Francisco Pizarro. Arthur Schurig
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FRANCISCO PIZARRO, DER EROBERER VON PERU
Vorwort
Mein Ende 1917 im Insel-Verlag zu Leipzig erschienenes Buch »Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes« wollte das unvergeßbar schwere Schicksal des Kulturvolkes der Mexikaner zur Zeit des Einbruchs der Abendländer in die Erinnerung der Deutschen zurückrufen. Der Nachhall ist nicht ausgeblieben. Gerhart Hauptmanns »Weißer Heiland«, Eduard Stuckens »Weiße Götter« und Klabunds »Montezuma« legen wohl Zeugnis davon ab. Es ist bedeutsam, daß sich alle drei Dichtungen auf die Seite des überfallenen und vergewaltigten Volkes stellen.
Das vorliegende Pizarro-Buch war von vornherein als Gegenstück zum Cortes-Buche geplant. Es stützt sich im ersten Drittel vor allem auf den zuerst 1534 in Sevilla (por Bartolomé Perez, in Folio, 45 unnumerierte Blätter) gedruckten Bericht: »Verdadera relacion de la conquista del Peru« von Francisco de Xerez, dem Geheimschreiber Francisco Pizarros in den Jahren 1530 bis 1534Neuere Ausgabe in der: Coleccion de libros que Tratan de Ameéica raros o curjosos, Bd. I: Verdadera relacion de la Conquista del Peru por Francisco de Xeres … Madrid 1891. Es gibt davon eine alte italienische Übersetzung (Mailand 1535), eine mangelhafte französische (von Ternaux-Compans, Paris 1837), eine deutsche (von Ph. H. Külb, Stuttgart und Tübingen bei Cotta, 1843), sowie eine englische (von Clemens R. Markham, London 1872).. Ergänzungen und Fortsetzungen dieses Berichtes bilden die erhaltenen Aufzeichnungen einiger andern Augenzeugen, so insbesondre der Bericht des Miguel EstateEbenfalls im Bd. I der eben genannten »Coleccion«., – ein amtliches Schreiben von Hernando Pizarro (1533)Gekürzt in deutscher Übersetzung zu finden im Bändchen 301 der Insel-Bücherei: Berichte von der Entdeckung Perus von Augenzeugen und Mitkämpfern., – die »Relacion del Descubrimiento y Conquista de los Reynos del Perú« von Pedro Pizarro (vollendet 1574), – die »Historia del Descubrimiento y Conquista de la Provincia del Perú« von Augustin de Zarate (Antwerpen 1555, in Quarto)Zu finden in der bekannten Sammlung von Gonzalez Barcia: Historiadores primitivos de las Indias occidentales, Madrid 1849., – die »Cronica del Perú« von Cieza de Leon (Sevilla 1553) und weniges andre. Die späteren, Chronisten sind im Laufe der Erzählung gelegentlich genannt. Benutzt ist auch die ehedem vielgelesene deutsche Übersetzung: »Geschichte der Eroberung von Perú« (Leipzig, F. A. Brockhaus, 1848, 2 Bände) des gleichnamigen englischen Werkes von William H. Prescott. Andere deutsche Darstellungen des Lebens und der Taten Francisco Pizarros und seiner Brüder, von denen Hernando und Gonzalo hervorragen, sind mir nicht bekannt. Auch hat sich wohl noch kein Dichter des packenden Stoffes irgendwie angenommen.
Arthur Schurig
Dresden, am 18. Januar 1922
I
Francisco Pizarro (1478—1541), der spätere Generalkapitän, Marques und Ritter des Santiago-Ordens, Kaiserlicher Statthalter von Neu-Kastilien, berühmt als Eroberer von Perú, ist geboren in Truxillo, einer ländlichen Stadt des Gaues Estremadura. Sein Vater war Gonzalo Pizarro, einer der zahlreichen armen Edelleute, die in allen Jahrhunderten die Königlichen und Kaiserlichen Ranglisten zieren. Er hat es bis zum Obristen im Fußvolk gebracht und ist unter den üblichen Auszeichnungen Teilnehmer an verschiedenen Feldzügen, insbesondere in Italien unter Gonzalo von Cordova, dem Gran Capitano, gewesen. Verheiratet war dieser Pizarro mit einer Dame aus altem Geschlecht. Ein Sohn aus dieser Ehe ist Hernando Pizarro, von dem im Laufe dieser Erzählung des öfteren die Rede sein wird. Er ist, hundert Jahre alt, um 1565 in Truxillo gestorben.
Witwer geworden, beglückte der alte Haudegen Gonzalo eine junge Magd namens Francesca Gonzales mit flüchtiger Liebschaft. Ihr hat Francisco Pizarro sein Leben zu verdanken. Später ist sie die Mutter eines gleichfalls unehelichen Sohnes geworden, der als Martino de Alcantára ein abenteuerliches Dasein führte.
Ein dritter und vierter Bruder oder vielmehr Halbbruder unseres Francisco Pizarro, von andern Geliebten des Vaters stammend, sind: Juan Pizarro (gefallen 1536) und Gonzalo Pizarro (1506—1548). Auch auf diese beiden kommen wir zurück.
