Verwehte Spuren. Franz Treller
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Am andern Tage erhandelte er dann zwei Pferde von Jones, das eine für sich als Ersatz für das von Morris geraubte Tier, ein andres für den Indianer, und am Morgen des dritten Tages traten sie, Athoree stattlich mit neuer Kleidung ausgerüstet, die ihm der Graf gekauft hatte, nach einem herzlichen Abschiede von den braven Grovers, die den jungen deutschen Edelmann lieb gewonnen hatten, die Reise nach Süden zu an, den Weg, den sie vor wenig Tagen gekommen waren.
Fünftes Kapitel. In Lansing
In dem freundlichen Lansing, der Hauptstadt Michigans, schritt, es ist mehr als eine Woche vergangen, seitdem wir Grovers Farm verließen, Graf Edgar in städtischer Kleidung dem Gouvernementsgebäude zu. Den größten Teil seines mitgeführten, teils ihm von Detroit nachgesandten Gepäckes hatte er, ehe er seine Reise zum Muskegon antrat, hier in einem Hotel zurückgelassen, so daß es ihm leicht ward, seine für den Wald berechnete Kleidung angemessen zu verändern. Gaben Tracht und Haltung den Mann vom Stande zu erkennen, so würde jeder Europäer, und besonders der Deutsche, auch sofort in ihm den Offizier im Zivilkleide erkannt haben. Heinrich war mit ihm in Lansing, während er den an die Städte nicht gewöhnten Indianer in einem einsamen Wirtshause vor der Stadt zurückgelassen hatte, um ihn später wieder zu sich zu rufen.
Leichten Schrittes stieg der Offizier der Königsgrenadiere die zum Gouvernementsgebäude führende Treppe hinan und ersuchte im Vestibül einen Bediensteten, ihn zu dem Sekretär Mr. Myers zu führen.
Alsbald stand er vor einem behäbigen Herrn von untersetzter, kräftiger Statur, dessen braunrötliches, frisches Angesicht keineswegs auf einen Stadtbewohner schließen ließ.
Mr. Myers empfing den Grafen höflich, und als ihm dieser, nach seinem Begehr gefragt, das Schreiben Barings eingehändigt, lachte der schon bejahrte Herr, als er es erblickte, so herzlich, daß ihm die Tränen in die Augen traten: »Verzeihen Sie, Herr Graf, meinen ungezügelten Ausbruch von Heiterkeit, aber dieses Schriftstück ist die seltsamste Ausgeburt des Hinterwaldes, die mir je vorgekommen ist. Alter ehrlicher Joe, wir sind Jugendfreunde, Baring und ich, Herr, was mag dir dies Dokument Schweißtropfen gekostet haben —« Und er lachte herzlich von neuem.
Endlich öffnete er den Brief, blickte hinein, und wurde während des Lesens immer ernster. Er legte ihn dann beiseite und sagte: »Aller Beistand, Herr Graf, den ich zu leisten vermag, soll Ihnen gern zu teil werden. Die traurige Angelegenheit hat uns seiner Zeit viel beschäftigt. Indessen ist der Einfluß der Regierung auf jene einsamen und entfernten Gegenden wie auf die in unserm Staate lebenden Indianer nicht bedeutend. Wir hängen dort von untergeordneten Organen ab, die nicht immer zuverlässig sind, wie ich mit Bedauern eingestehen muß. Ich selbst bin im Walde und an der Indianergrenze aufgewachsen, deshalb hat man mich auch hier mit den Indianerangelegenheiten betraut, und kenne ziemlich Land und Leute, bin ja auch nicht ohne Einfluß, besonders auf das Haupt der Ottawas, den Peschewa, aber dieser Einfluß ist sehr bedingter Natur, wie denn ein Indianer in seinen Launen ganz unberechenbar ist. Gern gebe ich Ihnen ein Schreiben an den Mann mit, er kennt das Regierungssiegel, wenn er auch den Inhalt ohne einen Dolmetsch nicht enträtseln kann, und ein solcher ist nicht immer bei der Hand, aber das Siegel legitimiert Sie wenigstens. Sind Sie in der Lage, einige Geschenke hinzuzufügen, wie jene Leute sie lieben, so wird das den Eindruck des Regierungsschreibens wesentlich verstärken. Unser Agent dort oben am Manistee wird Ihnen auf mein Ersuchen ebenfalls alle möglichen Dienste leisten, und Sie können auf der Agentur alles das erlangen, was Sie für die Indianer als Geschenke brauchen.«
Der Graf sprach seinen verbindlichsten Dank aus.
