Lindsay aber machte ein Gesicht, als ob die Qualen aller an unheilbarem Weltschmerz leidenden Menschenkinder in sein Inneres eingezogen seien, und seine Nase, die bekanntlich mit ihren Regungen sich zu den Gefühlen ihres Herrn in steter Kongruenz befand, hing trauernd ihre aus Abscheu vor der Bazzaka ganz weiß gewordene Spitze nieder. Diese doppelte Betrübnis machte einen so tiefen Eindruck auf den Wirt, daß er den in seinem Innern vollständig aus dem Gleichgewichte gebrachten Gentleman fragte:

      »Ist dir übel geworden? Dann rate ich dir, einen Araki zu trinken.«

      »Araki?« fuhr Lindsay auf. »Ja, einen Arak will ich haben, aber klein darf er nicht sein!«

      »Er wird so groß sein, daß auch ich mit trinken kann.«

      »Ich danke! Wenn du auch trinken willst, so laß einen für dich besonders kommen!«

      »Auch so groß wie der deinige?«

      »Ja.«

      Da ertönte die Stimme des somalischen Mundschenken:

      »Für mich auch einen?«

      »Meinetwegen!«

      »Auch grad so groß?«

      »Ja!«

      Da holte der Garçon die Branntweinkulle herein, goß drei ziemlich große irdene Näpfe voll und verteilte diese nach der ihm sehr geläufig scheinenden Regel, »mir einen, dir einen und ihm auch einen«. Lindsay war diesesmal so vorsichtig, dem Napfe bis auf den Grund zu sehen. Als er nichts Bazzakaähnliches entdeckte, nahm er einen Schluck, eine zweiten und sogar noch einen dritten. Seine Wangen glätteten sich; das Herzeleid verschwand aus seinen vorher so tiefbetrübten Zügen, und seine Stimme hatte einen neubelebten Klang, als er lobend sagte:

      »Der Araki ist gut, sehr gut!«

      Das war das Zeichen für die Nase, sich auch wieder aufzurichten und ihre Spitze in holder Farbe frisch erröten zu lassen. Als der Wirt dies sah, trank er seinen Napf verständnisinnig aus und befahl seinem Untergebenen, ihn wieder voll zu machen. Dieser kam dem Befehle augenblicklich und über Erwarten nach, indem er nach seinem Herrn auch sich zum zweitenmal bedachte. Lindsay bemerkte das mit zufriedenem Lächeln, obgleich er wohl wußte, daß er der Bezahlende sein werde. Er forderte die beiden auf, soviel zu trinken, wie in ihrem Belieben stehe. Vielleicht hegte er die rachsüchtige Absicht, sie für die Schnecke in einen ganz unmuselmännischen Rausch zu versetzen. Der Wirt, welcher die Wirkungen des Raki eingehend studiert zu haben schien, fühlte sich durch die Güte seines Gastes zu der vertraulichen Mitteilung veranlaßt:

      »Du bist ein Inglis und kennst also die Gesetze des Islam nicht. Vielleicht weißt du aber, daß uns der Genuß des Weines verboten ist. Doch Raki ist kein Wein. Raki ist ein Mah es Ssahha[11], und daher pflegt man ihn zum steten Wohle des Gebers auszutrinken. Erlaube also, daß ich sage: »Sirreh mahabbehtak – auf deine Gesundheit!«

      »Sirreh mahabbehtak!« beeilte sich der Somali auch zu sagen und dabei seinen Napf ebenso zu leeren, wie der Kaffeewirt den seinigen. Dann wurden beide wieder gefüllt.

      Diese zwei Moslemin hatten Gurgeln wie irländische Vollmatrosen! Ich mag den Branntwein nicht leiden, und diese hastige

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<p>10</p>

Schnecke.

<p>11</p>

Wasser der Gesundheit.