Eine Verwandte vom Oberst Pizarro war die Mutter des Ferdinand Cortes (1485—1547), des Eroberers von Mexiko: Katilina Pizarro Altamirano.
Francisco Pizarro wuchs auf dem väterlichen Gut auf. Das früheste, was wir von ihm wissen, ist, daß er als kleiner Junge die Schweine hütete. Seine Feinde haben ihn ob dieser homerischen Beschäftigung gelegentlich den »Porquero« (Sauhirt) gescholten. In eine Schule ist er nie gegangen. Lesen und Schreiben blieb ihm fremd. Ja, es wird berichtet, daß er nicht einmal seinen Namenszug malen konnte, sondern zeitlebens nur einen selbstbewußten Schnörkel unter die diversen Dokumente zu setzen pflegte. Gesagt sei allerdings, daß im damaligen Spanien manch hoher Herr mit Tinte und Feder ebensowenig wie dieser glückliche Landsknecht umzugehen verstand.
Was unser Francisco bis zu seinem 32. Lebensjahre trieb, ist der Nachwelt im Einzelnen leider unbekannt. Wahrscheinlich ist er mit sechzehn oder siebzehn Jahren Soldat geworden und hat früh zu befehlen gelernt. Er war von kräftigem Körperbau, gewöhnt an Mühsal und Entbehrung. Mit Passion saß er auf einem guten Pferde, liebte das Ballspiel, schwamm wie eine Fischotter und begab sich leidenschaftlich gern in Gefahr. Vom Hazard, besonders wenn ihm die liebe Frau Fortuna ihre Rückseite zeigte, bekam man ihn nicht so leicht weg, es sei denn, Soldatenpflichten riefen ihn. Den Tafelfreuden hingegen gab er sich maßvoll hin. Auch beim Becher verlor er nie seine Würde. Seine Kleidung war immer schlicht und solid, auch in späteren Jahren, wo er ein berühmter und machtvoller Mann war. Hierin glich er Hannibal und Bonaparte. Dem obersten Führer dürfen nur Roß und Degen kostbar sein.
Am 11. Juni 1496 kehrte Kolumbus von seiner ersten Amerikafahrt zurück. Alsbald war ganz Spanien erfüllt von phantastischen Eroberungsplänen. Vermutlich hat sich Pizarro an der zweiten Reise des großen Entdeckers beteiligt, die am 30. Mai 1498 von Sevilla aus vonstatten ging. Der Zwanzigjährige verblieb in der Neuen Welt; aber erst 1510 hören wir Bestimmtes davon.
In diesem Jahre beteiligte er sich, von Hispaniola (Haiti) aus, an einer Unternehmung des abenteuerlichen Ritters Alonzo de Hojeda, nach Neu-Andalusien, auf der Tierra Firme (Festland) am Golf von Darien. Ursprünglich wollte sich auch Ferdinand Cortes, der damals in San Domingo (auf Haiti) weilte, an diesem Zug beteiligen, aber sein glücklicher Stern hielt ihn im letzten Augenblick ab.
Der Versuch, sich in Uraba festzusetzen, mißlang. Hojeda für seine Person begab sich sehr bald nach Hispaniola zurück, um Hilfskräfte heranzuholen. An seiner Stelle blieb Franzisco Pizarro zurück. Aber die giftigen Pfeile der Karaiben lichteten die kleine Schar der Ansiedler, und schließlich mußte sich der winzige Rest auf einem kleinen Fahrzeuge einschiffen.
Auf der Fahrt nach Veragua (auf dem Isthmus) traf man ein Schiff des Enciso, von dem nochmals die Rede sein wird, bei dem sich auch der alsbald berühmt gewordene Vasco Nunez de Balboa befand. Mit diesem schloß Pizarro Freundschaft. Balboa machte sich eigenmächtig zum Führer der neuen Niederlassung Santa Maria, und von diesem Ort aus unternahm er mit dreihundert Mann – darunter Pizarro – am 1. September 1513 einen denkwürdigen Zug. Es gelang ihm am 25. September desselben Jahres als erster Europäer die bis dahin legendäre Südsee zu erblicken. Unter feierlicher Entfaltung der Fahne Kastiliens nahm er Besitz von dem neuen Lande am San Miguel-Golf, wie er ihn taufte. Am 19. Januar 1514 traf die Expedition, reich an Gold und Perlen, wieder in Santa Maria ein.
Nach Balboas Tode (1517), der den Intrigen von Rivalen zum Opfer fiel, oder wohl schon vordem, schloß sich Pizarro dem grausamen und berüchtigten Avila, genannt Pedrarias, an, dem Statthalter der Castilla aurifia. In dessen Dienst nahm er an verschiednen gefahrvollen Entdeckungs- und Raubzügen in das Innere der Landenge teil.
So wurde Francisco Pizarro i. J. 1515 zusammen mit einem adern Ritter namens Morales nach dem Gestade der Südsee ausgesandt. Es galt, die Perleninsel im Golf von San Miguel zu brandschatzen. Beide Führer haben hier aus Habgier manch üble Tat begangen.
1519 ward die Stadt Panama gegründet, in so ungesunder Gegend, daß man die ursprüngliche Ansiedlung bald