Im Reiche des silbernen Löwen IV. Karl May

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Im Reiche des silbernen Löwen IV - Karl May

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der Leib des Geistes, mit dem ich nach dem Geiste suchen ging. Er starb und ward begraben. Er hörte auf, zu leben, als ich dieses letztgeschriebene Wort vernahm, daß des Menschen Gedanken nicht die Gedanken Gottes seien. Warum sollte ich mit den Gedanken meines Geistes noch fernerhin nach jener Wahrheit suchen, die ich mit ihnen niemals finden kann, weil sie ganz andere als die göttlichen sind!«

      Er schaute mich an, als ob er eine Zustimmung von mir erwarte. Ich aber schüttelte leise den Kopf und sagte:

      »Du hättest mit diesem Worte nicht aufhören, sondern mit ihm beginnen sollen. Es mußte dir sagen, daß nicht mit der Schärfe des Geistes, sondern mit dem vertrauenden Blicke des Glaubens zu suchen sei. Wärest du mit seinen offenen Augen so, wie du sagtest, »hier auf der Erde hin und her gegangen,« so hättest du gewiß nicht leere Krippen gefunden, aus denen der Herr vor Herodes geflohen ist, sondern so manches freundliche Bethanien und so manches liebe Emmahus, wo er vor und nach der Kreuzigung bei den Seinen weilte, um mit ihnen das Brot zu brechen. Meinst du, weil du den Geist des Herrn nicht fandest, können auch andere ihn nicht gefunden haben?«

      »Ich fand ihn doch! Oeffne diese Leiche, und lies das erste Wort!«

      Als ich die vordere Seite des Manuskriptes aufschlug, sah ich die groß geschriebene Ueberschrift: »Der Glaube ist es, der die Welt überwindet!«

      »Nun?« fragte er. »Habe ich nicht gethan, was du sagtest? Bin ich nicht mit dem Glauben suchen gegangen? War er nicht das Alpha dieses Buches? Warum bin ich nicht auf diesem Wege, sondern auf einem anderen zum Omega gekommen?«

      »Dein Alphaweg war der Hosiannahweg. Du gingst vom Glauben aus, um den Herrn zu finden. Doch da trat jener Geist zu dir, der den Messias einst versuchte. Dieser siegte; du aber bist unterlegen. Es war nicht Gottes Geist, sondern dein eigener, nach dessen Ruhm du fortan suchen gingst. Du fandest ihn, den gleißnerischen, falschen. Man rief dir Hosiannah zu, obgleich es nur ein Esel war, auf welchem du durch die schreiende Menge rittest. Er trat mit seinen Hufen die Palmenzweige deines Ruhmes nieder. Sie waren es auch wert! Denn schon begannen Stimmen hinter dir das »Kreuzige« zu rufen – — —«

      »Effendi!« unterbrach er mich erstaunt. »Du weißt es, was geschah? Wie kannst denn du es wissen?!«

      »Nur ich? Das weiß doch jedermann! Wer nach der Wahrheit strebt, hat durch den Jubel sogenannter Freunde hinauf nach Golgatha zu steigen, um von ihnen verlassen, von den Feinden aber gezwungen zu werden, seinen Geist aufzugeben.«

      »Seinen – — Geist – — aufzugeben!« wiederholte er. »Wie wahr, wie wahr das ist! Sage mir: Hat man es zu thun? Muß man es thun?«

      »Warum fragst du mich, den Sterblichen? Frage den, der uns noch heut dadurch erlöst, daß er uns vorangestorben ist! »Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist!« so rief er aus, indem er von seinen Leiden Abschied nahm. Sag mir, o Ustad, hast du dieses sein Beispiel befolgt? Hast du, als man dich deines Geistes wegen marterte, ihn so, wie er den seinen, dem Herrn befohlen? Hier liegt die Leiche; so sagtest du. Wohin aber ist ihr Geist gegangen? Hast du dich zwingen lassen, ihn aufzugeben? Hättest du ihn in die Hände seines Herrn gelegt, so würde er in diesem seinem Leibe wieder auferstehen können, wie einst Isa Ben Marryam in ganz demselben Leibe auferstanden ist!«

      Da setzte der Herr des »hohen Hauses« die Lampe langsam, langsam wieder auf den Tisch.

      »Warte, Effendi!« sagte er.

      Dann ging er hinaus ins Freie, Schritt um Schritt, als ob er plötzlich eine schwere Last zu tragen habe. Als er schon draußen war, drehte er sich noch einmal um.