»Warnen aber muß ich Sie, Herr Graf, meinem Briefe an den Peschewa einen besonderen Wert beizumessen, er ist ganz unabhängig und nicht immer gut auf uns hier zu sprechen; ferner muß ich Ihnen mitteilen, daß die Regierung mit diesem Schriftstück durchaus keine Garantie irgend welcher Art für Ihre Sicherheit unter den roten Leuten übernehmen kann. Was Sie wagen, und es ist ein Wagnis, unternehmen Sie auf eigene Gefahr. Unsre Macht ist, wie ich bereits sagte, dort oben beschränkt, und es kann leicht sein, möge Gott es verhüten, daß Sie ebenso spurlos verschwinden, wie Ihre beklagenswerte Frau Schwester. Wir können Sie nicht schützen. Wie ich aus dem Briefe ersehe, hat Ihnen Joe Baring schon genügende Mitteilungen über das, was damals, nach beendetem Kampfe, im Interesse Ihrer Schwester geschehen ist, gemacht; es ist in der Tat nichts versäumt worden, das wird Ihnen mein alter Joe bestätigt haben.«
»Gewiß, Sir, gewiß.«
»Die Gefahren, welche Sie dort oben erwarten, sind größer, als Sie ahnen können. Unsre Indianer sind, seit sie auf ihren Reservationen angesiedelt sind, moralisch gesunken, und ihr Sittlichkeitsgefühl hat nicht dadurch gewonnen, daß sich öfters von der Obrigkeit eifrig gesuchte Mörder und Diebe zu ihnen flüchten.«
Edgar erzählte nun dem freundlichen alten Herrn von den Vorgängen der letzten Tage und von dem für die Fahrt angeworbenen Indianer.
»Von dem, was dort am Muskegon geschehen ist, haben wir bereits Nachricht erhalten, und es ist alles getan, was wir tun können, um besonders den berüchtigten Morris zu fassen. Aber Sie werden sich selbst überzeugt haben, wie weit die Kraft des Gesetzes in jenen Distrikten sich erstreckt, unsre Hinterwäldler müssen das Beste dabei tun. Und was den Indianer anbelangt, wenn der erfahrene Baring damit einverstanden ist, können Sie ihn ruhig mitnehmen; daß er trinkt, kann gelegentlich unangenehm werden, schadet aber schließlich nichts, und was Sie mir von dem Manne erzählen, spricht ja für ihn. Jedenfalls ist er im Walde und im Verkehr mit den Roten eine treffliche Hilfe.«
Edgar mußte Mr. Myers noch weitere ausführliche Mitteilungen über Baring, Grover, die dortigen Farmer und seinen Feldzug in Gesellschaft dieser Leute machen.
»Ist eine wilde Rasse, unsre Hinterwäldler, und geben den Indianern nicht viel nach in manchen Dingen, aber sind Männer.«
»Das sind sie, Sir.«
Die Unterhaltung dauerte an, bis ein Diener hereintrat und Mr. Myers eine Visitenkarte überreichte. Der Graf erhob sich, um sich zu empfehlen, der Sekretär sagte: »Wenn Sie mir die Ehre erweisen wollen, Herr Graf, mein Gast zu Tische zu sein, so wird mich das sehr erfreuen.«
Graf Edgar nahm es dankend an und empfahl sich. »Um vier Uhr ist Dinnerstunde!« rief ihm Mr. Myers noch nach.
Im Vorzimmer wartete, um vorgelassen zu werden, ein Herr, dessen Gesicht dem Grafen auffiel. Der Fremde zuckte, als er des Grafen ansichtig wurde, leicht zusammen, was dieser indes nicht bemerkte. Er sah dem Herrn noch nach, als der zu Myers hineinging.
Auf dem Wege zu seinem Hotel sann er ununterbrochen darüber nach, wo er wohl den Mann schon gesehen habe, erlangte aber keine Gewißheit. Nachdem er einige Briefe nach der Heimat geschrieben hatte, kleidete er sich zum Dinner an und traf um die festgesetzte Stunde im Gouvernementsgebäude, wo Myers seine Wohnung hatte, ein.
Der Graf wurde in dem einfach, aber elegant ausgestatteten Parlour von seinem Wirte und dessen Frau und Tochter empfangen, einer würdigen Matrone und einem allerliebsten Mädchen von vielleicht achtzehn Jahren. Ein stattlicher Herr in der Uniform der Staatentruppen wurde ihm als Oberst Schuyler vorgestellt und eine junge Dame als dessen Tochter. Miß Schuylers äußere Erscheinung würde überall Aufsehen erregt haben, und es war nicht zu verwundern, daß Edgars Auge sie mit staunender Bewunderung traf. Eine schlanke Gestalt von überaus anmutigen Formen trug einen Kopf von fast rein griechischer Bildung, dem das leichtgewellte, aschblonde, in einen einfachen Knoten geschlungene, am Hinterhaupte befestigte Haar das vollkommene Gepräge der edelsten Antike verlieh.
Aus dem etwas bleichen Antlitz leuchteten Augen von ernstem, fast schwermütigem Ausdruck, die demselben ein durchgeistigtes Gepräge verliehen, so daß es dem Grafen schien, er habe