      »Glaubst du an eine Auferstehung solcher Toten?« fragte er.

      »Ja!« antwortete ich.

      »Wirklich?«

      »Ich glaube nicht nur an sie, sondern ich kenne sie sogar!«

      »Du?«

      »Ja, ich!«

      »So wollte ich, ich wäre du!«

      »Du kannst und darfst es sein; du brauchst es nur zu wollen!«

      »Effendi, Effendi! Für wen wurde hier diese Lampe wieder angebrannt? Für dich? Für mich? Für uns beide? Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und meine Wege sind nicht eure Wege. So spricht der Herr! Warte! Laß mir Zeit!«

      Während er nun draußen vor der Thür verschwand, nahm ich das noch offen vor mir liegende Manuskript, um es zuzuschlagen. Es fiel mir der Titel in die Augen. »Geist und Wahrheit« lautete er. Da setzte ich mich nieder, das Buch in der Hand behaltend. Es war mir, als sei ich plötzlich müd, sehr müd geworden. War es eine wirkliche, körperliche Schwäche, die mich überkommen hatte, oder mußte ich mich unter der intellektuellen Wucht dieser beiden Worte niedersetzen? Wer ist der Mensch, daß er es wagt, trotz allem, was ihm dazu fehlt, an eine solche Arbeit zu treten?! Dieses Buch war ganz gewiß in jener Zeit der Jugend begonnen worden, für welche das Land der Möglichkeit fast ohne Grenzen ist. Wenn dann das Alter alles, was unter größter Kraftanstrengung für die Unmöglichkeit geleistet wurde, als unbrauchbar vernichten soll, so geschieht dies fast nie, sondern es wird in allen Winkeln aufgestapelt, um dann irgendeinem infallibeln Pessimisten als Beweis dafür zu dienen, daß auf der Erde alles, alles eitel sei.

      Es verlangte mich, dieses Manuskript lesen zu dürfen, und doch wäre ich wohl kaum mit Lust an diese Arbeit gegangen, weil ich mir ja sagen mußte, daß ich nicht damit einverstanden sein könne. So saß ich lange Zeit in beinahe trüben Gedanken da, bis der Ustad wieder hereinkam und mich abermals bat, mit ihm in die Bibliothek zu gehen.

      Ich stand auf und ließ unwillkürlich einen forschenden Blick an seiner Gestalt niedergleiten. War er ein anderer geworden? Es hatte sich weder an seiner Figur noch überhaupt an seinem sichtbaren Menschen etwas verändert. Und doch war es mir, als ob er nicht mehr so vor mir stehe, wie er mir unten an meinem Lager erschienen war. Es wollte mich eine Art von Beschämung über diese meine Undankbarkeit beschleichen; aber gegen dieses Gefühl stand in mir etwas auf, was mächtiger und, wie ich jetzt weiß, auch richtiger und gerechter war und mich aufforderte: »Schmeichle nicht dir selbst, indem du ihn zu schonen scheinst. Die Sonde, welche du an ihn legst, muß dich so wie ihn schmerzen!« Er sah diesen meinen Blick auf sich ruhen und fragte mich:

      »Du schaust mich an. Du hast mein Werk da in der Hand. Lasest du vielleicht darin.«

      »Nur den Titel!«

      »Und darum dieser dein Blick?«

      »Ja.«

      »Ich verstehe dich. Geist und Wahrheit! Vielleicht hätte es besser geheißen: Geist oder Wahrheit!«

      »Auch das nicht.«

      »Also weder »und« noch »oder«!«

      »Glaubtest du, dem Geiste, der Wahrheit durch Konjunktionen oder zufällige Konjunkturen nahetreten zu können? Indem du diesen Titel schriebst, hattest du das Werk geschrieben. Du brauchtest es gar nicht zu beginnen. Es mußte unvollendet bleiben. Aber der Geist, der sich an diese Aufgabe wagte, durfte trotz Kaiphas und Pilatus nicht von dir aufgegeben werden. Ich bin überzeugt, daß er Besseres, Edleres und Höheres erreicht hätte als alles, alles das, was hier auf diesen beschriebenen Blättern zu lesen ist. Möchte er doch nicht gestorben sein, sondern nur schlafen, um wieder erwachen zu können!«

      »Ob er tot ist oder nur schläft, das wünsche ich, jetzt mit dir erfahren zu können. Ich will dir erzählen, wie er entstand und wie er von mir ging. Es wird keine lustige Geschichte sein.«

      »Geschichte?

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